Julian Schieber dreht einsam seine Runde auf dem Trainingsgelände des VfB Stuttgart. Klicken Sie sich durch Bilder seiner noch jungen Karriere. Foto: Pressefoto Baumann

Torjäger in Wartestellung: Julian Schieber stoppen Folgeverletzungen seines Muskelrisses.

Stuttgart - Julian Schieber hatte nach seiner Rückkehr zum VfB viel vor. Statt aber mit der Mannschaft zu trainieren und Tore zu schießen, muss der Stürmer individuell an sich arbeiten. Seine Verletzung ist schlimmer als zunächst angenommen. Wann er wieder angreifen kann, weiß niemand.

Sehnsüchtig schaut Julian Schieber (22) auf den Trainingsplatz. Dann zieht er die Vorhänge zu und setzt sich. Draußen, auf dem Rasen, trainieren seine Kollegen. Drinnen, im Schulungsraum in den Katakomben des VfB-Trainingszentrums, sitzt der Stürmer und erzählt von seinem Leiden. Nur die Life-Kinetik-Einheit am Morgen konnte Schieber mit der Mannschaft absolvieren. Danach war für ihn das angesagt, was meist angesagt ist, seitdem er nach der vergangenen Saison vom 1. FC Nürnberg auf den Wasen zurückkehrte: Fahrrad fahren, laufen, individuelles Training. All das bereitet Schieber keine Schmerzen - zumindest keine körperlichen. Mental aber ist der VfB-Stürmer ganz schön gefrustet: "Diese Situation macht mich sehr unzufrieden."

Es ist vor allem die Ungewissheit, die Schieber zu schaffen macht. "Das nervt", sagt er. Derzeit weiß keiner, wann der Backnanger wieder ins Training einsteigen, geschweige denn wieder im Trikot der Roten auflaufen kann. "Eine Prognose zu wagen ist schwer", sagt VfB-Mannschaftsarzt Raymond Best. Und auch Fredi Bobic befürchtet: "Das kann noch sehr lange dauern." Der VfB-Sportdirektor hatte große Hoffnungen in den Linksfuß gesetzt. Und auch Schieber wollte voll durchstarten, war er doch mit der Empfehlung von sieben Saisontoren und neun Vorlagen in 29 Bundesligaspielen aus Nürnberg gekommen. Unglücklicherweise aber auch mit einem Muskelbündelriss im Oberschenkel.

Eigentlich hatte alles gut ausgesehen

Den hatte sich der Angreifer in seinem letzten Spiel als Leihgabe für den Club zugezogen. Und auch zuvor hatte er ständig mit Verletzungen zu kämpfen. Schiebers Leiden falle in das klassische Muster der wiederkehrenden Verletzungen, erklärt Best. Ende Januar litt er an einer Schambeinentzündung, Ende Februar folgte ein Meniskusriss inklusive OP, schließlich der Bündelriss. "Julian hat seit Jahresanfang keinen Rhythmus gefunden. Immer wieder wurde er von Blessuren gestoppt. Darauf reagiert der Körper", sagt der Teamarzt.

Die eigentlichen Verletzungen sind ausgeheilt, "aber jetzt leidet er an dem ganzen Folgemist", ärgert sich Fredi Bobic. Und Julian Schieber zählt auf, wo es überall hakt: "Es sind die Adduktoren, aber auch eine Schambeinreizung, die Beckenmuskulatur ist beeinträchtigt. Insgesamt ist die ganze Hüfte instabil." An fußballspezifisches Training ist nicht zu denken, an eine Bundesliga-Partie schon gar nicht. Seitliche Bewegungen, schießen, passen, schnelle Tempo- und Richtungswechsel? Derzeit unmöglich für Julian Schieber. "Sein gesamter Bewegungsablauf ist gestört", sagt Raymond Best.

Dabei hatte alles eigentlich schon so gut ausgesehen. Im Testspiel gegen Reutlingen vor rund drei Wochen (4:0) stand Schieber 90 Minuten auf dem Platz, machte ein Tor und war voller Zuversicht. Dann aber kamen die Schmerzen zurück. Zunächst in den Adduktoren. Dann auch noch in der Hüfte. "Ich habe gemerkt, dass es keinen Sinn hat, so weiterzumachen", sagt der Angreifer im Wartestand.

"Ich habe kein Datum im Kopf"

Und so ist das Mannschaftstraining erst mal wieder passé. Julian Schieber muss erst wieder ganz gesund werden. "Er lebt von seiner Physis. Wir müssen schauen, dass die körperliche Basis wieder stimmt. Dafür bekommt er von uns die Zeit, die er braucht", sagt Fredi Bobic, fügt aber auch hinzu: "Das haben wir uns alle anders vorgestellt. Es ist mittlerweile wirklich ein Problem."

Denn gerade in den vergangenen zwei Spielen, als die Roten gegen Bayer Leverkusen und Hertha BSC viele gute Chancen ungenutzt ließen, vermisste man einen Knipser im Angriff. Einen wie Julian Schieber. Und der hätte nichts lieber getan, als seinem Team zu helfen. "Es tut weh, so zu verlieren, vor allem, wenn man nicht eingreifen kann", sagt der Stürmer, der die beiden Heimspiele in der Mercedes-Benz-Arena und die Auswärtsspiele zu Hause am Fernseher verfolgt hat.

Auch am heutigen Mittwoch wird Schieber wieder sein Rehabilitationsprogramm absolvieren müssen. Wie lange noch? "Ich habe kein Datum im Kopf", sagt er: "Das habe ich mir abgewöhnt. Jeder Körper reagiert anders auf diese Art von Problemen."

Dem Stürmer bleibt also nichts anderes übrig als abzuwarten. Und selbst wenn er wieder ins Mannschaftstraining zurückkehren kann, muss er noch viel aufholen. "Wir tun alles, was aus medizinischer Sicht möglich ist, damit ich so schnell wie möglich wieder fit bin", sagt er. Was noch hilft: Positives Denken. Auch wenn es schwerfällt. "Ich versprühe derzeit sicher nicht allzu viel positive Energie", gibt Schieber zu. Aber es hilft alles nichts. Bis er wieder mit seinen Kollegen auf dem Rasen stehen kann, muss er sich wohl oder übel noch etwas gedulden.