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Der gut gelaunte dänische VfB-Profi William Kvist über Fans, Volksfest und Mentalcoach.

Stuttgart - Schneller, als William Kvist es getan hat, kann man sich in neuer Umgebung kaum einleben. Der Däne genießt das Leben in Stuttgart - und das Vertrauen von Kollegen und Fans. "Wir fühlen uns wohl hier", sagt der Mittelfeldspieler.

Es ist Mittwoch, zwei Tage vor dem Spiel des VfB gegen den Hamburger SV (20.30 Uhr/Sky und Liga total), als William Kvist zum Gesprächstermin erscheint. Der Däne ist - wie fast immer - bester Laune, das Training liegt hinter ihm, dennoch hat er noch viel vor an diesem Tag.

Hallo Herr Kvist, wie geht es Ihnen?
Gut - und selbst?

Danke, auch gut, das Wetter ist prima ...
... oh ja, das stimmt. Aber ich muss heute noch zu Ikea.

Oh.
Tja, meine Freundin ... Aber so schlimm ist das gar nicht. Da gibt es schließlich die guten schwedischen Köttbullar.

Aha, Sie essen, und Ihre Freundin kauft ein.
(Lacht) Ja, so ähnlich.

Was fehlt denn noch in Ihrer Wohnung?
Das müssen Sie meine Freundin fragen.

Okay. Dann kommen wir mal zum Freitag. Das ist ein wichtiger Tag für alle Stuttgarter.
Ach ja? Warum denn?

"Volksfest? Haben wir in Dänemark nicht"

Erstens spielt der VfB gegen den HSV. Aber noch wichtiger: Das Volksfest beginnt.
Oh ja, das habe ich gehört.

Wissen Sie, was es damit auf sich hat?
Ich habe schon viel gesehen, denn ich fahre ja jeden Tag am Wasen vorbei. Es sieht gut aus, so etwas haben wir in Dänemark nicht. Die anderen Spieler haben mir auch ein paar Geschichten erzählt und freuen sich sehr darauf. Es muss wirklich gut sein.

Die Biergläser sind sehr groß. Ein Liter.
(Macht große Augen) Was? Ein Liter? Oh je, das ist viel für einen Sportler.

Selbst für einen, der sich in Stuttgart schon prima eingelebt hat. Dieser Eindruck täuscht doch nicht - oder?
Nein, meine Freundin und ich fühlen uns wirklich sehr wohl hier und genießen das Leben in Stuttgart. Das Essen schmeckt auch sehr gut, wir haben eine tolle Wohnung, und das Wetter ist auch ein bisschen besser als in Kopenhagen.

Ist es ein großer Unterschied zum Leben in Kopenhagen?
Nein, eigentlich nicht, angesichts der wirklich sehr hohen Lebensqualität hier ist es ähnlich wie in Kopenhagen. Wir hatten auch schon Freunde zu Besuch, denen es gut gefallen hat. Die Berge, der gute Weißwein - den haben wir in Dänemark so nicht.

Sie wollten ganz bewusst eine Wohnung in der Stadt. Wieso war Ihnen das so wichtig?
Wir sind jung und haben auch in Kopenhagen in der Altstadt gelebt. Wir gehen gerne mal einen Kaffee trinken oder ins Restaurant. Da wollen wir kurze Wege haben. Auf dem Land wäre es uns ein bisschen zu ruhig.

Was machen Sie denn so, wenn Sie nicht auf dem Trainingsgelände des VfB sind?
Na, Möbel kaufen. (Lacht)

"Hier ist die Stimmung einfach toll"

Ach ja, stimmt. Und sonst?
Wir lieben es, gut essen zu gehen. Das ist uns ganz wichtig. Wir haben schon einige Restaurants ausprobiert - es gibt wirklich viele gute.

Ihr Deutsch ist auch sehr gut.
Ja, es wird von Tag zu Tag besser.

War Deutsch Pflicht in Ihrer Schulzeit?
Nein, man konnte wählen zwischen Deutsch, Französisch und Spanisch.

Also zwischen Ligue 1, Primera Divisiín und Bundesliga. Und Sie haben sich schon damals für die Bundesliga entschieden.
Ja, genau. Das war ganz einfach.

