Ursula Bickelhaupt, Michael Reisser, Britta Kurz, Werner Herdecker und Andrea Knieß (von links) klagen über den Parksuchverkehr in ihrem Viertel. Foto: Maira Schmidt

Die Bewohner des Veielbrunnengebiets sind es leid. Sie wollen nicht länger hinnehmen, dass ihr Stadtteil während des Volks- und Frühlingsfestes zum Parkplatz für die Wasen-Besucher umfunktioniert wird. Sie fordern ein Parkraummanagement.

Bad Cannstatt - Am Samstagnachmittag ist anscheinend die ganze Region im Veielbrunnengebiet zu Gast. Die Kennzeichen der am Straßenrand abgestellten Fahrzeuge verraten, dass ihre Besitzer aus Ludwigsburg, Waiblingen oder Böblingen kommen. Auch einige Nordrhein-Westfalen haben ihr Auto in dem Stadtteil geparkt. Schwer zu glauben, dass es sich ausschließlich um Anlieger handelt; denn nur für diese sind die Fracht-, die Reichenbachstraße oder auch der Veielbrunnenweg während des Volksfestes freigegeben. Ein Blick in die zahlreichen Autos, die auf der Suche nach einem Parkplatz durch das Viertel kurven, legt eine andere Vermutung nahe. Mit Dirndl und Karo-Hemd werden sich die Insassen dieser Autos wohl später eher ins Wasengetümmel stürzen.

Die Anwohner schlagen eine Schranke vor

Das parallel zum Volksfest stattfindende Landwirtschaftliche Hauptfest (LWH) verstärkt den Parkdruck. Denn wo normalerweise geparkt werden kann, befindet sich nun Baden-Württembergs größter Bauernhof. „Im Bereich vom Wasen stehen kaum Parkplätze zur Verfügung“, sagt Jörg Klopfer, der Sprecher der Veranstaltungsgesellschaft In.Stuttgart. Hinzukomme, dass auf dem Güterbahnhofsgelände neue Flüchtlingsunterkünfte entstehen. „Beim letzten LWH 2010 gab es dort noch mehr Parkplätze“, sagt Klopfer.

Die Konsequenz: Auf der Suche nach einem freien Parkplatz drängen die Wasen-Besucher in die umliegenden Wohnstraßen. Die Anwohner wollen das nicht länger hinnehmen. Kürzlich hat die Bürgerinitiative am Veielbrunnen (BIV) zu einer Protestaktion gegen den Parksuchverkehr aufgerufen. Als kurzfristige Lösung schlagen die Anwohner eine Schranke vor, die nur mit einem speziellen Ausweis geöffnet werden kann. Langfristig fordert die Bürgerinitiative ein Parkraummanagement für den Stadtteil, dessen Einhaltung während des Volks- und Frühlingsfestes verstärkt kontrolliert werden müsste.

„Die Schilder nützen nichts. Es kümmert sich keiner darum“, sagt BIV-Mitglied Michael Reisser und meint damit die „Anlieger frei“-Schilder. Seine Ehefrau Britta Kurz beschreibt, was es für die Bewohner des Veielbrunnen bedeutet, wenn ihr Stadtteil zum Parkplatz umfunktioniert wird. „An einem normalen Wochentag suche ich teilweise 40 Minuten nach einem Parkplatz“, sagt sie und ergänzt: „Wir versuchen das Auto nicht zu nutzen.“ In der Regel würden sie ihren Urlaub mit den Volksfestterminen abstimmen.

Die Tatsache, dass die Anwohner selbst keine Parkplätze mehr finden, ist laut der Bürgerinitiative aber nicht das einzige Problem. Wenn das Volksfest schließt, kehren die Wasen-Besucher in den Stadtteil zurück; nicht auf der Suche nach einem freien Parkplatz, sondern nach ihren Autos. Glaubt man den Berichten der Anwohner, halten sich dabei viele nicht an den Vorsatz: kein Alkohol am Steuer. Angetrunkene Grüppchen würden durchs Viertel pilgern, herumgrölen und sich in Hauseinfahrten erleichtern. „Das zieht sich bis weit nach Mitternacht“, sagt Reisser. Hinzukomme, dass einige Besucher ihr Auto bewusst stehen lassen oder nicht wiederfinden. Die Fahrzeuge würden oft mehrere Tage im Stadtteil stehen. Schließlich scheint es einige Autofahrer zu geben, die nicht nur keine „Anlieger frei“-Schilder, sondern auch keine sonstigen Verkehrszeichen kennen. Im Veielbrunnenweg, einer Einbahnstraße, werde regelmäßig entgegen der Fahrtrichtung gefahren, berichtet Andrea Knieß von der BIV. „Die rasen da durch“, entweder aus Angst erwischt zu werden, oder weil sie eine Parklücke entdeckt haben.

Straßenzufahrten würden gesperrt

Bei der Polizei und beim Ordnungsamt hat man Verständnis für die Nöte der Anwohner, gibt sich aber hilflos. „Das ist seit Jahrzehnten ein Problem“, sagt Edgar Riester vom Ordnungsamt. Die entsprechenden Verkehrsschilder habe man aufgestellt und einige Straßenzufahrten würden an den Volksfestwochenenden gesperrt. Polizeisprecher Tobias Tomaszewski sagt: „Wir versuchen das im Rahmen unserer Möglichkeiten zu verhindern.“ Die Polizei habe aber nicht die Kapazitäten, dort den ganzen Tag jemanden hinzustellen. Wenn ein Auto erst einmal abgestellt sei, könnten die Beamten nichts mehr machen. Schließlich erkenne man nicht am Kennzeichen, ob es sich um einen Anlieger handelt. Jemand könnte auch zu Besuch sein.

Beim Veranstalter In.Stuttgart heißt es unterdessen: „Wir weisen seit Wochen daraufhin, dass die Besucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen sollen.“ Die Mitglieder der BIV kritisieren allerdings, dass es auf der Internetseite des Volksfestes heißt: „In unmittelbarer Nähe zum Haupteingang ist eine begrenzte Anzahl an Parkmöglichkeiten vorhanden.“ Ansonsten sind sich Anwohner und Veranstalter einig: Beide sprechen davon, dass bei den Besuchern ein Umdenken stattfinden muss.

Bis es so weit ist, dürften aber noch einige Frühlings- und Volksfeste ins Land ziehen. Die Tatsache, dass es in der zweiten Wasen-Woche kein LWH mehr und dafür wieder einige Parkplätze auf dem Festplatz gibt, wird laut Klopfer auch nicht für Entspannung sorgen. Für Mittwoch ist bereits die nächste große Parallelveranstaltung geplant. Das David-Garrett-Konzert in der Schleyerhalle ist ausverkauft, und auch hier werden vermutlich wieder viele Besucher mit dem Auto anreisen.