Shinji Okazaki Foto: AP

Japan-Experte Gert Engels über Shinji Okazaki, den Neuzugang beim VfB Stuttgart.

Stuttgart - Er lebt seit 1990 in Japan und kennt den Fußball dort aus dem Effeff. Beim AsienCup beobachtet Gert Engels auch den VfB-Neuzugang von Shimizu S-Pulse. "Ich denke, Okazaki wird es schaffen", sagt der frühere Co-Trainer von Ex-VfB-Profi Guido Buchwald.

Guten Tag, Herr Engels. Schon zurück aus der Wüste?

Ja, ich habe mit einem Freund den Ruhetag beim Asien-Cup genutzt. Wir sind schon sehr früh am Morgen aus Doha Richtung Wüste gefahren, und wir waren ein bisschen schwimmen. Das war toll.

Da packt uns in Deutschland der Neid.

(Lacht) Die Sonne scheint bei 21 Grad, aber das Wasser ist schon sehr kühl.

Dafür haben Sie hoffentlich heiße Spiele beim Asien-Cup entschädigt.

Es geht so.

Das klingt nicht sehr begeistert.

Ich will es mal so sagen: Es gibt schon eine ganze Menge guter Spieler bei diesem Turnier. Eine andere Frage ist, ob sie auch genug wären für die europäischen Topligen.

Von welchen Nationalitäten reden Sie?

Irak und Iran haben starke Mannschaften, aber auch China und Südkorea sind interessant. Es könnte schon sein, dass man den einen oder anderen Spieler aus diesen Ländern bald auch mal in Europa spielen sieht. Bei den Akteuren aus den Golfstaaten bin ich eher skeptisch, da fehlt noch ein bisschen das Tempo.

Wo steht Japan?

Japan, Australien und Südkorea spielen in einer anderen Liga, die sind in ihrer Entwicklung schon weiter. Diese Teams werden natürlich besonders intensiv beobachtet.

 Die Fans des VfB Stuttgart . . .

. . . wollen wissen, wie sich ihr Neuzugang hier macht.

Genau.

Nun ja, die Japaner hatten in der Vorrunde eine Gruppe, die sie vor keine allzu großen Probleme gestellt hat.

"Okazaki wirkte müde und ausgebrannt"

Und Sinhji Okazaki?

Ich habe ihn um die Jahreswende im Halbfinale und im Endspiel um den Kaiserpokal gesehen. Da wirkte er müde und ausgebrannt. Mit Shimizu S-Pulse hat er dann ja auch gegen Kashima Antlers mit 1:2 verloren.

Und hier in Katar?

Er kam in den ersten beiden Spielen von der Bank. Gegen Jordanien hat er beim Stand von 0:1 über den linken Flügel für viel frischen Wind gesorgt, das Dribbling gesucht und immer wieder versucht in den Strafraum zu kommen. Am Ende reichte es für Japan noch zum 1:1. Gegen Syrien kam er für den Dortmunder Kagawa. Er spielte diesmal über rechts und holte den Elfmeter heraus, der zum 2:1-Sieg führte und das Spiel entschied. Beim 5:0 gegen Saudi-Arabien spielte er von Anfang an und schoss drei Tore. Vor allem das zweite war sehenswert.

Wird er sich in der Bundesliga durchsetzen?

Ich denke schon. Er ist mit seiner Spielweise unbequem für jede Abwehr. Er ist beidfüßig, wendig, schnell, und er kommt gern von außen, kreuzt diagonal nach innen, taucht immer wieder am kurzen oder langen Pfosten auf und wirft sich unerschrocken in die Flanken. Auch die Härte seiner Gegenspieler bringt ihn nicht aus dem Konzept. Er kommt immer wieder.

Wie ist die technische und taktische Ausbildung?

Beides gut. In Japan wird hart und intensiv trainiert. Häufig aber noch nach Schema F mit vielen Wiederholungen bis an die Grenzen der Monotonie. Abwehrverhalten, Pressing, Abseitsfallen und dergleichen sind kein Problem . . .

. . . aber?

In der Individual-Taktik gibt es noch Luft nach oben. Der Mannschaftsverbund steht manchmal zu sehr im Vordergrund. Darüber gehen manchmal die Risikofreude und der Mut zum letzten Pass verloren. Auch die Kreativität leidet darunter.

Okazaki hat nach dem Asien-Cup fast ein Jahr ohne Pause durchgespielt. Wie soll er da in der Bundesliga mithalten?

Auf Anhieb geht das wohl nicht. Ich sehe den VfB öfter im Fernsehen, und so wie er zurzeit aufgestellt ist, wäre es für Okazaki wohl das Beste, wenn er in der ersten Zeit als dritter Stürmer von der Bank aus ins Spiel käme. Die Umstellung wird für ihn sicher nicht ganz einfach.

Was raten Sie dem VfB?

Dass er Okazaki dabei unterstützt, möglichst schnell Deutsch zu lernen, und dass er sich auch sonst ein bisschen um ihn kümmert. Ich bin sicher: Er zahlt das zurück.