Alt (re.) oder neu (li.): Die VfB-Stuttgart-Mitglieder haben beim Wappen das letzte Wort. Foto: Leif Piechowski

Die Geschichte ist hochemotional, sie bewegt Fans und Mitglieder des VfB Stuttgart seit Jahren – jetzt kommt endlich ein Knopf dran: Am Montag entscheiden die Mitglieder über das Design des Emblems. Die Umstellung kostet 300.000 Euro.

Stuttgart - Der designierte Präsident bündelt die ganze Zerrissenheit der Debatte in sich, die seit Jahren mit großer Leidenschaft von Befürwortern und Gegnern des 1998 geänderten Wappens geführt wird. Die Sportschuhe von Bernd Wahler ziert an der Ferse ein dreidimensionales VfB-Wappen – die moderne Version. Auf seinem Auto dagegen klebt seit Jahren das andere Wappen – die traditionelle Version. „Damals habe ich mir keine großen Gedanken gemacht“, sagt der Adidas-Manager. Der Aufkleber soll ein Bekenntnis zum Verein darstellen, ohne Wertung des alten Wappens. Und die Sportschuhe mit dem neuen Wappen hat er geschenkt bekommen: „Davon gibt es nur zwei Paar – das andere hat meine Frau“, sagt Wahler.

Die Ausgewogenheit kommt ihm nun entgegen. So können die Sportsfreunde, die am Montag zur Mitgliederversammlung in die Porsche-Arena strömen, erst gar nicht auf die Idee kommen, Wahler habe sich festgelegt. Dann steht die Wahl Wahlers an – und die Wahl des künftigen Wappens: alt oder neu, traditionell oder modern? Beide Male haben die Mitglieder das letzte Wort. „Wir entscheiden das Wappenthema so demokratisch wie nur möglich“, betont VfB-Direktor Stefan Heim, „die Mitgliederversammlung ist das wichtigste Forum unseres Vereins, dort ist das Thema bestens aufgehoben.“ Was Benjamin Nagel, der Sprecher der Initiative „Pro altes VfB-Wappen“, bestätigt: „Das ist die ideale Bühne.“

Das klingt versöhnlich und hat nichts mit der Verbissenheit zu tun, die das Thema zuweilen belastet hat. 1998 hatte der VfB-Vorstand beschlossen, seine Marketingaktivitäten auf den asiatischen Markt auszuweiten. Deshalb ersetzte er das Gründungsjahr „1893“ im Wappen durch den Schriftzug „Stuttgart“ und verpasste dem Schriftzug „VfB“ und den traditionellen württembergischen Geweihstangen eine modernere Form. Kommuniziert wurde das nicht, und anfangs regte sich auch kein Widerstand.

Rolf Sutter: „Das Wappen ist ein wichtiges Identifikationssymbol nach innen und außen“

Erst vor drei Jahren wurde die Aktion „Pro altes VfB-Wappen“ aktiv, die sich aus Mitgliedern des Fanclubs Schwabensturm 02 und des Commando Cannstatt zusammensetzt. Sie sammelten 25.000 Unterschriften, hängten Banner im Stuttgarter Straßennetz auf und verteilten Broschüren. Die „1893 – hey!“-Rufe in der Mercedes-Benz-Arena unterstützen ihr Anliegen akustisch, Aktionen mit Pappwappen sind optische Reizpunkte in dem Streit, dessen Vehemenz nicht jeder nachvollziehen kann.

Deshalb gibt es Menschen wie Rolf Sutter. Der Wissenschaftliche Leiter bei Proheraldica, der Deutschen Forschungsgesellschaft für Heraldik und Genealogie in Stuttgart, kann gut nachvollziehen, was die Aktivisten bewegt: „Das Wappen ist ein wichtiges Identifikationssymbol nach innen und außen, vergleichbar mit den Insignien von Modelabels. Beides schafft eine gewisse Anmutung und ist Ausdruck dessen, wo sich derjenige angebunden fühlt.“ Für die Traditionalisten verkörpert das alte Wappen auch eine bewusste Abgrenzung von Vereinen wie der TSG Hoffenheim, die das Gründungsjahr („1899“) im Namen tragen, aber als neureich und wenig traditionsbewusst gelten.

Wie die Mitglieder am Montag entscheiden, ist offen – es zählt die einfache Mehrheit. Der VfB wird vor der Abstimmung das Ergebnis einer Befragung bekanntgeben, die online und per Post durchgeführt wurde. „Wir haben wäschekorbweise Karten bekommen“, sagt Heim. Entschieden wird aber allein durch die Mitglieder vor Ort. „In der Wappenfrage gibt es kein Richtig oder Falsch“, sagt Sutter, „jede Wahl, die zu einem Konsens führt, ist eine gute Wahl.“ Nagel betont: „Wir haben das Gefühl, dass sich unser Engagement gelohnt hat.“ Der VfB geht die Sache emotionslos an. Er will das Thema vom Tisch haben, so oder so. Allerdings: Im Falle einer Rückkehr zum alten Wappen fallen durch die Umstellung auf Briefpapier, Fanartikeln und Trikots Kosten von rund 300.000 Euro an. „Das nehmen wir in Kauf“, so Heim. Der Verein geht noch weiter: Per Dreiviertelmehrheit können die Mitglieder die Aufnahme des künftigen Wappens in die Vereinssatzung beschließen.

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