Verlieren Briefmarken aus fernen Ländern durchs Internet an Reiz? Foto: dpa

Willst du meine Briefmarkensammlung sehen? Immer weniger Menschen haben eine. Deshalb treffen sich die Philatelisten der Filder fortan nicht mehr in Degerloch. Und auch die Tauschabende in Hohenheim wackeln.

Filder - Die Zeiten hätten sich eben geändert, meint Dieter Jarausch, Vorsitzender der Briefmarkensammlergruppe Stuttgart Hohenheim. „Die jungen Leute interessieren sich für viele Dinge, nur nicht für Briefmarken“, sagt Jarausch. Der Philatelist klingt ein wenig fatalistisch, so als würde er sich in ein Schicksal fügen, das niemand mehr abwenden könnte. Er schätzt, dass schon in zwei Jahren die Auflösung der Briefmarkensammlergruppe anstehen könnte.

In Degerloch ist bereits im kommenden Jahr Schluss mit den Tauschabenden im Treffpunkt Degerloch an der Mittleren Straße. Schuld sei aber nicht die Treppe vor dem Eingang. Sie wurde vor einigen Jahren als Hindernis für Rollstuhlfahrer und in der Mobilität eingeschränkte Senioren erkannt. Neben dem fehlenden Brandschutz war der nichtbehindertengerechte Zugang zum Treffpunkt Degerloch auch Anlass für Diskussionen, den Standort aufzugeben und im Zuge der Umgestaltung des Agnes-Kneher-Platzes ein neues Bürgerzentrum zu schaffen. Mit der steilen Treppe hätten die beiden verbliebenen Degerlocher Briefmarkensammler kein Problem gehabt, betont der Vorsitzende der Sammlergruppe. „Es geht darum, dass es einfach zu wenige sind, um noch Tauschabende zu veranstalten“, meint Jarausch.

Junge Mitglieder fehlen

Die Herausforderung für die Philatelisten sei dieselbe wie für andere Vereine, erklärt er. Aufgrund des demografischen Wandels gebe es immer weniger Nachwuchs, während die verbliebenen Mitglieder immer älter würden, meint der Vorsitzende der Gruppe. Gleichzeitig hätte sich das Freizeitverhalten geändert. Immer weniger Menschen würden sich für das organisierte Vereinsleben interessieren, sagt er.

Jarausch ist überzeugt, dass das Briefmarkensammeln auch noch aus einem anderen Grund eine Leidenschaft für Ältere sei. „Als ich jung war, waren die Briefmarken aus fernen Ländern so etwas wie ein Tor zur weiten Welt. Heute ist das nicht mehr so“, sagt er. Jarausch verweist auf die Möglichkeiten, auch weit entfernte Länder zu bereisen. Außerdem sei heute dank des Internets die ganze Welt gefühlt nur einen Klick entfernt. Deshalb habe die Philatelie ihren Reiz verloren, meint er.

Getauscht wird im Internet

Ob mit dem von ihm angenommenen Ende der organisierten Philatelie auch das Hobby aussterben werde, ist für ihn dennoch nicht sicher. „Menschen, die gerne etwas sammeln, wird es immer geben“, sagt er. Jarausch vermutet aber, dass die Tauschbörsen sich ins Internet verlagern werden. Das Briefmarkensammeln könnte so ein Stück weit anonymer werden.

Nicht ganz so pessimistisch in Bezug auf die Zukunft der Briefmarkensammlervereine ist Reinhard Küchler, Geschäftsführer des Bundes Deutscher Philatelisten. Im Moment seien 34 000 Menschen in Deutschland in Philatelie-Vereinen Mitglied. „Sie kommen aus allen Alters- und Berufsgruppen, allerdings sind es meist Männer“, meint Küchler. Er erkennt zwar gleichfalls eine Abnahme der Mitgliederzahlen bei den Vereinen. Diese sei und werde auch in Zukunft nicht existenziell sein, ist er sicher. Insgesamt würde oft zu schwarzgemalt, wenn es um die Zukunft des Vereinslebens in Deutschland gehe. „Immer noch sind fast die Hälfte der Deutschen Mitglied bei einem Verein“, sagt er.

Dass das Briefmarkensammeln in Zeiten der Globalisierung den Sinn verloren habe, das Fernweh zu stillen, glaubt er auch nicht. Nur weil Menschen heute überall hinreisen könnten, sei es nicht weniger reizvoll, Briefmarken aus fernen Ländern zu besitzen. Er selbst sammle Briefmarken aus Angola. Natürlich könne er irgendwann mal das afrikanische Land besuchen. „Was wird das dann aufregend, wenn ich dort auf das Hauptpostamt gehe“, sagt Küchler.