Das Autodafé im dritten Akt Foto: Matthias Baus

An der Staatsoper Stuttgart inszeniert Lotte de Beer Verdis „Don Carlos“ als Dystopie einer von Macht zerfressenen Gesellschaft. Kein Charakter, keine Szene bleibt ungebrochen. Rettung: unmöglich. Cornelius Meister sorgt kundig für den musikalischen Zusammenhang des fast fünfstündigen Abends.

Stuttgart - Wie niedlich diese Kinder sind! Ganz weiß sind sie gekleidet, und auf der leer geräumten Bühne spielen sie versunken mit einer Puppe. Dazu erklingt Musik, die sonst bei Aufführungen von Giuseppe Verdis Oper „Don Carlos“ meist gestrichen wird: das Ballett, das der Komponist den Konventionen entsprechend für die Pariser Oper schrieb; Klänge mit Solo-Violine, die so hübsch und so dekorativ sind, dass sie zu dem grausigen Stück um einen Außenseiter und um die tödlichen Mechanismen der (politischen) Macht gar nicht passen wollen. Der Generalmusikdirektor Cornelius Meister dirigiert das Stück mit einem Lächeln im Gesicht, und wenig später weiß man, warum. So wie in Verdis Oper auf die Tütü-Idylle der Tod in Form eines mächtigen Autodafés, also eines öffentlichen Inquisitionsprozesses, folgt, so wird in der Stuttgarter Inszenierung von Lotte de Beer aus dem Spiel blutiger Ernst. Die Kinder zünden die Puppe an. Und dazu dirigiert Meister nicht Verdi, sondern die 2013 uraufgeführte „Pussy-(r)-Polka“ des österreichischen Komponisten Gerhard Winkler, die (als Reverenz an die politischen Aktionen der russischen Pussy-Riot-Punkband) Material aus Verdis Ballettmusik in wilde Cluster weitet und mit Pfeifen und Schlagwerk garniert.