Lieblich, harmonisch, samtig – und doch für manche Kunden ziemlich geschmacklos: der Khvanchkara-Rotwein aus Georgien mit Josef Stalins Konterfei auf der Flasche Foto: StN

In der Schweiz haben jüngst Bildnisse von Adolf Hitler und Benito Mussolini auf Kaffeesahne-Döschen Empörung ausgelöst. In Stuttgart regen sich jetzt Supermarktkunden über einen Wein mit Stalin-Porträt auf. Doch geschmacklos ist nicht immer gleich verboten.

Stuttgart - Es ist eine farbenfrohe Versammlung im Getränkeregal eines Cannstatter Supermarkts. Neben einem bunten Brausegemisch, dessen Etikett die Familie Feuerstein zeigt, steht das „Kinderpartygetränk“ Billy Blubb. Es folgen edle Flaschen eines georgischen Weines. Rote oder blaue Etiketten, die Aufschrift in mehreren Sprachen. Verziert wird das Ganze mit einem Bild von Josef Stalin – seines Zeichens früherer Diktator der Sowjetunion, Verantwortlicher für die Verhaftung und Hinrichtung von Millionen Menschen sowie zeitweise Paktierer mit Adolf Hitler.

„Meines Erachtens gehört das in unserem Land verboten“, sagt eine Kundin des russischen Supermarkts, die sich schon seit längerem an den Stalin-Etiketten stört. Es könne nicht sein, dass einen aus dem Getränkeregal eine Person anstarre, die für so viele Verbrechen verantwortlich gewesen sei. Das Personal des Ladens habe nicht einmal verstanden, auf was sie hinaus wolle, als sie sich beschwert habe, sagt sie.

Der sogenannte Khvanchkara-Wein aus Georgien galt, so wird es überliefert, als Lieblingswein Stalins. Daher die Abbildung auf den Flaschen mancher Hersteller. In der Heimat des Getränks gilt es als höchst umstritten, ob das Bildnis wirklich verkaufsfördernd oder auf viele Menschen eher abstoßend wirkt. In deutsche Supermarktregale haben es die außergewöhnlichen Flaschen dennoch geschafft. Der Tropfen sei „fein und lieblich“, habe überdies ein „angenehmes Bukett“ und einen „harmonischen samtigen Geschmack“, heißt es auf der fast zehn Euro teuren Flasche.

Ob das verboten ist, lässt sich gar nicht so ohne weiteres sagen. In Paragraf 86a des Strafgesetzbuches ist die Rede vom „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Dabei geht es um Fahnen, Abzeichen, Parolen, Grußformen oder Uniformen. Welche genau das sind, wird nicht genauer ausgeführt. Der Erklärungstext nennt lediglich das Hakenkreuz.

Selbst ein Hitler-Bildnis ist nicht automatisch verboten – nur dann, wenn es sich um „eine ikonenhafte Darstellung“ handelt. Sprich: verherrlichend oder heroisierend. Auch das Kopfbild von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß wird explizit erwähnt. Es ist grundsätzlich nicht verboten. Dafür aber das FDJ-Hemd der früheren DDR-Jugendorganisation. Stalin taucht bisher nicht auf. „Deshalb wird das von der Tendenz her erlaubt sein“, sagt Claudia Krauth, Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Sicher sagen könne man das aber „nur nach einer gerichtlichen Prüfung“. Für die gibt es aber derzeit keinen Anlass.

Die Stuttgarter Polizei hat häufig mit Anzeigen zu tun, in denen es um verbotene Symbole geht. Oft handelt es sich dabei um rechtsgerichtete Schmierereien etwa an Hauswänden. 26 solcher Fälle hat es im ersten Halbjahr 2014 gegeben, im selben Zeitraum des Vorjahres sind es 44 gewesen. „Die Zahlen pendeln immer ein wenig, da gibt es keine klare Tendenz“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Und: „Die Motive dafür bewegen sich zwischen einem rechtsradikalen Hintergrund und grobem Unfug.“ Doch in diesem Fall schützt auch Unwissenheit vor Strafe nicht.

