Nach der Trennung von Jan Schindelmeiser bezieht Michael Reschke beim VfB Stuttgart Ende August das Büro des Sportvorstands. Der 59-Jährige muss zügig seine Rolle finden.
Stuttgart/Reutlingen - Nach allem, was von der Mercedesstraße aus zu sehen ist, steht hinter den Alleebäumen das Clubhaus mit dem roten Dach noch. Und nach allem, was man weiß, musste auch weder der Katastrophenschutz noch die Feuerwehr anrücken, um das Gebäude Nummer 109 vor dem Einsturz zu retten. Das ist die gute Nachricht vom VfB Stuttgart am Sonntag. Alles ruhig. Eine Selbstverständlichkeit ist das ja nicht mehr, denn noch am Freitag erbebte der Wasen. Seither glauben viele Fans, dass ihr Lieblingsverein mal wieder in seinen Grundfesten erschüttert wurde, als der VfB die Trennung von Sportvorstand Jan Schindelmeiser verkündete.
Für viele Anhänger der weiß-roten Sportgemeinschaft gilt die Entscheidung des Bundesligisten als der vielleicht unerklärlichste Manager-Rauswurf aller Zeiten. Auch Schindelmeiser muss es so empfinden, obwohl es schon länger im Gebälk knirschte. Doch aus Schindelmeisers Sicht hat er nichts anderes getan hat, als seinen ursprünglichen Auftrag zu erfüllen. Einen neuen VfB sollte er bauen. Zur vollsten Zufriedenheit der nun amtierenden Clubführung ist dies aber nicht geschehen.
Nach Schindelmeisers begonnenen Umbaumaßnahmen hat die VfB-Fassade jetzt Risse und es wird spannend zu sehen sein, wie Michael Reschke die Bausubstanz einschätzt. Ende August übernimmt er Schindelmeisers Büro und macht sich offiziell daran, die Mannschaft weiter zu formen und neue Strukturen im Sportbereich zu schaffen. Das ist der Auftrag an den Rheinländer, der vom FC Bayern kommt und den Sonntagnachmittag in Reutlingen an der Seite von VfB-Präsident Wolfgang Dietrich verbrachte, wo der VfB das Testspiel gegen Real Betis Sevilla (1:2) bestritt.
Was Menschen in Stuttgart zur Entlassung Schindelmeisers sagen, sehen Sie in der Video-Umfrage von StuggiTV:
Drei Jahre läuft Reschkes Vertrag
Gesehen hat der neue Mann ein Team, dem schon Perspektive zugesprochen wird – das aber noch nicht fertig ist. Und wenn es stimmt, was von der Säbener Straße in München an die Mercedesstraße in Stuttgart dringt, dann bringt Reschke womöglich noch einen Scout, sehr sicher aber großen Gestaltungswillen mit. Diesen wird er ebenso brauchen wie Geduld und Geld, um den VfB wieder zu dem Verein zu machen, der dieser gerne sein will.
Drei Jahre läuft Reschkes Vertrag. Das ist deutlich länger, als seine beiden Vorgänger Robin Dutt und Jan Schindelmeiser wirken durften, und ungefähr so lang soll es dauern, bis sich die Stuttgarter von einem Aufsteiger wieder zu einem Europapokalanwärter entwickeln. „Angesichts der großen Herausforderungen sind wir sehr froh über Michael Reschkes Erfahrung und Netzwerk“, sagt Dietrich, der zwei Tage nach dem turbulenten Freitag mahnt: „Wichtig ist, dass wir jetzt alle wieder nach vorne denken und gehen.“
Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich Reschke beruflich mit Fußball. Als Jugendkoordinator, als Scout, als Kaderplaner. Erst in Leverkusen, zuletzt in München. Als Sportchef in Reihe eins hat er sich aber noch nicht versuchen dürfen. Dass die Besetzung des Sportdirektorenpostens bei den Bayern durch Hasan Salihamidzic jetzt den Ausschlag pro Stuttgart gegeben hat, weist Reschke jedoch von sich.
Weder die Personalie an sich noch dessen Funktion habe den Fachmann vertrieben, heißt es. Bereits vor der Asientour des Rekordmeisters hat Reschke vielmehr nachdrücklich um die Auflösung seines Arbeitspapiers in München gebeten. Offenbar war ihm die Position zwischen den Bayern-Granden nicht groß und klar genug. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Präsident Uli Hoeneß sahen in Reschke den „Chefscout“, der sich wiederum als jemanden sah, der einen Kader komplett komponiert.
Nun rückt Reschke ins Rampenlicht, das er vorher nicht gesucht hat. Weil der FC Bayern seinem Wunsch entsprach und der 59-Jährige einen neuen Lebensabschnitt beginnen will. Dabei wird es auch darauf ankommen, seine Rolle zwischen dem Macher Wolfgang Dietrich, dem Präsidiumsmitglied Thomas Hitzlsperger und dem Jugendkoordinator Marc Kienle zu finden.
Vor allem Hitzlsperger soll einen aktiveren Part übernehmen
Ein wichtiger Bereich ist die Nachwuchsabteilung, da der VfB nicht nur Talente ausbilden will, sie sollen auch wieder in der eigenen Bundesligamannschaft spielen. Vor allem Hitzlsperger, der nach der Ausgliederung in die VfB AG, den Vorstand weiter berät, soll einen aktiveren Part bei den Stuttgartern übernehmen. Bliebe noch das Verhältnis zu Trainer Hannes Wolf.
Der harmonierte mit Jan Schindelmeiser und betont: „Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir in einer schwierigen Situation für den VfB die Chance gegeben hat, hier Trainer zu werden. Wir haben sehr gut und erfolgreich zusammengearbeitet.“ Auch für den Coach ist es „eine krasse Woche“ gewesen, doch gibt er an, sich an Dietrichs Maßgabe zu halten und den bisherigen Personalstrukturen nicht nachzutrauern. „Letztlich ist das eine strategische Entscheidung des Vereins“, sagt Wolf zur Umbesetzung und versichert: „Wir werden auch in der neuen Konstellation alles reinlegen.“ Kein bisschen weniger wird nötig sein, um den VfB Stuttgart wieder nach vorne zu bringen. Und in ruhigere Zeiten.