Die Villa Hauff – wechselhafte Stile, lebhafte Geschichte Foto: Lichtgut/Zweygarth

In der StN-Sommerserie „Stuttgarter Entdeckungen“ geht es diesmal um die Villa Hauff. Ein erhabenes Gebäude, das über Jahrzehnte hinweg Historiker udn Betrachter in Bann zog.

Stuttgart - Es liegt ein wenig versteckt, vor allem in den vegetationsreichen Sommermonaten ist von der viel befahrenen Kurve der Gerokstraße aus kaum etwas zu sehen. Wer allerdings per pedes den Weg zur Uhlandshöhe anstrebt, kommt unweigerlich an diesem Prachtbau vorbei: Es ist das Werkstatthaus Ost – das eine so wechselvolle Geschichte hinter sich hat wie vermutlich kaum ein Haus in Stuttgart.

Es ist ein erhabenes Gebäude, das beim Blick hinauf spontan Assoziationen weckt und über die Jahrzehnte immer wieder Historiker und Betrachter zu impressionistischen Beschreibungen verführte: Es sei ein „märchenhaftes Anwesen“, eine „trutzige Ritterburg“, ein „Märchenschlössle“ oder ein Gebäude, das „mit seinem trutzigen Äußeren an eine mittelalterliche Burg erinnert“. Ein Schauplatz, ideal für Märchenfilme, in denen der Prinz die holde Schönheit aus dem Todesschlaf wachküsst.

Einer, der dieses wunderbare Gebäude sehr gut kennt, ist der frühere Buchhändler und Hobbyhistoriker Jörg Kleinbeck (62). Für den Kulturtreff Stuttgart-Ost führt er Interessierte im Rahmen der Reihe „Ostwege“ durch die Viertel – etwa zum Jugendstil in Stuttgart-Ost, rund um den Schlachthof, über die „klassische und verspielte Eleganz“ der Gänsheide oder eben zu Villen, Schulen und Künstlerhäusern rund um die Uhlandshöhe.

Der Adel konnte eindrucksvolle Punkte besetzen

Jene Villa Hauff in der Gerokstraße 7 gehört zu den Bauten, die sich sehr betuchte Stuttgarter vor gut 110 Jahren in besten, weil exponierten Lagen errichten ließen. In den Jahrzehnten davor war es dem Adel vorbehalten, eindrucksvolle Punkte zu besetzen – etwa mit der Villa Berg oder dem Rosenstein. „In der zweiten Welle rückten dann die reichen Bürger nach und dokumentierten ihren Aufstieg und ihren Einfluss“, erläutert Kleinbeck. Die Stuttgarter Topografie mit ihren vielen Hügeln gab für dieses Ansinnen einiges her. „Das Großbürgertum und die Fabrikanten besetzten die Aussichtspunkte.“ So etwa auf der Gänsheide mit Villa Bosch, Villa Reitzenstein (für Freifrau Helene von Reitzenstein), Villa Schiedmayer (für die Witwe eines Klavierfabrikanten). Und mit der Villa Hauff.

Auf jenem Areal befanden sich zuvor Weinberge des Klosters Bebenhausen sowie ein alter Steinbruch. Bebaut wurde es durch den Feuerbacher Fabrikanten Friedrich Wilhelm Hauff (1863 bis 1935), in dessen Familienbesitz sich das Gelände befand. Hauff, Seniorchef einer Chemiefabrik, galt als Pionier der fotochemischen Industrie und war eine in Stuttgart angesehene und sozial engagierte Persönlichkeit, „und er war unter anderem mit den Herren Daimler, Bosch und Graf Zeppelin befreundet“, so Kleinbeck. Hauffs Ehefrau war eine württembergische Adelige, Maria Regina Elisabeth, Freiin von König-Warthausen, weshalb das Gebäude ursprünglich „Villa Regina“ genannt wurde.

Nach einem Entwurf des mit der Familie befreundeten Architekten Karl Hengerer, der auch für die Arbeiterkolonien Ostheim und Südheim verantwortlich zeichnete, entstand von 1903 bis 1904 auf dem weithin sichtbaren Hügel jenes Gebäude mit dem steil aufragenden Satteldach. Kleinbeck verweist auf das Spiel mit den unterschiedlichen Stilen und Materialien und der scheinbar willkürlichen Verwendung von mittelalterlichen Architekturformen.

Wilder Mix der Stile und der Materialien

Der Mix mit Jugendstilelementen und vielen repräsentativen Details, mit Loggia, Erker, Arkaden, war eine Reaktion „auf die damalige Angst, in der aufkommenden Technik verloren zu gehen“. Kleinbeck spricht von einer „Form von sozialer Utopie“, die die schönen Dinge im Alltag präsentieren wollte, neben der Architektur auch in der Grafik, im Geschirr, an den Tapeten.

Schöne Umgebung „bessert auch den Menschen“, hieß es damals. Wohl auch deshalb zählte der Komponist Engelbert Humperdinck zu den gerngesehenen Gästen, als er im Festsaal der Villa Regina aufspielte. Die romantisierende Montage, „das war damals Avantgarde, heute erscheint er vielen kitschig“, sagt Kleinbeck, der sich ansonsten gerne mit Jugendstil, mit Stuttgart in der Zeit der Weimarer Republik und mit der Stadt Straßburg beschäftigt.

„Besonderheiten des Hauses waren eine von Hauff selbst erfundene zentrale Staubsaugeranlage im Keller, ein Atelier für die Dame des Hauses, ein Arbeitsraum für die vier Kinder, ein zweigeschossiger Weinkeller und eine Kelter für den bis 1935 hinter dem Haus noch selbst angebauten Wein“, schreibt der Stuttgarter Autor Jörg Kurz in seinem 2008 im Verlag im Ziegelhaus veröffentlichten Buch „Die Gänsheide“.

Nur wenige Schritte entfernt, am Fuße der imposanten herrschaftlichen Auffahrt zur Villa befindet sich ein zweites, ebenso geschichtsträchtiges Gebäude: die Garage samt Chauffeurswohnung. Denn: „Hauff war vermutlich der erste oder zumindest einer der ersten Stuttgarter, der ein Automobil besaß“, so Kleinbeck – natürlich einen Daimler.

Spannende Geschichte der Villa nach Hauffs Tod 1935

Hauff starb 1935, die Stadt Stuttgart kaufte das Gebäude. Und damit begann die spannende weitere Geschichte der Villa. Zunächst wurden Mietwohnungen eingerichtet, doch bereits 1939 beschlagnahmte die NSDAP das Haus für einen SS-Stützpunkt. Nach dem Krieg waren die Amerikaner dran und etablierten 1945 hier zeitweise ihr Konsulat. 1953 folgte das Jugendhaus Ost, das 1985 ins bis heute bestehende Werkstatthaus umgewandelt wurde. Seit 1980 beherbergt die Villa Hauff zudem im Gewölbekeller das Stabpuppentheater „La Plapper Papp“ der mittlerweile 95-jährigen Gründerin und Leiterin Anni Weigand.

Erst die imposante Villa Hauff am späteren Nachmittag von außen und innen bewundern (mit Abstecher ins Werkstattcafé), dann die Stabpuppen in ihren bunten Kostümen bestaunen – das dürfte für etliche geschichts- und kulturbeflissene Bürger eine echte Stuttgarter Entdeckung darstellen.