Eine Untersuchung des Verkehrsclub Deutschland zeigt: In Stuttgart verschulden Radfahrer knapp die Hälfte der Unfälle selbst. Foto: dpa

In Stuttgart leben Radfahrer gefährlich. Doch die Hälfte der Unfälle verursachen sie selbst.

Stuttgart - Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat die Sicherheit im Radverkehr in deutschen Großstädten untersucht. Das Urteil zu Stuttgart fällt zwiespältig aus: zwar sinkt die Zahl der Verunglückten überdurchschnittlich. Es verunfallen aber noch immer mehr Radler als nach ihrem Anteil am Verkehrsaufkommen zu erwarten ist.

"Im deutschen Straßenverkehr verunglücken täglich rund 1000 Menschen, davon 192 Radfahrer", schickt der ökologisch ausgerichtete Interessenverband seiner aktuellen Studie voraus, die sich der Sicherheit der Pedaleure im Großstadtverkehr widmet. Im "Städtecheck 2011" analysierte der VCD, wie sich die Zahl der verunglückten Radfahrenden in 43 Städten mit über 100.000 Einwohnern im Zeitraum von 2005 bis 2010 entwickelte.

In 22 Städten sank die Zahl der Unfallopfer

Das Ergebnis liest sich zunächst positiv: Im Durchschnitt sank die Zahl der verunglückten Radfahrer im Fünfjahresmittel um 2,54 Prozent. Für mehr Aussagekraft gruppierte der VCD die einzelnen Städte um diesen Mittelwert. Mit einer grünen Ampel auf einer deutschlandweiten Sicherheitskarte wurden insgesamt 22 Städte markiert - dort sank die Zahl der Unfallopfer überdurchschnittlich.

Zu diesen Kommunen gehört neben Erfurt, Wiesbaden und Hamburg auch Stuttgart. Zwölf weitere Städte wie die Bundeshauptstadt Berlin erreichten eine Reduzierung der Verunglückten, blieben aber unter dem Durchschnitt.

"Radfahrer gehören zu den gefährdetsten Verkehrsteilnehmern"

Für neun Städte sieht der VCD akuten Handlungsbedarf: So liegen etwa München und Augsburg im roten Bereich, weil dort zuletzt mehr Radfahrer verunglückten als im bundesweiten Mittel.

Trotz dieser überwiegend positiven Tendenz bricht der VCD nicht in Jubel aus. "Radfahrer gehören zu den gefährdetsten Verkehrsteilnehmern", erläutert VCD-Bundesgeschäftsführerin Kerstin Haarmann, "sie verunglücken 2,3-mal so häufig, wie es ihrem Anteil am Verkehrsaufkommen entspricht." Erstaunlicherweise sinkt mit zunehmendem Radverkehrsanteil die Verunglücktenquote, so ein Ergebnis.

Die Hälfte der Unfälle verursachten Radler

 Die Hälfte der Unfälle verursachten Radler

Stuttgart, wo derzeit nur fünf Prozent aller Wege mit dem Drahtesel zurückgelegt werden, fällt dabei negativ auf. "Radfahren ist in der Schwabenmetropole gefährlicher als im bundesweiten Durchschnitt, der Faktor erreicht 2,5", sagt Anja Hänel, VCD-Referentin für Verkehrssicherheit. Zudem verunglückten in den beiden Vorjahren in Stuttgart jeweils zwei Radfahrer tödlich.

Fast die Hälfte der Unfälle (48 Prozent) verursachten die Radler selbst. "Dabei waren Vorfahrtmissachtung und Rotlichtverstöße die Hauptursache", so Hänel. Relativ häufig wurde auch die falsche Fahrbahn benutzt und unkorrekt abgebogen. Fahruntüchtigkeit, meist durch Alkoholgenuss ausgelöst, steht in der Statistik ebenfalls weit oben. So kamen im vergangenen Jahr in 81 Fällen Radler ohne Fremdeinwirkung zu Fall.

Fahrradfahrer werden bewusster wahrgenommen

Wie sicher radeln sein kann, zeigt laut VCD das Beispiel Oldenburg, wo der Radverkehrsanteil inzwischen sensationelle 43 Prozent erreicht hat. "Trotz des ständig steigenden Verkehrsanteils sank dort die Zahl der verunglückten Radfahrenden in den vergangenen fünf Jahren im Mittel um 6,36 Prozent", sagt Hänel. Bezogen auf den Radverkehrsanteil liege der Anteil verunglückter Radler an den Gesamtverunglückten bei 0,9.

"Damit scheint sich die These zu bestätigen, dass Fahrradfahrer im Stadtverkehr bewusster wahrgenommen werden, je mehr von ihnen unterwegs sind", vermutet die Referentin. Und dies, obwohl im Mittel der vergangenen fünf Jahre 52 Prozent der Unfälle in der niedersächsischen Metropole von Radlern verursacht wurden. Oldenburg gehört auch zu den 14 Großstädten, in denen im vergangenen Jahr kein Todesopfer unter den Radlern zu beklagen war.

"Radverkehrssicherheit ist kein Selbstläufer, denn häufig stößt die Radverkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen, wenn sich der Anteil der Radfahrer erhöht", sieht Hänel Handlungsbedarf in allen untersuchten Städten. Die Führung von Radverkehrsanlagen wie auch ihre Entwurfsqualität seien für das Unfallgeschehen entscheidend.