Wie sollte VfB-Trainer Tafyun Korkut spielen lassen? Foto: Baumann

Nach dem Fehlstart des VfB Stuttgart in die Saison wird unter Fans hitzig debattiert: Soll sich der VfB wieder auf seine Tugenden aus der Vorsaison besinnen oder stärker auf spielerische Akzente setzen? Auch in unserer Redaktion wird diskutiert. Ein Pro und Kontra.

Stuttgart - Dass der VfB Stuttgart defensiv geprägten Ergebnisfußball kann, hat er in der Rückrunde unter Trainer Tayfun Korkut hinlänglich bewiesen. Nun aber wurde kräftig in den Kader investiert – und es soll auf dem Bundesliga-Rasen eine taktische Weiterentwicklung des VfB unter Korkut folgen. Bisher scheint die Elf bei null Punkten und null Toren mit den neuen Aufgaben allerdings ziemlich überfordert. Was tun? Unsere Redakteure Gregor Preiß und Heiko Hinrichsen tauschen Argumente aus.

Pro Ergebnisfußball: Keine Experimente, fordert Gregor Preiß

Drei Spiele, drei verschiedene Ansätze gegen drei völlig unterschiedliche Gegner – aber null Punkte. Trainer Tayfun Korkut fährt mit dem VfB noch ziemlich neben der Spur. Die neu hinzugewonnene taktische Flexibilität, derer man sich auf Grund des verstärkten Kaders rühmt, kommt noch überhaupt nicht zum Tragen. Bei der Münchner Lehrstunde vom vorangegangenen Wochenende griffen weder Plan A (hinten dicht, schnelle Konter) und noch weniger Plan B (Ballbesitz).

Was also tun? Es am besten mit Domenico Tedesco halten, dem bislang ebenfalls noch glück- und sieglosen Taktikmeister. Seine Devise, um den Fehlstart nicht noch schlimmer zu machen, lautet: Schalker, bleib bei Deinen Leisten! „Was wir können, werden wir stärken – was wir nicht können, werden wir in Zukunft lassen,“ sagt Tedesco nach zwei Niederlagen zum Ligastart. Wer mehr Ballbesitz habe, gehe immer das größere Risiko ein, den Ball zu verlieren und Konter zu kassieren. Gleiches gilt für den VfB – siehe Rostock, siehe Mainz. Nach zwei schnellen Gegenangriffen war es um die vermeintlichen neuen Himmelsstürmer geschehen. Also: Zurück zu den Wurzeln der vergangenen Rückrunde, zurück zu dem, was den VfB unter dem Pragmatiker Korkut stark gemacht hat. Auch, wenn das die Fans vielleicht nicht von den Sitzen reißt.

Auf alte Stärken besinnen heißt in erster Linie verteidigen. Mit Mann und Maus ein Gegentor verhindern – das, was Joachim Löw zum neuen Glaubensbekenntnis für die Nationalmannschaft ausgerufen hat, sollte auch der VfB beherzigen. Wenn dabei der schöne Fußball (fürs Erste) auf der Strecke bleibt – geschenkt. Am Sonntag gegen Freiburg und danach gegen Fortuna Düsseldorf geht es einzig um Punkte. Andernfalls läuft der VfB der Musik lange, womöglich sehr lange, hinterher.

Überhaupt: schöner Fußball. Was soll das eigentlich heißen?, fragte Holger Badstuber vor Saisonbeginn. „Die Leute wollen kein Spektakel, sie wollen ihre Mannschaft gewinnen sehen“. Aktuell möchte man ihm nicht widersprechen. (Gregor Preiß)

Kontra Riegelfußball: Korkut muss das Potenzial nutzen, fordert Heiko Hinrichsen

Ein Zurück zu den taktischen Wurzeln der Vorsaison mit Fünferriegel und zuweilen vom Spielglück getragenem 1:0-Fußball kann es beim VfB nicht geben – aus diversen Gründen: Zunächst ist da der ehrgeizige Fünfjahresplan des Präsidenten Wolfgang Dietrich, der 2016 in Kraft trat und der eine kontinuierliche sportliche Weiterentwicklung vorsieht, bis der Verein für Bewegungsspiele, so das große Ziel, sich ein dauerhaftes Plätzchen im oberen Tabellendrittel der Bundesliga gesichert hat.

Dabei beinhaltet diese Attitüde des sukzessiven Aufschwungs zunächst nicht zwingend den Tabellenplatz – hier war der VfB in der vergangenen Rückrunde als Zweiter ja hinter dem FC Bayern seinen Zielen voraus. Mehr taktische Flexibilität, mehr Dominanz, Ballbesitz und Spielwitz sind aber sehr wohl Teil des großen Plans. Hierbei ist vor allem der Trainer Tayfun Korkut gefordert, der zunächst gezeigt hat, dass er Ergebnisfußball kann. Doch nun wird von den Fans, aber auch vom eigenen Management mehr verlangt.

Dies ist allein mit Blick auf die Investitionen legitim: 30 Millionen Euro hat der VfB in neue Spieler gesteckt, wobei sich Vereinsbosse wie externe Kritiker einig waren, dass die Mischung der acht Neuen vom Bundesliga-Routinier Gonzalo Castro bis hin zum ungeschliffenen Sturmjuwel Nicolas Gonzalez stimmt. Nun gilt es für den Korkut, das Potenzial seines Spielerreservoirs auf den Bundesliga-Rasen zu bringen.

Bisher ist es dem Trainer nicht gelungen, den richtigen Mix aus jung und erfahren zu finden, etwa den kecken Spielwitz eines Gonzalez mit der Routine eines Mario Gomez, den Führungsanspruch eines Holger Badstubers mit der souveränen Leichtigkeit eines Benjamin Pavard in Einklang zu bringen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der VfB kein leichtes Liga-Auftaktprogramm hatte. Jetzt aber kommen in Freiburg und Düsseldorf Gegner, gegen die sich zeigen wird, ob der VfB unter Korkut auch mehr Spielkontrolle und eigene kreative Momente im Repertoire hat. Der Kader gibt dies allemal her. (Heiko Hinrichsen)