Mit den schwereren Fällen ist der Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA) befasst. Vor zwei Jahren etwa haben die Experten dort die Filialen einer Billigmodekette unter die Lupe genommen, bei der Socken mit Hakenkreuzmuster aufgetaucht waren. „Solche Ermittlungen sind nicht einfach und mühsam“, sagt LKA-Sprecher Ulrich Heffner. Extremisten, die Verbote bewusst umschiffen wollten, schafften es immer wieder, sich in einer rechtlichen Grauzone zu bewegen. „Wir bekommen immer wieder solche Hinweise über die Polizeidienststellen oder das anonyme Hinweisverfahren“, so Heffner. Erhärteten sich die Verdachtsmomente, lege man die Fälle den Staatsanwaltschaften zur Prüfung vor.

Nach Einschätzung des LKA dürfte die Stalin-Flasche keine Konsequenzen nach sich ziehen. „Manches ist geschmacklos, aber nicht verboten“, sagt Heffner. Billy Blubb dürfte seinen Regalnachbarn also behalten.

Hintergrund

Ärger um zweifelhafte Produkte

Die Liste von Pleiten, Pech und Pannen besonders bei Verwendung von Nazi-Symbolen ist lang. Jüngst musste die Schweizer Supermarktkette Migros Prügel einstecken, weil eine Tochterfirma Kaffeesahnedöschen vertrieben hatte, auf deren Deckel – in der Schweiz beliebte Sammlerstücke – historische Motive unter anderem mit den Konterfeis von Adolf Hitler und Benito Mussolini zu sehen waren. Die Sache fiel erst auf, als sich ein Kunde massiv beschwerte. Migros entschuldigte sich daraufhin, zog die Produkte aus dem Verkehr und kündigte die Geschäftsbeziehungen mit dem Hersteller der Deckel auf.

In diesem Frühjahr bekam ein großes Möbelhaus in Nordrhein-Westfalen Ärger mit dem Staatsschutz. Es hatte – nach eigenem Bekunden ohne davon zu wissen – in vier Filialen insgesamt 5000 Tassen im Angebot, auf denen auch eine verblasste Briefmarke mit Hitler-Porträt und Hakenkreuzstempel zu sehen war. Bestellt worden waren die Tassen in China. 175 davon gingen über die Ladentheke. Das Möbelhaus bot an, sie gegen einen Gutschein zurückgeben zu können, die anderen 4825 Stück wurden vernichtet. Auch das Möbelhaus bedauerte öffentlich das Missgeschick.

Selbst die Modewelt ist vor Diskussionen nicht sicher. Die Kette Mango geriet zuletzt mit einer Damenbluse in die Kritik. Offiziell hieß das Kleidungsstück „Hemd mit Blitzmuster“, doch viele Betrachter sahen darin große Ähnlichkeit mit der Siegrune, einem Symbol, das viele rechtsextreme Gruppen nach wie vor verwenden. In den vergangenen Monaten hatte auch das spanische Label Zara gleich mehrfach Aufregung ausgelöst – erst mit einem Kinder-T-Shirt, das stark an die Kleidung von KZ-Häftlingen erinnerte, dann mit einer Handtasche, auf der ein Hakenkreuz zu sehen war. Die Ketten nahmen die Artikel schließlich aus dem Sortiment. Verbunden mit dem Hinweis, die Ähnlichkeiten seien unabsichtlich und ein bedauerliches Versehen.

Ein besonders bizarrer Fall hat sich in der Region Stuttgart zugetragen. Der Betreiber der Winnender Firma Nix-Gut musste sich 2006 vor dem Landgericht Stuttgart verantworten, weil er T-Shirts und andere Produkte mit durchgestrichenem Hakenkreuz verkauft hatte. Er wurde zu einer Geldstrafe wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Das Urteil löste bei Politik und Strafrechtlern große Empörung aus. Der Fall ging bis vor den Bundesgerichtshof, der den Mann 2007 frei sprach. Seitdem ist rechtlich klar, dass in Deutschland das Tragen und Verkaufen solcher antifaschistischer Symbole erlaubt ist. (jbo)