Raub der Flammen: Das Asylantenheim in Sillenbuch im August 2012 Foto: Peter-Michael Petsch

Das Amtsgericht hat den Prozess um den Brand des Asylheims in Sillenbuch vom August 2012 ans Landgericht verwiesen. Der Angeklagte könne auch des versuchten Totschlags an 33 Heimbewohnern schuldig sein, so die Begründung der Richterin.

Stuttgart - Als das Asylbewerberheim an der Kirchheimer Straße in Sillenbuch in den frühen Morgenstunden des 25. August 2012 in Flammen aufging, war das Entsetzen groß. Die Befürchtung, es könne sich um einen Brandanschlag mit fremdenfeindlichem Hintergrund handeln, bestätigte sich zur Erleichterung aller jedoch nicht. Auch war keine der damals in dem Haus befindlichen 33 Personen zu Tode gekommen. Jetzt hatte der Brand ein Nachspiel am Amtsgericht – und wird im kommenden Jahr ein weiteres am Landgericht Stuttgart haben.

Dramatische Szenen hatten sich an jenem Morgen abgespielt. Menschen sprangen auf der Flucht vor den Flammen aus Fenstern. Eine schwangere Frau seilte sich an Bettlaken ab. Neun Bewohner des Heims trugen Rauchgasvergiftungen, Brandverletzungen und Knochenbrüche davon. Das Gebäude wurde vollständig zerstört, das Nebengebäude durch Löschwasser stark beschädigt. Sachschaden: rund eine Million Euro plus weitere 100 000 Euro, die die Stadt für die Unterbringung der betroffenen Heimbewohner aufwenden musste.

Am Montag stand ein heute 43 Jahre alter Ex-Bewohner des Heims wegen fahrlässiger Brandstiftung und fahrlässiger Körperverletzung vor dem Amtsgericht. Der Mann soll damals gegen 5 Uhr mit einer Zigarette im Mund eingeschlafen sein – mit den bekannten schlimmen Folgen. Elif Kanat, die Verteidigerin des Mannes, stellt klar, ihr Mandant werde keine Angaben machen. Auch seine Partnerin, mit der er eine kleine Tochter hat, will nicht aussagen. Sie sei mit dem Angeklagten verlobt, sagt sie: „Seit drei bis vier Tagen.“ Staatsanwalt Peter Kraft glaubt zwar nicht an das Verlöbnis, kann aber nichts machen.

Anders sieht es beim zweiten Zeugen aus. Der 27-jährige ehemalige Zimmernachbar des Angeklagten will sich an so gut wie nichts mehr erinnern können. Bei der Polizei hatte er dagegen mehrfach ausgesagt, es habe zuerst im Zimmer des Angeklagten gebrannt, dann im ganzen Flur. Jetzt sagt der Zeuge, der Dolmetscher müsse sich damals geirrt haben, woraufhin Staatsanwalt Kraft ankündigt, ein Strafverfahren wegen Falschaussage gegen den Zeugen einzuleiten. „Ich bin überzeugt, dass Sie hier Unsinn erzählen“, so der Ankläger.

Eine weitere Zeugin bringt die überraschende Wende. Die Frau sagt, der Angeklagte habe ihr gestanden, für das Feuer verantwortlich gewesen zu sein. Mehr oder weniger deutlich jedenfalls. Er habe den Brand gelegt, um aus dem Heim rauszukommen.

Einzelrichterin Julia Unterberger geht in sich. Als sie den Prozess fortsetzt, wird der 43-Jährige vom gefeierten Lebensretter, als der er sich im Boulevard nach dem Brand hatte feiern lassen, endgültig zum mutmaßlich bösen Buben. Sie verweist den Fall ans Landgericht. Für die Richterin besteht hinreichender Tatverdacht, dass der Angeklagte das Feuer vorsätzlich, vermutlich mit einer Kerze, gelegt habe. Dadurch habe der 43-Jährige den Tod 33 Menschen billigend in Kauf genommen. Soll heißen: Der Mann steht im Verdacht, eine vorsätzliche Brandstiftung und versuchten Totschlag in 33 Fällen begangen zu haben. Er bleibt vorläufig weiterhin auf freiem Fuß.

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