Der Hurra-Fußball muss Pause machen. In den Spielen bis zur Winterpause geht es für den VfB einzig darum, so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Dafür ist jedes Mittel recht – wie in Jena.
Jena/Stuttgart - Der Weg ist ein häufig benutztes Sprachbild im modernen Fußballerdeutsch. Jeder will irgendwie seinen Weg gehen. Beim VfB Stuttgart haben sie vor der Saison den aggressiven Angriffsfußball als Marschroute ausgegeben. Nun hat dieser Weg Trainer Alexander Zorniger aber schnurstracks in die Sackgasse geführt, aus der es selten einen Ausweg gibt. Oder doch?
Der Coach, von vielen als unbelehrbar abgestempelt, scheint in der derzeitigen Situation das einzig Richtige zu machen. Statt mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, hat Zorniger das Steuer herumgerissen und seiner Mannschaft wieder die elementaren Dinge des Spiels nähergebracht. Später angreifen, enger am Mann, schnörkellos nach vorne. Das ist zwar nicht schön anzuschauen, aber erfolgreich. Der 2:0-Sieg im DFB-Pokal bei Carl Zeiss Jena war immerhin der dritte Sieg aus den vergangenen sechs Partien, dazu noch das Unentschieden von Hoffenheim. „Es ging rein ums Weiterkommen“, sagte Zorniger in Jena und setzte schnell einen Punkt dahinter. Hinter das Spiel und hinter seine Aussagen. Er will nicht mehr viele Worte verlieren. Statt gewohnt ausführlicher Analysen, die immer wieder mit Rüffeln für die eigenen Spieler durchsetzt waren und ihm reichlich Ärger einhandelten, setzt Zorniger auf Minimalismus – genauso wie seine Mannschaft.
Beim tapferen, wenngleich spielerisch limitierten Regionalligisten haben die Roten ihr „Pressing nach hinten verlagert“, wie es Innenverteidiger Timo Baumgartl ausdrückte. Man könnte auch sagen: Der VfB ließ Jena mehr Raum zur Entfaltung und machte Pause mit der permanenten Hatz auf Ball und Gegner. Heraus kam ein „richtig ekliges Spiel“ (Baumgartl), das an die vorangegangenen Begegnungen in Hoffenheim (2:2) und den FC Ingolstadt (1:0) erinnerte. Nur: Der VfB hat damit eben Erfolg, und dafür ist im Zweifel jedes Mittel recht.
Nicht länger blindlings ins Verderben
Es wäre also eine Überraschung, würde die Mannschaft am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) im Heimspiel gegen den SV Darmstadt 98 und in den folgenden sechs Spielen bis zur Winterpause von dieser Art des Ergebnisfußballs großartig abrücken. Dazu gehört auch, sich nach einer Führung nicht mehr blindlings ins Verderben zu stürzen, wie jüngst erst wieder in Leverkusen geschehen. In Jena vermied es Zornigers Team, auf Teufel komm raus aufs zweite Tor zu drängen und verwaltete stattdessen die knappe Führung. Viel hat zwar nicht gefehlt und es wäre schiefgegangen, doch dafür war der VfB mit dem Glück des Tüchtigen im Bunde.
Angesprochen auf die nach wie vor zahlreich vorhandenen Schwächen im Spiel schüttelte Zorniger nur mit dem Kopf und wiederholte das eingangs Gesagte, wonach allein das Weiterkommen zählte. Doch auch ihm dürfte zum Beispiel die gegenseitige Blockade nicht verborgen geblieben sein, die Alexandru Maxim und Daniel Didavi im gemeinsamen Spiel bewirken. Oder die Tatsache, dass der zweite Anzug (in Jena fehlten sechs Spieler verletzt) auf Bundesliganiveau noch in so manche Verlegenheit stürzen dürfte. Doch statt zu kritisieren, lobt Zorniger eher oder schweigt vielmehr. Was jetzt zählt, sind Taten statt Worte und in allererster Linie Punkte. Angesichts des Restprogramms mit Bayern München, Borussia Dortmund und dem VfL Wolfsburg sind Erfolge gegen die übrigen Mannschaften enorm wichtig, um in der Rückrunde der Musik nicht komplett hinterherzulaufen. Also gegen Darmstadt, den FC Augsburg, Bremen und Mainz 05.
Vor knapp einem Jahr befand sich der VfB in einer ganz ähnlichen Situation. Es war die Zeit, als Huub Stevens die Mannschaft von Armin Veh übernommen hatte. Die Spieler waren von den vielen Systemwechseln völlig durcheinander, also verordnete Stevens Fußball der einfachsten Spielart. Das war teilweise grausam anzusehen, aber so ermauerte sich der VfB auswärts den ein oder anderen Punkt. Das gab Sicherheit – und legte die Basis für den spielerischen Wandel im Lauf der Rückrunde.
Zorniger vollzieht gerade eine ähnliche Kehrtwende – auf dass sein Weg auf dem Wasen noch lange nicht zu Ende ist.