Joni Saßmann und Martin Müller (von links) von der Autobahnpolizei mit einem Paar Skier, das sie von der Autobahn aufgesammelt haben. Foto: Peter-Michael Petsch

Umherfliegende Skier, verwirrte Fußgänger: Auf Autobahnen geht es immer gefährlicher zu.

Stuttgart - Solche Ski lässt man eigentlich nicht zurück. Sogenannte Twin Tips, mit aufgebogener Schaufel an beiden Enden, gefertigt für sehr gute Skifahrer in Freestyle-Kanälen, „für alles“, so die Markenwerbung, „was der Berg zu bieten hat“. Aufkleber eines Kult-Herstellers aus Seattle zeigen, dass die Ski mit dem Skelett-Design offenbar jungen Könnern, Eigenbezeichnung Top-Trickser, gehören. Diese Ski sind nun Beweismaterial für die Ermittler der Autobahnpolizei. Vor Wochen flogen sie – sozusagen freestyle – wie Geschosse auf die Autobahn 8 bei Rutesheim und lösten einen schweren Unfall mit zwei Verletzten und 12.000 Euro Schaden aus. Die Verursacher fuhren auf und davon.

Gefährliche Gegenstände auf der Fahrbahn – immer öfter bekommt die Polizei auf den Autobahnen rund um Stuttgart damit zu tun. Und immer öfter muss vor Fußgängern gewarnt werden, die sich leichtsinnig auf der Fahrbahn aufhalten. In diesem Jahr gab es in Leonberg, Herrenberg und Gruibingen deswegen bereits drei Tote. „Das Gefahrenbewusstsein nimmt ab“, sagt Günter Loos, Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums.

Gleichzeitig steigt die Zahl der Warnmeldungen, ausgelöst vom Verkehrslagezentrum der Polizei, dramatisch an. Nach der jüngsten Bilanz gab es im vergangenen Jahr knapp 1500 Fälle, bei denen vor Personen auf der Fahrbahn gewarnt werden musste. Ein Plus von 15 Prozent. Weit über 6000 Gefahrenhinweise betrafen im vergangenen Jahr verlorene Gegenstände auf der Fahrbahn. Auch das sind 15 Prozent mehr – und überdies ein neuer Höchstwert. Landesweit gab es im Jahr 2011 knapp 15.500 Gefahrenmeldungen – ein Anstieg um 8,1 Prozent.

Ungewöhnliches Strandgut: ein schwarzes Sofa

Das sind nicht nur herumliegende Spanngurte. Sondern auch fliegende Geschosse. „Bisher haben wir keine heiße Spur von den Besitzern der Skier“, sagt Klaus Leitz, Chef des Autobahnpolizeireviers Ditzingen. Zwei Paar Wintersportgeräte waren am 26. Februar auf der Fahrt Richtung Karlsruhe mitsamt den Magnetskiträgern vom Dach eines silberfarbenen Pkw geflogen. Getroffen wurde der BMW eines 35-Jährigen, der nach rechts auswich und mit einer 49-jährigen BMW-Fahrerin kollidierte. Die schleuderte nach rechts, durchbrach einen Wildzaun. Beide Insassen wurden leicht verletzt. Nach ersten Erkenntnissen dürfte der Verursacher mit einem Alfa Romeo oder einem Fiat unterwegs gewesen sein.

Für die Autobahnpolizei gehören Skier zum vergleichsweise normalen Strandgut. Ungewöhnlicher ist da schon ein schwarzes Sofa, das am 30. November 2011 am Autobahnkreuz Stuttgart auf der Fahrbahn stand. Fünf Autos prallten dagegen, es gab 5000 Euro Schaden. Der Verursacher flüchtete. Später konnte er allerdings ermittelt werden – ein 50-Jähriger aus Epfendorf bei Rottweil. Nicht lange ermitteln musste die Autobahnpolizei Anfang Juli 2011, wem das verlorene Stück auf der A 8 bei Leonberg gehörte. Es handelte sich um ein Segelboot, das nach einer Kollision quer auf der Fahrbahn lag.

Fataler wird es freilich, wenn es sich bei den Hindernissen um Menschen handelt. Die Folgen sind oft tödlich – besonders in diesem Jahr. Ein 43-jähriger tschechischer Lkw-Fahrer, der am 21. Februar auf der A 8 bei Gruibingen wegen einer Panne anhalten musste, wurde am Fahrbahnrand von einem Transporterfahrer erfasst und getötet. Eine 28-jährige Polo-Fahrerin starb am 5. Februar auf der A 81 bei Herrenberg, als sie nach einem Auffahrunfall über die Gegenfahrbahn rannte. Auf dieselbe Weise kam am 9. Januar ein 53-jähriger Autofahrer ums Leben, als er auf der A 8 bei Leonberg-West die Gegenfahrbahn überqueren wollte. Monate zuvor traf es einen 24-jährigen Bauarbeiter, der Schilder einer Nachtbaustelle auf der A 8 bei Stuttgart-Rohr abbauen sollte und von einem Lkw überrollt wurde.

Fußmarsch auf der Autobahn

Ditzingens Revierführer Leitz wundert es nicht, dass die Zahl der Warnmeldungen über Fußgänger auf Autobahnen gestiegen ist. „Nach Karambolagen macht man das oft schon vorbeugend, weil erfahrungsgemäß Unfallbeteiligte auf der Strecke herumlaufen“, sagt er. Weitere Kandidaten sind Autofahrer, denen der Sprit ausgegangen ist, sowie allzu neugierige Unfallzuschauer.

Kein Zweifel: Autofahrer auf den Autobahnen rund um Stuttgart müssen mit allem rechnen. Auch mit Typen wie jenem 30-jährigen Fußgänger, der Ende März bei Ludwigsburg-Nord die A 81 überquerte. Er wolle nach Heilbronn zum Bahnhof laufen, sagte er einer Polizeistreife. Auf seinem 28 Kilometer langen Fußmarsch war die Autobahn im Weg.