Sportlich scheinen Sie sich hier auch sehr wohlzufühlen. Gab es keine Umstellungsprobleme?
Im Spiel war die Umstellung nicht allzu groß. Dazu kommt: Die Bundesliga ist supergeil. Ich habe in vielen Stadien gespielt, in Holland, England und Spanien. Aber hier ist die Stimmung einfach toll - und zwar immer. Es ist sogar noch besser, als ich gedacht habe. Ich freue mich auf jedes Spiel, und wenn wir freitags spielen, freue ich mich auf Samstag und Sonntag, wenn ich die anderen Spiele im Fernsehen anschauen kann.

Sie sind erst im Alter von 26 nach Deutschland gekommen. Warum nicht früher?
Ich wollte erst ins Ausland gehen, wenn ich wirklich etabliert bin. Ich habe viele dänische Spieler gesehen, die gleich die erste Chance genutzt haben und früh ins Ausland gegangen sind. Aber dann ist es schwieriger. Ich hatte in Kopenhagen eine gute Entwicklung, war zuletzt Kapitän, diese Entwicklung wollte ich im Ausland nicht noch einmal von vorn beginnen. Ich denke, es war gut zu warten.

Hier konnten Sie dann gleich eine wichtige Rolle übernehmen.

Ja, genau. Das war mir ganz wichtig. Ich bin ein etablierter Spieler, also will ich spielen und zeigen, was ich kann.

Haben Sie gleich das Vertrauen der Mitspieler gespürt?
Ja, ich hatte hier im Team einen guten Start. Aber die anderen wissen auch, dass ich eine gute Saison hatte in Kopenhagen.

Und Sie sind keiner, der sich zu Beginn erst einmal zurückhält und den Mund hält?
Doch, ab und zu schon. Aber du musst auch wissen, was deine Basis ist. Ich bin William Kvist, und ich bringe gute Leistungen, wenn ich bestimmte Dinge mache, also auch Kommandos gebe. Aber: Ich muss auch noch viel Neues lernen und wissen, wann ich mich besser zurückhalte.

"Wir sind beide kluge Fußballer"

Haben Sie schon alles gelernt?
Nein. Das Spiel in der Bundesliga ist ein anderes als in Dänemark, deshalb gibt es noch viel zu lernen.

Neu ist auch, mit Niederlagen fertig zu werden. Wer in Dänemark beim FC Kopenhagen spielt, ist das nicht gewöhnt.
Das stimmt, das ist eine große Umstellung. Zwei Spiele hintereinander zu verlieren, das hatte ich vielleicht einmal in fünf Jahren. Aber ich bin darauf vorbereitet, ich arbeite seit sechs Jahren mit einem Mentaltrainer zusammen und habe mit ihm auch diese Situation besprochen: dass es auch darum gehen wird, Niederlagen zu verarbeiten.

Sie bilden mit Zdravko Kuzmanovic die Zentrale im Spiel des VfB. Haben Sie gleich gemerkt: Das passt?
Ja, denn wir sind beide kluge Fußballer, und dann ist es ganz einfach. Dass ich ein bisschen mehr der Sechser bin und er ein wenig mehr der Achter ist, das klappt eigentlich vom ersten Spiel an sehr gut. Ich hoffe, dass wir, wenn wir noch eingespielter sind, unser Kurzpassspiel verbessern können.

Damit Sie auch mal nach vorne können?
(Lacht) Ja, irgendwann. Aber ich kann auch damit gut leben, wenn ich null Tore habe und Kuz am Ende zwölf.

Zehn Punkte bedeuten einen ordentlichen Start. Aber: Geht es noch besser in Zukunft?
Unser Start war okay. Viele Dinge haben gut funktioniert, wir haben wenig Torchancen des Gegners zugelassen. Ich denke aber, wenn wir in Ballbesitz sind, könnten wir es noch besser machen als bisher. In den Abläufen, im Rhythmus, da steckt noch Potenzial.

Die Stimmung im Team passt aber, oder?
Ja, wir haben gute Typen, eine hohe Qualität und vor allem sehr viel Enthusiasmus in jedem Training.

Am heutigen Freitag geht es gegen den HSV, der in Frank Arnesen einen dänischen Sportdirektor hat. Kennen Sie ihn?
Nicht persönlich, da er viel Zeit in den Niederlanden und in England verbracht hat.

Ist er kein echter Däne mehr?
(Lacht) Nein, nur ein halber.

So oder so - für Sie zählt nur ein Sieg?
Natürlich. Aber dafür müssen wir viel Druck machen, denn in der Bundesliga sind alle Mannschaften sehr stark - da sind die Heimspiele besonders wichtig.