VfB-Präsident Bernd Wahler: Gedankenspiele Foto:  

Der Fall Kevin Kuranyi offenbart ein altes Problem: Die VfB-Chefs wundern sich oft über Lawinen, die sie selber losgetreten haben. Bernd Wahler ist da nicht allein, sagt Sport-Chef Gunter Barner.

Stuttgart - Bernd Wahler kümmerte sich am Sonntag um sein Handicap. Und weil beim Golfen Dienstgespräche so hilfreich sind wie Maulwurfshügel im Green, leitete der VfB-Präsident Anfragen ins schöne Zillertal weiter, wo sich sein Mitarbeiter bemühte, den Gaul wieder einzufangen, der mit seinem Chef durchgegangen war.

Der nette Herr Wahler hatte öffentlichkeitswirksam über die Rückkehr eines Spielers nachgedacht, der kraft seiner VfB-Geschichte in Teilen des Vereins romantische Gefühle bedient. „Keine Frage, Kevin Kuranyi ist interessant für uns.“ Ein schöner Satz, an dem eigentlich nur stört, dass der Paradestürmer aus den seligen Zeiten großer VfB-Erfolge jetzt bei Dynamo Moskau spielt, wo er nach vorsichtigen Schätzungen rund sechs Millionen Euro per annum verdient. Ob brutto oder netto, darüber streiten sich noch die Experten.

„Das war vielleicht ein bisschen unbedarft“, seufzte Fredi Bobic im Trainingslager. Auch Armin Veh hatte wenig Mühe, seine Euphorie zu zügeln. Um es kurz zu sagen: Die Rückkehr von Kevin Kuranyi (32) in der Rolle eines schwäbischen Pizarro steht so unmittelbar bevor wie die Landung eines Außerirdischen auf dem Cannstatter Wasen. Allein schon deshalb, weil dem Club das Geld fehlt, um sich einen Stand-by-Spieler zu leisten. Und da niemand davon ausgehen sollte, dass Kuranyi am Ende seiner Karriere für einen Wurstsalat und ein Hefe hell kicken wird, dürfte sich daran auch so schnell nichts ändern.

So betrachtet, reiht sich Wahlers neuestes Gedankenspiel in eine Serie von Naivitäten ein, die scheinbar zum Pflichten-Katalog aller Präsidenten der Post-MV-Ära zählen. Manfred Haas ordnete zwar fachmännisch die maroden Finanzen, wunderte sich aber als Vorstandschef der Sparkassenversicherung über das Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit. Dass ihn ein Reporter vor Spielbeginn dabei beobachtete, wie er am Spiegel seines Benz den Schnaubart kämmte, trug ihm das Attribut des „eitlen Pfaus“ ein. Die Ungeheuerlichkeit, die SV-Versicherung im Cannstatter Hallschlag als Raumschiff Enterprise mit ihm als Kapitän Kirk zu beschreiben, quittierte er gar mit Rücktrittsdrohungen. „Ich kann mich doch bei der SV nicht mehr sehen lassen.“ Auch der Hinweis darauf, dass im Sportjournalismus gern mal aus der Hüfte geschossen wird, anstatt kreuzbrav die Ergüsse der Pressestelle nachzubeten, vermochte ihn nur schwach zu trösten.

Auch sein Nachfolger, der Wirtschaftskapitän Erwin Staudt, verlief sich während der ersten Jahre seiner Amtszeit häufig im Dickicht der unwegsamen Branche. Erst empörte er sich schon mal darüber, dass Journalisten den verdienten Weltmeister Jürgen Kohler im Gespräch als „Kokser“ bezeichneten. Mit Drogen habe der Mann bestimmt nichts zu tun. Trainer Giovanni Trapattoni hielt er auch deshalb für die richtige Wahl, weil ihn seine Frau aus der „Joghurt-Werbung“ kannte. „Habemus Mister“.

Jetzt muss Bernd Wahler wohl noch den Unterschied lernen zwischen dem, worüber ein Manager mit Kollegen in der Kantine von Adidas plaudert und dem, was er als Präsident des VfB Stuttgart gegenüber der Öffentlichkeit sagt. Denn jedes seiner Worte zeigt Wirkung – ein Handicap, an dem der Golfer noch arbeiten sollte.