Artistische Einlagen im Keller des Jugendhauses Cann Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Stuttgart wäre ohne Vereine deutlich ärmer. Das betonte kürzlich Stadtjugendring-Geschäftsführer Rainer Mayerhoffer im Interview mit unserer Zeitung. Allerdings: Um Gemeinsamkeit zu erleben, braucht es Räume. Wo die Defizite liegen, will unsere Serie beleuchten. Zum Auftakt geht’s ins Cann.

Stuttgart - Der Besen gehört zum Inventar des etwa 30 Quadratmeter großen Raumes im Keller des Jugendhauses Cann. Und er kommt immer zum Einsatz, bevor der Boden dienstags gründlich geschrubbt wird. Dann bringen ihn die Breakdancer des Vereins Hip-Hop-Kultur durch ihre artistischen Powermoves (das Rotieren auf einer Körperstelle) auf Hochglanz.

An diesem Abend sind es 15 Jugendliche, die sich im Cann treffen und ihre Kreisel drehen. Eigentlich sind es zu viele für diesen kleinen Raum, um diese Tanzform der Hip-Hop-Bewegung richtig trainieren zu können. „Aber das ist nur ein Problem“, seufzt Nadja Nonnenmann (33), die so etwas wie das Faktotum des Vereins ist.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Der Verein Underground Soul Cypher und die Breakdancer der Hip-Hop-Kultur Stuttgart sind froh, dass sie überhaupt einen Probenraum gefunden haben. Zudem ist Darko Veric, der technische Leiter des Jugendhauses Cann in Bad Cannstatt, ein patenter Kerl. Er hilft jeder Gruppe, die sich bei ihm trifft, so gut er kann. Aber er kann eben nicht das bieten, was viele wünschen: eine feste Heimat. Dabei geht es nicht nur um das Gefühl, zu wissen, wo man hin gehört. Die Hip-Hopper haben auch keine Wimpel oder Pokale, die sie unbedingt in einem Regal aufstellen möchten. „So ein Clubraum ist für viele einfach wie ein zweites Zuhause, wie ein Wohnzimmer, in dem sich die Familie trifft“, sagt Nadja Nonnenmann.

Die praktische Seite, die ein „fester Wohnsitz“ hätte, verschweigt sie nicht: Oft ist ein provisorischer Raum belegt, in den Ferien kann man gar nicht rein. Und wenn es am Trainingsabend mal länger geht, sind die Möglichkeiten auch begrenzt. Schön wäre freilich auch ein Plätzchen für einen Computer, an dem man die Vereinsverwaltung erledigt. Dass keine Umkleidemöglichkeiten da sind, beklagt schon lange keiner mehr. Jungs und Mädchen ziehen sich gemeinsam im Stehen um und legen ihre Klamotten auf den Boden. „Die Bedingungen sind suboptimal. Wir suchen einen Spot, den wir nicht teilen müssen“, sagt Nadja Nonnenmann.

Dahinter steckt jedoch mehr als nur die Suche nach besseren Trainingsmöglichkeiten. Sie will auch dem Lebensgefühl der Hip-Hop-Szene einen festen Platz in der Stadt geben. Sie und die übrigen Vereinsmitglieder verfolgen ein großes Ziel: Stuttgart soll wieder an die glanzvollen Tage des Hip-Hop anknüpfen. „In den 1980ern war Stuttgart der Nabel der deutschen Hip-Hop-Welt. Wir wollen nicht, dass die Szene vollkommen ausstirbt, sondern wieder ein Hip-Hop-Olymp wird“, sagt Nadja Nonnenmann.

Im Verein sind sie heute noch „stolz auf Leute wie Max Herre, der in Stuttgart groß wurde“. Aber mindestens genau so traurig sei, dass solche „Koryphäen nicht mehr da sind“. Städte wie Mannheim oder München hätten Stuttgart längst überholt – von Berlin gar nicht zu reden. „Jeder kocht in Stuttgart sein eigenes Süppchen, aber mit einem neuen Zentrum könnten wir die Szene vielleicht wieder vereinen“, sagt Nadja Nonnenmann.

Um das Aussterben der Hip-Hop-Szene zu verhindern, wäre ein fester Clubraum die Basis. Aber er wäre auch notwendig, um den Nachwuchs zu binden. Und so etwas gelänge nach Ansicht von Nadja Nonnenmann vor allem über regelmäßige Veranstaltungen. Sie denkt an Workshops, Jam-Sessions, Fusion-Veranstaltungen oder Wettkämpfe, die bei den Breakdancern Battles (Schlachten) heißen.

Was etwas martialisch klingt, bedeutet im Verein Hip-Hop-Kultur das Gegenteil: „Es geht nicht nur um Wettkampf und Konkurrenz, sondern auch darum Gemeinschaft zu haben und gegenseitigen Respekt zu lernen.“ Gerade beim Breakdance würden Jugendliche aus allen Milieus und Bezirken der Stadt, „Schlüsselfunktionen für den Alltag lernen“, glaubt Nadja Nonnenmann, die ihre Brötchen als Sozialpädagogin verdient. Nicht zuletzt dafür sei die Kultur der Hip-Hoper sehr gut geeignet. Denn der Leitspruch der Szene lautet: peace, love and having fun. Übersetzt: Friede, Liebe und Spaß haben.

Einen Heidenspaß hätten die Breakdancer ganz sicher, wenn es dem Stadtjugendring gelänge, den Gemeinderat von der Notwendigkeit eines neuen Jugendverbandshauses für viele Vereine zu überzeugen. „Das wäre eine tolle Sache“, sagt sie, „aber so lange wollen wir eigentlich nicht warten.“