Die frühere Politikerin Tanja Gönner freut sich auf die neue Herausforderung im Aufsichtsrat des VfB Stuttgart. Foto: VfB Stuttgart

Der VfB-Präsident Claus Vogt ist nicht mehr Vorsitzender des Kontrollgremiums. In Tanja Gönner übernimmt erstmals eine Frau die Leitung. Wir erklären die Hintergründe.

Claus Vogt ist schon mit einem mulmigen Gefühl in die außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrats der VfB Stuttgart AG gegangen. Seine Argumente, die Präsidentschaft und den Vorsitz im Kontrollgremium nicht zu trennen, hatten nicht mehr überzeugt. Kämpferisch hatte er in den vergangenen Tagen auf die Einheit von Verein und ausgegliederter Profisparte verwiesen, doch der Riss war nicht mehr zu kitten.

 

Nur zwei Getreue blieben Vogt noch: Beate Beck-Deharde und Rainer Adrion. Sie sollen am Ende auf der Seite des 51-Jährigen gestanden haben – und dann kam es am Dienstagnachmittag zu Vogts Abwahl als Aufsichtsratschef. Nun übernimmt Tanja Gönner den Vorsitz. „Sie verfügt mit ihrer Erfahrung als ehemalige Ministerin des Landes Baden-Württemberg, langjährige Vorstandssprecherin eines Bundesunternehmens und amtierende Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie über die erforderliche persönliche und fachliche Kompetenz“, teilte der VfB am Abend mit.

Gebrochenes Versprechen

Es ist die Pressemitteilung Nummer zwölf des Jahres 2024 – und sie hat durchaus historische Dimension für den Traditionsverein von 1893. Weniger, weil Gönner die erste Frau an der Spitze des Gremiums darstellt, sondern vielmehr, weil eine neue Zeitrechnung anbricht. Die Doppelfunktion, die der damalige Präsident Wolfgang Dietrich den Mitgliedern rund um die historische Ausgliederung des Profispielbetriebs 2017 versprochen hatte, ist aufgehoben. Sie sollte dazu dienen, dass der oberste Vereinsvertreter gleichzeitig auch die Geschicke im Kontrollgremium der AG lenkt. Als Symbolfigur für das Mitspracherecht der Mitglieder.

Doch zuletzt war die Kritik an Vogts Amtsführung zu groß. Zudem soll es immer wieder Spannungen zwischen dem Präsidenten und den Geldgebern des VfB gegeben haben. Die Mehrheit im Aufsichtsrat hat sich deshalb für Gönner und damit einen Neuanfang entschieden. „Um die Vorstandsarbeit professionell begleiten, kontrollieren und fördern zu können“, heißt es in der Mitteilung. Vor allem die Porsche AG hatte nach ihrem Einstieg als Investor darauf gepocht, sich an der Spitze anders aufzustellen. Eigene Ansprüche auf den Vorsitz erhoben Lutz Meschke und Albrecht Reimold aus dem Vorstand des Sportwagenherstellers nach ihrer Berufung in den VfB-Aufsichtsrat jedoch nicht. Allerdings ließen sie auch nicht nach, als es darum ging, Zusagen einzuhalten.

Im Zuge des geschmiedeten Weltmarkenbündnisses zwischen dem VfB und den großen Investoren Porsche und Mercedes-Benz soll Vogt im vergangenen Sommer zugesagt haben, den Posten frei zu machen. In den vergangenen Wochen war darüber ein Streit entbrannt, der zum Machtkampf im Clubhaus mit dem roten Dach wurde – weil Vogt sich nicht mehr daran halten wollte. Er habe nur Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Offenbar haben diese Auslegungen nun keine entscheidende Rolle mehr gespielt. Es wurde gewählt – und Vogt als Vorsitzendem das Misstrauen ausgesprochen. Er behält jedoch einen Sitz im Aufsichtsrat. Wobei schon vorher klar war, dass sich die Verhältnisse nicht verändern werden. Zum Gremium gehören nach wie vor sieben vom Verein entsandte Vertreter (darunter Gönner) sowie vier aus dem Investorenkreis. Das soll so bleiben. „Mit den Aufsichtsratsmitgliedern unserer Partner Mercedes-Benz und Porsche bin ich der Meinung, dass in Zukunft die Idealbesetzung des Aufsichtsratsvorsitzenden ein Präsidiumsmitglied des Vereins sein sollte, das von den Mitgliedern direkt gewählt wurde und über die notwendigen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen verfügt“, erklärte Gönner zudem.

Wie reagieren die Fans und Mitglieder?

In der Kurve wird diese Absichtserklärung, die geeignete Person aus dem Präsidium finden zu wollen, kaum für Beruhigung sorgen. Die aktive Fanszene fühlt sich verraten und verkauft, wie sie zuletzt beim Heimspiel gegen Union Berlin (2:0) auf Transparenten deutlich kundtat. Die Ultras, die Vogt bei seiner Wiederwahl 2021 stark unterstützten, hatten die Vereinsführung dazu bewegen wollen, sich an Dietrichs Versprechen zu halten. Denn in Stuttgart hat sich im Kleinen abgespielt, was zuvor bundesweit im Großen lief, als sich die organisierten Anhänger über mehrere Spieltage hinweg erfolgreich gegen den geplanten Investorendeal der Deutschen Fußball-Liga wehrten.

Es geht dabei um die grundsätzliche Frage, wie viel Mitbestimmung der Profifußball benötigt und wie viel Einfluss die Geldgeber beanspruchen. Ein Kompromiss im Kulturkampf zwischen Kurve und Kapital fällt da schwer. Selbst in Stuttgart, wo sich Mercedes-Benz und Porsche nicht als klassische Investoren verstehen, weil sie keine Gewinnabsichten hegen. Sie sehen das Millionen-Engagement als Bekenntnis zur Heimat. Dennoch steht zu befürchten, dass der Konflikt im Kessel weitergeht. Nicht mehr hinter den Kulissen im Aufsichtsrat, sondern auf der Bundesliga-Bühne mit neuen Protesten.