Das Verfahren könnte schneller beendet werden, als zunächst erwartet. Foto: Archiv (dpa/Britta Pedersen)

Ein Sachverständiger hat im Verfahren um eine Bande von Autodieben deren Vorgehensweise erklärt.

Murr - Das dreiste Vorgehen organisierter Autoknackern hat am Montag ein Sachverständiger für Elektronik des Landeskriminalamtes im Verfahren um schweren Bandendiebstahl vor dem Landgericht Heilbronn erläutert. Die Prozessbeteiligten erfuhren am Montag, dem zweiten Verhandlungstag, Details zu der sogenannten Funkverlängerung, die vor allem bei Audi-Fahrzeugen eingesetzt wird, sowie des sogenannten Anlernens eines neuen Schlüssels, das Kriminelle bei Mercedes Sprintern anwenden. Zugleich zeichnet sich ab, dass es ein unerwartet kurzer Prozess werden könnte.

Das umfangreiche Verfahren gegen die sechs Angeklagten, das die Kammer bis Ende November terminiert hat, könnte nach dem Willen aller Prozessbeteiligten zügig beendet werden. Dazu fanden nun zwei Mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit sogenannte Verständigungsgespräche statt, bei der die Vorstellungen über das Strafmaß jedoch weit auseinander lagen. Zum Abschluss des zweiten Verhandlungstages legte die Kammer dann ihre Vorstellungen dar – vorausgesetzt, die Angeklagten legen Geständnisse ab.

Laut Anklage haben die Männer im Alter zwischen 25 und 35 Jahren ihren Lebensunterhalt mit dem Diebstahl hochwertiger Fahrzeuge in Deutschland bestritten, die sie nach Polen schafften. Dabei gingen sie arbeitsteilig bundesweit ans Werk, besonders aktiv wurde die Bande 2019 im Landkreis Heilbronn, aber auch in Murr, wo die Diebe bei einem Mercedes Sprinter die Fahrertür aufbrachen und mit neuem Zündschlüssel wegfuhren.

Das sogenannte Anlernen eines neuen Schlüssels ist dem Sachverständigen zufolge wesentlich zeitintensiver als die Funkverlängerung. Im Murrer Fall brachen die Täter brachial die Fahrertür auf, bauten das Zündschloss aus und entfernten sich vom Fahrzeug. „Mit Hilfe einer Adapterplatte und dem ausgebauten Schloss starteten die Diebe eine Software, um die Daten des Schlosses auszulesen und ein neues Passwort zu finden“, so der LKA-Mann im Gerichtssaal. „Anschließend programmieren sie einen mitgebrachten Schlüsselrohling.“ Danach kehren die Täter zum Fahrzeug zurück, bauen das Zündschloss wieder ein und können es mit dem neuen Schlüssel wegfahren.

Dieser Vorgang dauere alles in allem etwa eine halbe Stunde. Allerdings sind die Kriminellen bei diesem Vorgehen im Besitz eines Autoschlüssels und können das Fahrzeug verkaufen.

Im Gegensatz dazu dauert ein Aufbruch von Autos mit Keyless-Systemen nur wenige Sekunden: Die mindestens zwei Täter brauchen lediglich eine Art kleines Funkgerät und ein schwarzes Brett mit einer Antenne im Inneren. Diese kann das Funksignal eines Autoschlüssels auch durch eine Häuserwand auffangen. Ein Täter fängt das Signal des Schlüssels auf und verlängert es zum Funkgerät des zweiten Täters direkt an der Autotür. Der drückt den Startknopf und kann sich aus dem Staub machen. Läuft der Motor einmal, bleibt er auch ohne Schlüssel so lange in Betrieb, bis er abgestellt wird oder der Sprit ausgeht.

Die Ermittler wunderten sich seit Ende 2018 über einen massiven Anstieg von nächtlichen Autodiebstählen, immer nahe der Autobahn. Ende Oktober 2019 konnte die Polizei das Auto eines Täters ausmachen. Kurze Zeit später nahmen sie die ersten vier Männer fest. Weil die übrige Gruppe ihren ‚Geschäften‘ munter weiter nachging, klickten nur wenige Wochen später bei zwei weiteren Tatverdächtigen die Handschellen. Der Prozess wird am 19. Oktober fortgesetzt.