Fokus auf den Ball und auf die Karriere: Der ungarische Spielmacher Tamas Hajnal hängt beim VfB noch mindestens ein Jahr dran. Foto: dpa

Als er kam, wurde er als Retter gefeiert. Mit Tamas Hajnal stemmte sich der VfB Stuttgart 2011 erfolgreich gegen den Abstieg. Jetzt steckt er im Karrieretief – und zeigt erneut Kämpferherz.

Belek - Abwarten und Tee trinken, das ist nicht Hajnals Sache. Und dennoch tut er zurzeit bevorzugt genau das – Tee trinken. Ins Trainingslager ist er mit Kocher, Kanne und einer Auswahl seiner bevorzugten Teesorten eingezogen. Nun bereitet er sich seinen Aufguss selbst und sagt ganz begeistert: „Ich wusste gar nicht, dass es so viele Sorten gibt.“ Da taucht einer in eine neue Welt ein. „Grünen Tee kannte ich. Aber erst vor kurzem habe ich erfahren, dass es auch weißen und blauen Tee gibt“, sagt er und fügt fachmännisch hinzu: „Die Farbe hängt damit zusammen, in welcher Phase der Tee geerntet und in welchem Oxidationsverfahren er hergestellt wurde.“

Hajnal lässt seinen Tee ziehen, und so mancher Mitspieler zieht ihn damit auf. Der Ungar lässt sich dadurch nicht beirren. Er ist ein gründlicher, manchmal penibler Mensch. Er verschreibt sich einer Sache ganz oder gar nicht. Dem Tee – oder dem Fußball. „Von Tamas kann sich mancher junger Spieler abschauen, wie man professionell arbeitet“, sagt Manager Fredi Bobic.

Ein „Mannschaftsspieler par excellence“ sei Hajnal, „unheimlich erfahren“ und deshalb „wichtig und wertvoll“ für die Mannschaft, die in drei Wettbewerben überwintert und jede Kraft benötigt. Auch eine Kraft wie Hajnal, der in dieser Saison seinen Stammplatz verloren und dessen Leistungskurve konträr zu dem Aufwärtstrend verläuft, der ihn noch vor ein paar Monaten ausgezeichnet hat. Vergangene Saison stand Hajnal noch in 30 Bundesligaspielen in der Startelf, traf einmal und lieferte acht Vorlagen. In dieser Spielzeit erlebte er nur fünf von 17 Partien von Beginn an, spielte nie durch und wartet noch auf seinen ersten Treffer und seine erste Vorlage.

Von Tamas Hajnal können die jungen Spieler noch etwas lernen

Dennoch lag es für Fredi Bobic nahe, den Vertrag mit Hajnal (31) um ein Jahr mit Option auf eine weitere Saison zu verlängern, zumal Hajnals Gehalt, das bei einer knappen Million Euro liegen dürfte, die Vereinskasse nicht überbelastet. „Diese Saison verläuft ein bisschen schwieriger für ihn, aber Tamas macht nicht auf beleidigte Leberwurst. Ich sage un- seren jungen Leuten immer: Schaut bei ihm genau hin, da könnt ihr was lernen.“

Hajnal freut das Lob, doch er will mehr: Er will nur spielen. Aber er spürt, dass ihm die Konkurrenz im Nacken sitzt. Allen voran Raphael Holzhauser, der sich in die zentrale Mittelfeldrolle gedrängt hat. Daniel Didavi, zurzeit angeschlagen, bewirbt sich ebenfalls um diese Position. „Im Fußball geht das unheimlich schnell“, weiß Hajnal, „aber ich ordne dem Fußball alles unter und bin motiviert, mein Bestes zu geben.“ Ob das reicht, muss Trainer Bruno Labbadia entscheiden. Hajnal ist „keiner, der Stunk macht“. Ansprüche ja, aber große Sprüche sind nicht sein Ding: „Ich will durch Leistung auffallen.“

Vom Fußball will sich Hajnal noch lange nicht verabschieden

Dafür pflegt er sorgsam seinen Körper und schiebt Extraschichten zum normalen Training: „Dann fühle ich mich wohl.“ Als Bub hat ihm sein Vater Aufgaben mit dem Ball gestellt, „und ich habe keine Ruhe gegeben, bis ich sie geschafft habe“. Diese Zielstrebigkeit kennzeichnet ihn, er lebt sie täglich vor: „Ich will mich mit 31 Jahren nicht vom Fußball verabschieden.“ Dennoch plant er seine Zukunft nach der aktiven Karriere. Per Fernstudium ermöglicht ihm der ungarische Verband, die B- und A-Trainerlizenz zu erwerben. Seit November paukt Hajnal. Bei seinem Ehrgeiz ist es nur eine Frage der Zeit, bis er die Prüfung bestanden hat.

Abwarten und Tee trinken kann er ja immer noch. Auch im Trainingslager – aber nur abseits des Platzes.