Keine leicht zu nehmende Hürde: VfB-Spielmacher Daniel Didavi springt über Ingolstadts Max Christiansen Foto: Baumann

Einen Punkt gerettet, Moral bewiesen, das Punktepolster auf die Gefahrenzone vergrößert – den Start in ein endgültig sorgenfreies Leben in der Fußball-Bundesliga aber erneut verschoben. Weil die Stabilität des VfB Stuttgart ihre Grenzen hat, wird die finale Phase der Saison alles andere als ein Spaziergang.

Ingolstadt/Stuttgart - Wäre Jürgen Kramny ein echter Zahlen-Fetischist, wäre er wohl nicht Fußball-, sondern Mathematiklehrer geworden. Doch auch als Mann an der Seitenlinie eines Fußball-Bundesligisten ist es ratsam, die eine oder andere Statistik deuten zu können. Also bekräftigt Jürgen Kramny, der Coach des VfB Stuttgart: „Ich kenne die Tabelle.“ Und er hat hochgerechnet: „38 könnte so eine Zahl sein, mit der es reichen müsste.“ Er meint: Mit 38 Punkten ist der Klassenverbleib ziemlich sicher erreicht. Derzeit weist das Konto der Roten 32 Zähler auf.

Weil mit einem derartigen Stand vor Wochen noch nicht zu rechnen war, mahnt Kramny zur Bescheidenheit, mit der man auch dieses 3:3 in Ingolstadt hinnehmen müsse. „Wir sind froh, dass wir diese Aufholjagd geschafft haben“, sagte der Coach, dessen Team beim Aufsteiger schon 1:3 zurücklag, dann durch Treffer von Lukas Rupp und Daniel Didavi (Foulelfmeter) aber noch zum Ausgleich kam. Gleichzeitig gilt aber auch: Gerade diese Partie in Ingolstadt bot die Möglichkeit, sich ganz entscheidend von der Gefahrenzone der Fußball-Bundesliga abzusetzen. Der VfB ließ sie ungenutzt.

Zwar vergrößerte sich das Punktepolster auf den Relegationsplatz durch den Punktgewinn auf acht Zähler, das sorgenfreie Leben hat mit Blick auf die kommenden Hürden, die es im restlichen Saisonverlauf noch zu überspringen gilt, aber noch lange nicht begonnen. „Wir müssen noch ein paar Punkte holen“, warnte Abwehrspieler Georg Niedermeier – aus guten Gründen.

Toni Sunjic ist fehlende Spielpraxis anzumerken

Der Auftritt in Ingolstadt hat gezeigt, dass der VfB noch lange nicht so weit ist, jedem Gegner – auch jenen abseits der oberen Tabellenregionen – zu trotzen. Der aufmüpfige Aufsteiger drängte vielmehr den Stuttgartern sein Spiel und die dazugehörende Hektik auf. Die VfB-Profis offenbarten derweil ihre bekannten Formschwankungen. „Wir haben uns anstecken lassen“, klagte Niedermeier. Kramny kritisierte: „Wir haben zu viele Standards für den Gegner produziert.“ Obwohl die Roten genau wussten, dass die Ingolstädter es genau darauf anlegen würden. Zudem zeigte sich, dass Umstellungen ein gewisses Risiko bergen können.

In Artem Kravets und Boris Tashchy wechselte Kramny zwar zwei Stürmer ein, die mit ihrer körperlichen Spielweise wesentlich zur Aufholjagd beigetragen haben, Toni Sunjic allerdings war deutlich anzumerken, dass er seinen Stammplatz mittlerweile auf der Ersatzbank hat. Der Innenverteidiger kam für den gelb-rot-gefährdeten Niedermeier ins Spiel – und brauchte ewig, um ins Spiel zu finden und sich mit Daniel Schwaab abzustimmen. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen der ärgerliche Ausfall von Kevin Großkreutz haben wird. Zudem droht gleich vier Spielern eine Gelbsperre (Emiliano Insua, Rupp, Niedermeier, Sunjic). Und einige echte Kaliber warten auch noch auf den VfB Stuttgart.

Unter den acht verbliebenen Gegnern bis zum Saisonende sind die zwei dominierenden Teams der Saison, der FC Bayern und Borussia Dortmund, dazu die auf dem Papier favorisierten Mannschaften von Bayer Leverkusen und vom VfL Wolfsburg. Davon allerdings will sich bei den Roten keiner schrecken lassen. „Wir haben in der bisherigen Rückrunde viel Selbstvertrauen getankt“, versichert Georg Niedermeier und will die Aufgaben nicht größer machen, als sie sind: „Für uns ist gegen fast alle Kontrahenten was drin.“ So sieht das auch Jürgen Kramny.

Der Trainer des VfB lässt sich nach dem „intensiven Spiel“ in Ingolstadt aber ohnehin nicht mit dem Blick in die Ferne locken. „Leverkusen ist die nächste Aufgabe“, mahnte er zur Konzentration auf den nächsten Gegner am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) und erstickte weitere Hochrechnungen im Keim: „Wer rechnet, kann sich auch verrechnen.“ Wer gewinnt, hat seine Punkte dagegen sicher.