Hundert Gäste beim Benefiz-Abend in und für die Vesperkirche, dem der Auftritt ohne Gage von Staatsoper-Pianist Alan Hamilton und Sängerin Stine Marie Fischer einen besonderen Höhepunkt bescheren.
Es gibt Menschen, die richten sich bei der Planung ihres Skiurlaubs nach dem Termin einer Benefizaktion. Weil sie auf keinen Fall den „Tischlein-deck-Dich“-Abend in der Vesperkirche versäumen wollen. Nicht wegen der Maultaschen, die serviert werden. Sondern aus Solidarität und Mitgefühl mit Menschen, die von Armut betroffen sind und Hilfe brauchen. Und auch, weil dieser Abend, zu dem sich am Mittwoch schon zum 16. Mal an die 100 Freunde und treue Stammgäste eingefunden haben, von Herzenswärme und einer besonderen Atmosphäre des heiteren Miteinanders erfüllt ist.
Spendable Spender
„Seit dem Start 2009 konnten wir dank der Unterstützung von Sponsoren und Spendern wie Ensinger, Avia Energie und Ebner Stolz mehr als 140 000 Euro für unsere Stuttgarter in Not sammeln“, sagte Nilgün Tasman, die mit ihrem Mann Hans Ulrich Scholpp diese Benefizaktion ins Leben gerufen hat. Was sie am Ende in dem dickbauchigen Topf der Vesperkirchen-Pfarrerin Gabriele Ehrmann überreichen konnte, hat sie dann schier überwältigt: „16 800 Euro! Das war noch nie da!“ Denn die wenigsten beließen es bei den 35 Euro für die Maultaschen.
Bei der Aktion Vesperkirche werden sieben Wochen lang täglich 800 Essen ausgegeben, bis zu 500 in der Kirche und weitere an vier Außenstellen, die zur Corona-Zeit eingerichtet und beibehalten wurden. 1995 von Pfarrer Martin Friz gegründet, besteht die Vesperkirche in der Leonhardskirche seit 30 Jahren. „Aber 30 Jahre Armut sind kein Grund zum Feiern“, betont Pfarrerin Gabriele Ehrmann, die auf die Unterstützung von insgesamt 800 Ehrenamtlichen zählen kann.
Nach dem Ja-Wort in die Vesperkirche
Die Gesellschaft habe sich verändert, Armut treffe immer mehr, Mitte des Monats wüssten viele nicht mehr, wovon sie leben sollen. „Hier gilt, was auf den Vesperkirchen-Tassen steht: ,Es ist genug für alle da!’“ Auch für die Großmutter und ihre Enkel, von denen die Dekanin Elke Dangelmaier-Vinçon berichtet. Und erst recht für das Brautpaar, das kürzlich direkt vom Standesamt gekommen sei und mit einem Hochzeitsmahl in der Kirche zufrieden und glücklich war, gefeiert von hunderten Gratulanten.
An die 350 000 Euro hat Gabriele Ehrmann zur Verfügung, die Kosten betragen jedoch eine halbe Million. Nilgün Tasman, die nach ihrem ersten Besuch in der Vesperkirche beschloss, etwas beizutragen, ist ein Glücksfall. Mit ihrem Mann und fünf Freunden hat sie obendrein im Jahr 2020 den Verein „fürs Käpsele“ gegründet, der sich um 160 Kinder in prekären Verhältnissen kümmert: „Wir haben in der Pandemie über 100 Laptops angeschafft und verteilt, wir richten Kinderzimmer ein, machen Ausflüge und helfen schnell und direkt“, sagt Scholpp.
Künstler treten ohne Gage an
Menschen satt machen, das ist nicht der einzige Anspruch der Vesperkirche. Gestillt wird auch der Hunger nach kultureller Erbauung, wie der Vesperkirchen-Chor „Rahmenlos und frei“ beweist, der unter der Leitung von Beatrix Steinhübl am Flügel den Abend eröffnet hat. Unvergleichlich dann der Ausklang mit Künstlern der Staatsoper: Dem Pianisten Alan Hamilton und der Altistin Stine Marie Fischer, die für ihr Konzert mit Stücken von Brahms und Schubert, Liedern aus Schuberts „Winterreise“ und Arien wie der Habanera aus Fischers Paraderolle „Carmen“ stürmisch gefeiert wurden.
Die Vesperkirche in der Leonhardskirche ist noch bis zum 2. März geöffnet. Angeboten werden Mittagessen, Vesperpakete und kulturelle Veranstaltungen. Weitere Informationen unter https://www.vesperkirche.de