Hartnäckigkeit kann sich lohnen: Wer Zweifel an der Auszahlung seines Versicherers hat, soll sich an die Aufsicht wenden, rät die Verbraucherzentrale. Foto: dpa-Zentralbild

Wer jahrelang in die private Vorsorge einzahlt, erwartet danach eine satte Auszahlung mit Zins und Zinseszins. Doch manchmal müssen Kunden kämpfen, um ihr Geld zu bekommen.

Berlin - Zwölf Jahre lang hatte Ernst Bechtel aus Oberkirch Monat für Monat Geld in seinen privaten Rentenversicherungsvertrag eingezahlt. Seine Frau Christa und er freuten sich, dass sie nun bald einen stattlichen Geldbetrag von der Württembergischen Lebensversicherung überwiesen bekämen. Das Ehepaar hatte sich gegen die Variante der monatlichen Auszahlung der Privatrente entschieden und wollte sich das angesammelte Kapital auf einmal auszahlen lassen.

Doch als das Schreiben der Versicherung Anfang des Jahres im Postkasten war, machte sich Ernüchterung breit. Nur 12 187,17 Euro sollte der 70-Jährige pensionierte Beamte als einmalige Kapitalabfindung bekommen. Das kam dem ehemaligen Zollbeamten seltsam vor. Bechtel sagte unserer Zeitung: „Das war weniger, als ich insgesamt eingezahlt hatte.“ Bechtel versuchte es telefonisch, er schrieb eine Mail. Vergeblich „Mir wurde seitens der Versicherung gesagt, alles habe seine Richtigkeit.“

Dann gab ihm ein Angestellter der Sparkasse Ortenau den Tipp, sich in seinem Fall an die Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht (Bafin) zu wenden. Die Behörde mit Sitz in Bonn könne weiterhelfen, wenn Verbraucher Ärger mit ihrer Bank oder Versicherung haben.

Der Rat war hilfreich: Nachdem Bechtel noch im Januar bei der Bafin eine Eingabe gemacht hatte, kamen die Dinge in Bewegung. Im März erhielt er wieder Post von der Württembergischen. In dem Schreiben, das den Stuttgarter Nachrichten vorliegt, heißt es, dass der Kunde 12 871,40 Euro zu erwarten habe – immerhin knapp 700 Euro mehr als im Januar. Warum es nun mehr sein soll? Fehlanzeige. Es handelt sich um eine standardisierte Auszahlungsnachricht. Auch ein Wort der Entschuldigung oder das Eingeständnis eines Versehens sucht man vergebens.

„Manueller Eingabefehler“ liegt vor

Danach wandte sich Bechtel noch einmal an die Bafin, erkundigte sich nach dem Stand. Wenig später bekam er wieder Post von der Württembergischen. Der Schriftwechsel seiner Versicherung mit der Aufsichtsbehörde war beigelegt. Nun sieht er klarer. Da räumt die Württembergische zwei Fehler ein: Es habe einen „manuellen Eingabefehler“ gegeben, deswegen sei die zusätzliche beitragsfreie Jahresrente zu gering berechnet worden. Im Monat hätte sich dies mit 5 Euro ausgewirkt. Das klingt nach wenig. Da der Kunde sich aber das Kapital auf einmal auszahlen lassen möchte, sind es unter dem Strich einige Hundert Euro mehr.

Der zweite Fehler schlägt gravierender zu Buche: „Versehentlich“ sei Bechtels Vertrag „noch nicht entsprechend der BGH-Rechtsprechung (Red.: Bundesgerichtshof) vom Oktober 2005 abgerechnet worden“. Das Gericht hatte in mehreren Urteilen die branchenüblichen Klauseln zur Ermittlung von Rückkaufswerten bei Kündigung oder Beitragsfreistellung verworfen und den Klägern Anspruch auf Nachzahlung bescheinigt.

Im Fall von Bechtel gab es mehrere Vertragsänderungen. Deswegen hätte die Versicherung seinen Vertrag nach den BGH-Urteilen anpassen müssen, was aber unterblieb. Ende 2012 lagen nunmehr über sieben Jahre zwischen den BGH-Urteilen und der Auszahlungsnachricht. Da verwundert es, dass die Versicherung immer noch nicht geltendes Recht angewendet hat.

Als Bechtel droht, die Medien einzuschalten, bekommt er eine Entschuldigung der Versicherung. „Selbstverständlich sollten manuelle Eingabefehler nicht vorkommen, leider kann dies jedoch in Einzelfällen – wie versehentlich bei Ihrem Vertrag – passieren.“ Den Verdacht, dass erst die Hartnäckigkeit von Bechtel zu einer Überprüfung des Falles und dann zu einer höheren Auszahlung geführt hat, versucht die Versicherung mit einem nassforschen und dreisten Satz, der auch noch fett gedruckt ist, im Keim zu ersticken: „Die Überprüfung und Korrektur der gesamten Kapitalabfindung wäre in gleicher Form auch erfolgt, wenn Sie sich nicht an die Bafin gewandt hätten.“

Bafin verweigert jegliche Auskunft

Die Württembergische erklärt den Stuttgarter Nachrichten, dass es sich im Fall Bechtel um einen Einzelfall handle: „Selbstverständlich beachten wir die Vorgaben des BGH vom Oktober 2005 zur Berechnung von Rückkaufswerten.“ Dies sei Unternehmenspolitik.

Und die Bafin? Welche Konsequenzen zieht die Aufsicht aus dem Fall? Gegenüber den Stuttgarter Nachrichten und dem betroffenen Kunden verweigert sie jegliche Auskunft. Sie sei gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Auskunftsfreudiger ist da die betroffene Versicherung. Ein Sprecher der Württembergischen sagte unserer Zeitung: „Aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu unserer Bearbeitung von Vorgängen unter BGH-Vorgaben zu Rückkaufswerten gibt es nicht.“

Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, kritisiert die Passivität der Bonner Behörde scharf: „Die Bafin ist für die Aufsicht der Versicherungsunternehmen zuständig. Wenn in einem konkreten Fall bekannt wird, dass die BGH-Rechtsprechung nicht angewandt wurde, sollte dies Anlass genug sein, der Sache auf den Grund zu gehen.“ Der Verbraucher müsse sich darauf verlassen können, dass die Bafin sicherstellt, dass die Unternehmen der Branche zumindest das geltende Recht einhalten. Nauhauser fordert alle Verbraucher, die Zweifel an Berechnungen der Versicherer haben, auf, sich an die Bafin zu wenden.

Anfang Mai hat Bechtel seine Auszahlung bekommen. Am Ende hat er sogar noch etwas mehr Geld erhalten. Diesmal lag aber kein Fehler vor. Die Schlusszahlung fiel letztlich höher aus als erwartet.