Himmel, hilf! Auch Martin Harnik unterlief in Berlin ein folgenschwerer Fehler Foto: dpa

Entweder sind es spielerische Mängel, die dem VfB null Punkte einbringen (gegen Köln und  Hoffenheim), fehlender Mut oder Genügsamkeit (München) –   in Berlin waren es vor allem individuelle Fehler. Trainer Armin Veh muss seine Mannschaft Woche für Woche an anderer Stelle therapieren.

Berlin/Stuttgart - Antonio Rüdiger hatte es nur gut gemeint. Was auch sonst. Also stürmte er Mitte der zweiten Halbzeit beim Stand von 1:1 Richtung Hertha-Strafraum munter drauflos. Das Signal war klar: Jungs, ein Punkt soll uns hier nicht genügen! Dumm nur, dass sich der Innenverteidiger am Ende seines Solos den Ball ein Stück zu weit vorlegte. Das Ende ist bekannt.

Die Gastgeber entwickelten daraus einen Konter wie aus dem Lehrbuch, Rüdiger fehlte hinten – 1:2, der Anfang vom Ende. Dass Martin Harnik wenig später in der Vorwärtsbewegung ein ähnlicher Fehler unterlief, der ins 1:3 mündete, passte ins Bild. Genauso wie die Aktion, die zum Ausgleich geführt hatte. War es jugendliche Naivität? Überheblichkeit? Oder einfach nur ungeschickt? Am Ende weiß Carlos Gruezo wohl selbst nicht so genau, warum er die bereits geklärte Kugel nicht auf direktem Wege aus dem Strafraum beförderte, sondern den Gastgebern die Gelegenheit zum zweiten Ball erst ermöglichte. Dass alle drei Fehler zu Gegentoren führten, folgt einer Binsenweisheit: In der Bundesliga werden solche Fehler eben bestraft.

So ähnlich verhielt es sich schon am zweiten Spieltag gegen den 1.FC Köln. Antonio Rüdiger verschätzte sich nach einem langen Ball, Kölns Stürmer Anthony Ujah hatte freie Bahn. Gegen die TSG Hoffenheim hielt Innenverteidiger Daniel Schwaab bei einer Flanke das Hochspringen für nicht zwingend erforderlich – Anthony Modeste sagte Danke. Jüngst in Dortmund schaute Torhüter Sven Ulreich einer Hereingabe beim Segeln zu, anstatt zuzupacken, und verschuldete somit kurz vor Schluss den Ausgleich zum 2:2.

Individuelle Fehler passieren. Sie lassen sich auch nicht per Knopfdruck abstellen. Oft spielt fehlende Konzentration eine Rolle. Oder Verunsicherung führt dazu, einen Bruchteil zu lange nachzudenken – um schließlich die falsche Entscheidung zu treffen. Eine Qualitätsfrage ist es eher weniger. Rüdiger und Co. sind des fußballerischen Einmaleins so weit mächtig, dass ihnen derartige Patzer eigentlich nicht unterlaufen dürften. An der Qualifikation eines Toni Kroos hat auch niemand gezweifelt, als dieser im WM-Finale Argentinien mit einem fatalen Kopfball-Rückpass fast die Führung aufgelegt hätte.

Einer für den anderen? Fehlanzeige

So hatte nach den ernüchternden 90 Minuten von Berlin auch VfB-Trainer Armin Veh keine rechte Antwort auf die Frage, wie dem Problem beizukommen sei. „Was willst du da bloß machen?“, sagte er und zuckte mit den Schultern. Zumal er parallel an mehreren Schwachstellen herumdoktern muss. Sein wichtigstes Vorhaben, dem Team wieder eine spielerische Linie zu vermitteln, scheint auf einem guten Weg. Das war auch trotz der 2:3-Niederlage am Freitagabend wieder erkennbar. Doch dann kamen die Schnitzer.

Die, wie schon gesagt, passieren können. Wie sich ein Journalist mal vertippt oder einem Koch der Salzstreuer ins Essen kippt. Idealerweise gibt es in einem Team dann aber jemanden, der den Fauxpas des Kollegen ausbügelt. Doch den Helfer in der Not sucht man bei den Roten vergebens. Funktionierende Mannschaften zeichnen sich dadurch aus, dass der eine dem anderen zur Seite springt – gerade nach einem Fehler. Bei den Kickern aus Cannstatt ist aber noch immer jeder zu sehr mit sich und seiner eigenen Leistung beschäftigt, als dass er sich noch um den anderen und dessen Unzulänglichkeiten kümmern könnte. Einer für den anderen? Fehlanzeige. Was wiederum die Frage nach dem Teamgeist aufwirft.

Beispiel Berlin: Nach Rüdigers missglücktem Alleingang wäre genug Zeit gewesen, den Fehler auszubügeln. Doch statt nach dem Ballverlust des Nationalspielers den Gegenangriff durch ein taktisches Foul zu unterbinden und dafür eine Gelbe Karte in Kauf zu nehmen, wich der verbliebene Defensivverbund im Trabschritt zurück und überließ Hertha BSC die Räume, ihren Konter perfekt auszuspielen.

Immerhin: Schuldzuweisungen gab es hinterher keine, aber das wäre auch höchst alarmierend gewesen. Ein aufbauendes Wort in Richtung der Unglücksraben war allerdings genauso wenig zu hören.