Auch wenn das Wetter in Stuttgart alles andere als italienisch ist: Monique Viehöver, Christina Stein und Harald Kempka (von links) haben trotzdem Spaß auf ihren Vespas. Foto: Leif Piechowski

Im Stuttgarter Vespa-Club 1950 treffen sich Roller-Fans einmal im Monat zum Stammtisch. Sie verbindet die Liebe zu einer Italienerin.

Stuttgart - Zu Mittag gibt es Weißwurst und Kartoffelsalat. Als das Essen auf dem Tisch steht, wird es ganz still im Feuerbacher Clubhaus. Fünfzehn Vespa-Fahrer des Vespa-Club 1950 Stuttgart vergessen für einen Moment ihre Benzingespräche. Großes kündigt sich an: „Ich steche jetzt den Maibock an“, sagt der Schriftführer Horst Schürer.

Dann klappern wieder Messer und Gabeln auf Tellern mit Blumenmuster. In einer Vitrine stehen Pokale von vergangenen Liebhaber-Treffen. Vor der Haustür warten ein Dutzend antike Vespas. Ältere Jahrgänge mit opulenten Rundungen, aufwendig restauriert. Die Stimmung steigt, wird feuchtfröhlich, passend zum Wetter draußen.

Eigentlich wollten die Vespisten an diesem Tag anrollern und zum ersten Mal im Jahr gemeinsam auf Nebenstraßen über Land fahren. Doch der Ausflug fällt buchstäblich ins Wasser. Also müssen Stammtischgespräche herhalten, Austausch von Neuigkeiten und Tipps zum Rollerkauf.

Die Maschinen sind der ganze Stolz ihrer Besitzer

„Ein Liebhaber kann nie genug Vespas haben“, sagt Schürer. Er selbst hat sieben Stück in der Garage stehen und ist seit über 50 Jahren Mitglied im Club. Sein ganzer Stolz ist seine 125er-Königin, Baujahr 54. Ein Vespa-Sondermodell, das mit reichlich Chrom und Goldfarbe rausgeputzt ist und einen extra Nebelscheinwerfer auf dem vorderen Kotflügel trägt.

Dieser Scheinwerfer und das geringfügige Aufmotzen der Motorleistung sorgten damals für jede Menge Scherereien. Sie waren Ende 1954 der Grund für die Kündigung des Produktionsvertrags zwischen dem Deutschen Vespa-Hersteller Hoffmann und dem italienischen Vespa-Papa Piaggio.

Horst Schürer kennt die Geschichte genau und erzählt der Reihe nach. Die Vespa wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg vom italienischen Kriegsflugzeugproduzenten Enrico Piaggio erfunden. Er erteilte dem Luftfahrtingenieur Corradino d’Ascanio den Auftrag, mit den vorhandenen Produktionsanlagen ein Zweirad zu bauen, das leicht fahrbar und einfach zu reparieren ist. Antrieb und Kraftübertragung sollten so simpel wie möglich sein.

Die Kunden hatten unter den Entbehrungen der Nachkriegszeit zu leiden. Sie brauchten ein günstiges Transportmittel mit stabiler Karosserie und mit Beinschutzschild, so dass sie auch auf beschädigten Straßen fahren konnten. Da der Motor verdeckt am Hinterrad eingebaut wurde, konnte man sich daran nicht schmutzig machen. Corradino, der im Rollerbau keinerlei Erfahrung hatte, schaute teilweise von Flugzeugmotoren ab. Das erste Modell, die Vespa 98, kam 1946 auf den Markt und erreichte Tempo 60. Piaggio taufte sie Paperino – Entchen.

Die Liebe zur Vespa verbindet

Eine Erfolgsgeschichte begann. Piaggio vergab Auslandslizenzen. Bereits 1965 waren weltweit drei Millionen Vespas verkauft. Die Vespa ging mit italienischem Flair auf einen Siegeszug: Eleganz und Dolce Vita. Vespa fahren konnten Geschäftsleute im Anzug, Mädchen im Sommerkleid und Jungs mit Sandalen und T-Shirt. Auch heute noch sind Vespas mit ihrem von der Mode unabhängigen Design bei Jung und Alt beliebt.

Besonders im Stuttgarter Vespa-Club. „Beim Vespa-Fahren ist der Weg das Ziel“, erklärt Monique Viehöver. Die 62-jährige Dozentin ist seit knapp zwei Jahren beim monatlichen Stammtisch in Feuerbach dabei. Ihre Liebe zur Vespa hat sie aber schon viel früher entdeckt – zum Leidwesen ihrer Eltern. „Mit vierzehn bin ich immer unerlaubt gefahren“, sagt sie. „Wenn ich dabei erwischt wurde, musste ich Strafdienste leisten oder zwei Tage in ein Mädchenheim.“

Eine andere Vespa-Liebhaberin verfolgt das Gespräch gespannt. Christina Stein ist zum ersten Mal in Feuerbach dabei und sucht neue Kontakte. Vor drei Wochen noch war sie im Vespa-Club Frankfurt aktiv. „Die Liebe zur Vespa verbindet, über alle Alters- und Landesgrenzen hinaus“, sagt die 37-Jährige. Als sie Monique Viehöver von einem defekten Regler an ihrer Vespa erzählt, werden die ersten Werkstattadressen ausgetauscht. „Das ist gut, wir brauchen Nachwuchs“, sagt Monique.

Die Liebe zu einer Italienerin ist ihnen gemein. Ein bekannter Werbespruch von damals heißt: „Wer Vespa fährt, isst Äpfel.“ Als Metapher für Gesundheit, Jugend und Sommerlaune. Und tatsächlich: Die Vespa-Liebhaber von heute fühlen sich jung geblieben. Statt Apfel essen sie Weißwurst.