VfB-Sportvorstand Michael Reschke hält es nicht mehr für zeitgemäß, eine U-23-Mannschaft zu unterhalten. Foto: Baumann

Seit Wochen wird über die Zukunft der U-23-Mannschaft beim VfB Stuttgart diskutiert und auch spekuliert. Dabei steht das komplette Nachwuchskonzept auf dem Prüfstand.

Stuttgart - Es ist die Zeit der großen Ungewissheit bei den kleinen Roten. Seit Wochen wird über die Zukunft der U-23-Mannschaft beim VfB Stuttgart diskutiert und auch spekuliert. Und nicht wenige Leute aus dem Umfeld des Regionalliga-Teams meinen, dass die zuletzt oft schwächeren Leistungen und schlechten Ergebnisse in direktem Zusammenhang mit der emotional belasteten Situation stehen.

Zu beweisen ist das nicht. Der Gedanke aber, dass sich die Nachwuchsspieler der U 23 und auch der U 19 beim VfB mit ihrer Zukunft beschäftigen, liegt nahe. Die Berater suchen nach Alternativen – und wie viel diese Unruhe an Leistungsvermögen kostet, weiß keiner. Der Zustand wird jedoch sicher noch eine ganze Weile anhalten.

Entscheidung fällt wohl erst im Februar

Erst im Februar 2018 wird wohl die Entscheidung getroffen, ob es mit der einst so erfolgreichen zweiten Mannschaft weitergeht. Und wenn ja, wie. „Der Prozess läuft, und er ist ergebnisoffen“, sagt der Sportvorstand Michael Reschke. Dabei ist seine Grundüberzeugung klar: Er hält es nicht mehr für zeitgemäß, eine U-23-Mannschaft zu unterhalten, um wenigen Spitzentalenten Spielpraxis zu ermöglichen.

Andere Denk- und Praxismodelle sollen her. Allerdings ist Reschkes Versuch, ein Zweitspielrecht im deutschen Profifußball einzuführen, gescheitert. Wie im Handball oder Basketball sollten Nachwuchsspieler die Möglichkeit erhalten, an andere Clubs ausgeliehen, aber in speziellen Fällen und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch während der Saison zu ihrem Stammverein zurückbeordert werden zu können.

DFL lehnt Zweitspielrecht-Vorschlag ab

Als Pilotprojekt hatte Reschke das bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) eingebracht. Doch die DFL-Kommission hat den Vorschlag kürzlich abgelehnt. Einstimmig, da die Mitglieder eine Wettbewerbsverzerrung befürchteten. Reschke sieht diese Gefahr nicht. Er sieht vielmehr die Herausforderungen einer neuen Kaderplanung.

Doch es sieht auch so aus, als habe der 60-Jährige ein zu hohes Tempo angeschlagen. Im Ligaverband zum einen, da es vielen Sportchefs zu schnell ging. Beim VfB zum anderen, da sich die Pro-U-23-Aktivisten, nachdem sie überrumpelt schienen, mehr Gehör verschaffen. Mitarbeiter, Mitglieder, Fans und Sponsoren treibt das Thema um, ob es künftig eine zweite Mannschaft geben wird. Zur Glaubensfrage ist es geworden, ob der VfB künftig den Weg von Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt und RB Leipzig (ohne U 23) geht – oder ob er es schafft, sich in der Nachwuchsförderung auf neue Beine zu stellen.

Wie die TSG Hoffenheim, die dank ihrer Jugendakademie (mit U 23) mittlerweile als Erfolgsmodell gilt und gar vom chinesischen Erstligisten Meizhou Hakka Football Club kopiert werden soll. Dabei ist das Konzept der Kraichgauer genau genommen nur eine Weiterentwicklung. Denn der Grundgedanke geht auf den VfB zurück. Noch immer schaffen es die Stuttgarter auch, Edeltalente wie Timo Werner und Joshua Kimmich herauszubringen.

Externer Berater soll Diskussion voranbringen

Als ein Umdenken wird es deshalb wahrgenommen, dass die U 23 doch wieder eine Zukunft haben soll. Als die Chance, sachlich über die Sinnhaftigkeit eines Teams in der vierten Liga zu reden. Um die Diskussion voranzubringen, wird ein externer Berater hinzugenommen. Er soll die interne Runde mit Reschke, Präsidiumsmitglied Thomas Hitzlsperger, Sportkoordinator Marc Kienle, U-23-Coach Andreas Hinkel, Markus Rüdt (Leiter des Nachwuchsleistungszentrums) und Oliver Otto (Pädagogischer Leiter), bereichern. „Wir sind aber weit davon entfernt, zu sagen, dass alles so bleibt, wie es ist“, sagt Reschke.

Das komplette Nachwuchskonzept steht auf dem Prüfstand – und damit die Kaderplanungen der U 17, U 19 und U 23. Wobei es kein Zufall ist, dass die Ältesten hinten anstehen, denn der VfB muss zuerst die Frage klären, welchen Stellenwert seine zweite Mannschaft genießt. Ist sie die letzte Ausbildungsstufe auf dem Weg in die Bundesliga? Wenn ja, ergeben sich daraus ebenso Konsequenzen wie aus einem Nein. Der schlimmste Fall für alle Beteiligten wäre aber mit Sicherheit ein Jein.