Beim VfB Stuttgart rumort es: Der Fanausschuss macht Front gegen Präsident Gerd Mäuser. Die Fanvertreter klagen, ihre Meinung werde immer wieder übergangen. Sie beklagen die Zusammenarbeit mit Mäuser und dessen Umgangston.
Stuttgart - Wenn es nach den Ergebnissen geht, gibt es in sportlicher Hinsicht zurzeit nicht viel zu meckern. Der VfB hat das Achtelfinale der Europa League erreicht, er steht im Halbfinale des DFB-Pokals, und in der Bundesliga hat die Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia auch noch Aussichten, sich in Richtung der internationalen Plätze zu verbessern. Dennoch ist die Stimmung bei den Heimspielen ähnlich grau und düster wie die aktuelle Wetterlage. Der Fußball, den der VfB seit Wochen bietet, reißt keinen Zuschauer von den Sitzen – wenn er denn überhaupt noch kommt. 20.200 Fans im Pokal-Viertelfinale sind auch gegen einen Zweitligisten wie den VfL Bochum ein untrüglicher Ausweis von Gleichgültigkeit. Auch in der Liga bleiben immer mehr Sitze leer. „Es macht keinen Spaß, die Spiele anzuschauen“, sagt Oliver Schaal. Der Sprecher des Commando Cannstatt geht noch weiter: „Die Fanszene erkennt nicht den Stuttgarter Weg, den der Vorstand predigt. Wir sehen nicht, dass dieser Weg gelebt wird. Und das Schlimmste ist: Wir sehen sportlich keine Perspektive.“
Das ist der eine Aspekt, den Oliver Schaal meint, wenn er sagt: „Beim VfB gärt es.“ Der andere Aspekt wiegt mindestens so schwer: Die Zusammenarbeit zwischen dem gewählten Fanausschuss und Präsident Gerd Mäuser ist belastet, das Verhältnis offenbar überstrapaziert. Der Unmut ist groß. An Mäusers Verhalten, seinem Auftreten und seinem Verständnis von einem guten Miteinander gibt es harsche Kritik. „Wie er mit der Fanszene umgeht, das geht gar nicht“, klagt Schaal im Namen aller Mitglieder des Fanausschusses – sieben von 13 sind bei dem Gespräch in den Clubräumen des Commando Cannstatt anwesend. Anders als sein Vorgänger Erwin Staudt verstehe es Mäuser nicht, „eine Vision zu vermitteln“. Stattdessen ecke er mit seiner ruppigen, schnippischen Art an. Staudt loben sie auch, weil er sie intensiv in den Stadionumbau einbezogen hat. „Das haben wir nicht vergessen, aber man kann ja nicht immer nur auf die Vergangenheit verweisen“, sagt Ariane Haußmann vom Fanclub Stuttgarter Mädle.
Fanvertreter beklagen vor allem Mäusers Abstimmungsverhalten zum Sicherheitspapier
Vom jetzigen Präsidenten fühlt sich der Ausschuss dagegen immer wieder übergangen. „Dauernd wird uns ein Brett vor den Latz geknallt. Bei Entscheidungen heißt es: Das ist mit dem Fanausschuss so abgesprochen. Aber am Ende geht es nur um die Ansichten des VfB“, sagt Heinz Münch vom Fanclub Rot-Weiß Spätzle.
Die Ausschussmitglieder müssten sich von ihren Clubs oder den Regionalversammlungen regelmäßig Vorwürfe anhören wie: Lasst ihr euch vom Verein nur noch über den Tisch ziehen? „So macht es keinen Spaß mehr“, sagt Münch, der einen Rücktritt erwogen hatte – und verworfen hat: „Es gibt keine Alternative zum Fanausschuss.“
Besonders anstößig finden die Fanvertreter Mäusers Abstimmungsverhalten zum Sicherheitspapier der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und die Kooperation mit dem Kartenmakler Viagogo. Beim DFL-Konzept hatte der Fanausschuss ihn bei drei Anträgen um Stimmenthaltung gebeten. Nach mehrmaliger Änderung der Vorlage sah Mäuser die Vorbehalte ausgeräumt und stimmte jeweils zu. Im Fall Viagogo hätten die Fanvertreter den VfB eindringlich gewarnt: „Das wird euch um die Ohren fliegen.“ Prompt gibt es heftige Fanproteste. „Die Leute sind schockiert“, sagt Schaal.
Ein anderes Beispiel sei der Stadionsong, der in diesen Wochen gewählt wird. „Das Thema wurde im Fanausschuss vorgestellt und dann nach den Vorstellungen des VfB umgesetzt“, sagt Münch. Auch bei der Beschallung der Arena vor Heimspielen wirft der Ausschuss Mäuser einen Alleingang vor. Man habe man sich auf eine fünfminütige Ruhe zugunsten wechselseitiger Gesänge mit den Gästefans geeinigt. „Und dann bricht gegen Nürnberg wieder die Stadionshow los“, klagt Ausschussmitglied Benjamin Nagel. Schaal schließt daraus: „Wir reden gegen eine Wand und haben nicht das Gefühl, dass der Verein uns zuhört.“ Dass die Wappenfrage nun überraschend, wie von den Fans gewünscht, bei der Mitgliederversammlung und nicht per Internet entschieden wird, nennt Ariane Haußmann „einen netten Versuch, uns gnädig zu stimmen“.
Schroffes Verhalten kein Einzelfall
Dabei überwiegt die Verärgerung bei weitem, und dazu trägt auch Mäusers Art und Auftreten bei, das Schaal mit „brüsk“ umschreibt. In Diskussionen gebe Mäuser zuweilen eine immer gleichlautende Antwort, die er aber mit stetig steigendem Stimmvolumen vortrage. Das wirke gereizt bis trotzig. Solch schroffes Verhalten ist kein Einzelfall. Auch Wolfgang Scheel (77) aus Oeffingen, VfB-Mitglied seit 60 und Dauerkartenbesitzer seit 40 Jahren, beklagt Geringschätzung. Bei einer Diskussionsrunde habe ein etwa gleichaltriger Freund beklagt, dass Karten für internationale Spiele neuerdings per Internet beantragt werden müssen. Viele seiner Bekannten hätten aber keinen Zugang. Mäuser habe geantwortet: „Wenn Sie das Medium nicht verstehen, tun Sie mir leid.“ Scheel ist empört: „So kann man doch nicht mit langjährigen Fans umgehen.“
Aufsichtsratschef Dieter Hundt, der Mäuser 2011 für die Wahl zum Präsidenten vorgeschlagen hatte, preist generell die Zusammenarbeit zwischen Verein und Fans. „So eng wie unter Mäuser war sie noch nie“, sagte Hundt den Stuttgarter Nachrichten. Was das gestörte Verhältnis zu den Anhängern angeht, tritt er als Vermittler auf: „Um Missverständnisse auszuschließen, rate ich aus meiner langjährigen beruflichen Arbeit dazu, dass Fans und Verein nach jeder Sitzung ein gemeinsames Protokoll unterschreiben. Dann sind die Standpunkte dokumentiert.“
Zuvor werden beide Seiten das direkte Gespräch suchen, auch wenn Schaal angesichts der offenen Kritik vermutet: „Beim VfB herrscht jetzt Alarm.“ Abwarten – am nächsten Montag tagt wieder der Fanausschuss. „Da werden alle miteinander die Gelegenheit haben, offen auch über atmosphärische Dinge zu sprechen“, sagt Mäuser.