Über die Villa Berg hat der Autor Ulrich Gohl ein Buch geschrieben: „Die Villa Berg und ihr Park“ Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Ulrich Gohl ist Chronist des Stuttgarter Ostens. Nun hat er sich mit der Villa Berg beschäftigt und dem einstigen Schloss ein Buch gewidmet. Es zeichnet in Wort und Bild die Geschichte der Villa nach, die zu verfallen droht.

Stuttgart - Es ist ein trauriger Anblick. Doch wir können ihn uns nicht ersparen und müssen uns natürlich mit Ulrich Gohl an der Villa Berg treffen. Beim Rundgang erkennt man überall Zeichen des Verfalls und der Geringschätzung. Der Rosengarten ist verschandelt mit Graffiti, an der Ostseite der Villa parken Autos, die Brunnen sind trocken und bröckeln, die Fenster sind mit Holzplatten verrammelt, Bauzäune versperren den Weg. Höchste Zeit, die Gegenwart zu verlassen, in die Vergangenheit und in die Geschichte der Villa Berg zu flüchten.

 

Die Idee

Der Schriftsteller Friedrich Wilhelm Hackländer war Privatsekretär des Kronprinzen Karl. Er beschreibt die Planungen, die 1844 begannen: „Seit unserer Rückkehr aus Italien hatte Kronprinz Karl öfters die Idee ausgesprochen, sich auf einem der vielen schönen Punkte in der lieblichen Umgebung Stuttgarts ein Landhaus zu bauen, . . . in edlen Formen, mit bequemen Räumen, schöner Aussicht, in einem freundlichen Parke gelegen. Man fand den Berg auf dem „Höllschen Bühl“, König Wilhelm I. gestattete den Bau, „mahnte mich aber persönlich, recht langsam zu bauen, damit das Interesse seines Sohnes an den Arbeiten selbst rege bleibe und damit er sich daran gewöhne, die Summe zu dergleichen Phantasien nur aus seinen Ersparnissen zu nehmen“. Das erstaunte Hackländer: „Von Ersparnissen bauen! Daran hatte eigentlich weder Herr noch Diener gedacht.“ Doch Hackländer „schreckte nicht davor zurück, Schulden im Namen des Kronprinzen zu machen“. Denn es gab ja noch die Kronprinzessin Olga. „Ohne die Verheiratung mit einer reichen russischen Prinzessin . . . wäre der Bau in weit bescheideneren Verhältnissen geblieben.“

Der Bau

Architekt war der königlich württembergische Baudirektor Christian Friedrich Leins. Den Park legte Friedrich Neuner an. Die Baumeister unternahmen zu dem Zweck etliche Dienstreisen. Nach Venedig, um Villen zu betrachten und im Judenviertel Schnitzereien und Bronzen zu kaufen, nach Carrara, um Marmor zu erwerben, und nach Paris, um Gartenmöbel, Zinkmodelle und Verzierungen zu erstehen. Die Lieferung kam im Jahr 1848 in Stuttgart an, „auch in der schwäbischen Hauptstadt begann man „Revolutiönchen zu spielen“, schrieb Hackländer, und er sei nun „der Ausländer, der verhasste Preuße“, der „sämtliches Mobiliar für die Villa in Paris bestellt hat“, und das schöne Württemberger Geld gehe außer Landes, während der arme kleine Gewerbsmann darben müsse.

Die Villa

Hackländer fiel in Ungnade, doch der Bau schritt voran. Am 29. Oktober 1853 wurde die Villa eingeweiht. 1857 trafen sich zum „Entrevue de Stuttgart“ der russische Zar Alexander II. und der französische Kaiser Napoleon II. nach dem Krimkrieg zu Friedensgesprächen. Der Adel ging dort ein und aus, dem Volk gewährten die Herrscher nur seltene Einblicke. Der Autor Karl Büchele durfte 1858 in die Villa. Durch die Vorhalle betrat er die Galerie auf der Ostseite, also Richtung Neckar, mit ihren drei Bogenöffnungen auf die Terrasse. Im Süden folgte der Speisesaal, daran schloss das „Caffeezimmer“ an, „grüne Damastmöbel und Geräte aus Malachhit gereichen diesem Zimmer zu einer kostbaren Ausstattung“. Herz der Villa war der zwei Stockwerke hohe Ballsaal, hier sah Büchele mit „reich vergoldeter Bronze gezierte französische Kamine, die Farbe des Saals ist überall glänzendes weiß mit reicher Vergoldung“. Kabinett und Pflanzenzimmer schlossen sich an, im Obergeschoss waren die Wohnräume.

Weitere Gebäude

Die Orangerie war das erste Gebäude, das im Park fertiggestellt wurde. Dort wohnte das Kronprinzenpaar bis zur Fertigstellung der Villa. Gerühmt war sie für ihre Sammlung von Azaleen und Kamelien. Neben der Orangerie ließ Königin Olga die Kleine Villa errichten, dort wohnten von 1880 an Adoptivtochter Wera und die Enkelinnen. Im Dritten Reich nistete sich dort der Bund Deutscher Mädels ein. Im Krieg wurden beide Gebäude zerstört. An ihrer Stelle wurde die Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule gebaut. Nur das Belvedere, das Gartenhaus, gibt es noch.