Wer einen solchen Ventilwächter am Autoreifen hat, sollte nicht losfahren. Foto: dpa

Wer seine Schulden bei der Stadt nicht bezahlt, wird mit platten Reifen bestraft – manche Kommunen nutzen so genannte „Ventilwächter“, um ihre Schuldner zur Zahlung zu bewegen. Stuttgart verzichtet.

Stuttgart/Willich - Wer in manchen Städten seine Schulden nicht bezahlt, dem kann schnell die Luft ausgehen – und zwar aus den Autoreifen. Denn mehrere Kommunen gehen mit sogenannten „Ventilwächtern“ gegen säumige Schuldner und Beitragszahler vor. Warnhinweise pappen auf den Scheiben, ein Pfandsiegel klebt am Schloss und eine Mahnung liegt im Briefkasten des Fahrzeughalters. Doch die eigentliche Drohung ist ein gelber, mit Schloss gesicherter Stöpsel unten am Autoreifen, genauer: auf dem Ventil. Der sorgt dafür, dass dem Reifen während der Fahrt binnen 600 Metern nach und nach die Luft entweicht.

Die Ventilaufsätze werden in Deutschland bereits seit über zehn Jahren gegen Schuldner eingesetzt, wenn Mahnungen und Zahlungsaufforderungen nicht gefruchtet haben. Eigentlich sind die drastisch anmutenden „Ventilwächter“, wie auf der Internetseite des Herstellers nachzulesen ist, als Diebstahlschutz gedacht, sie stellen aber eine handlichere Alternative zu den bekannten sperrigen Parkkrallen dar.

Bewährte Vollstreckungsmethode

„Das ist eine bewährte Vollstreckungsmethode“, sagt eine Mitarbeiterin der Stadt Willich in Nordrhein-Westfalen, die damit als letztes Mittel Rundfunkbeitrags-Muffel zum Zahlen auffordert. In den meisten Fällen würden die Schuldner aber vorher bezahlen. In Frankfurt/Oder wurden 2014 so 20 Fahrzeuge mit den Sperren blockiert und gepfändet. Das passiere ein- bis zweimal im Monat, „Tendenz steigend“, sagt Kassenverwalter Steffen Wenzek.

Die Stadt Stuttgart verzichtet auf Wegfahrsperren wie den Ventilwächter oder auch die Parkkralle. Das sei zu aufwendig, sagt Sven Matis, Leiter der Pressestelle. „Vielmehr wird gepfändet, und zwar durch Anbringen des Pfandsiegels und Entfernung des Kfz-Kennzeichens.“ Eine andere Methode sei, das Fahrzeug ganz abzuschleppen. Von der Einzugsstelle für Rundfunkgebühren, so Matis, sei die Landeshauptstadt bisher nicht ersucht worden. Und das hat auch einen Grund: „In Baden-Württemberg werden von der Einzugsstelle der Rundfunkbeiträge flächendeckend die Gerichtsvollzieher beauftragt“, sagt Reinhard Roschka, Geschäftsführer des Landesverbands Baden-Württemberg vom Deutschen Gerichtsvollzieher Bund . Dass in der Praxis der Ventilwächter zum Einsatz komme, davon habe er noch nichts gehört. „Vor einigen Jahren war mal die ‚Parkkralle’ im Gespräch.“ Er kenne im Land aber keinen Kollegen, der derartige Instrumente einsetze.

ADAC sieht Gefährdung für den Straßenverkehr

Ein fesseln des Pkw in der Parkbucht oder ähnliches sei ohnehin Unfug, so Roschka. Das Fahrzeug zu pfänden und sicherzustellen, sei die bessere Variante – „konsequent und rechtssicher“. Zumal er Maßnahmen wie den Ventilwächter als gefährdend für den Straßenverkehr einschätzt. Wie auch der ADAC: „Das Fahrzeug könnte beispielsweise mitten auf einer großen Kreuzung liegen bleiben oder als Folge der platten Reifen von der Straße abkommen.“

Als letztes Mittel könne, erklärt Christian Janeczek vom Deutschen Anwaltverein (DAV), das Auto gepfändet werden. Dann werde entweder eine Parkkralle oder ein sogenannter Ventilwächter angebracht. „Schuldner müssen das hinnehmen, wenn eine rechtskräftige Forderung gegen sie besteht“, erläutert der Rechtsanwalt. In diesem Fall helfe nur noch bezahlen. Besser sei, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen.

Briefe nicht ignorieren

Dass die Deflatoren in Zukunft verstärkt wegen offener Rundfunkbeiträge zum Einsatz kommen könnten, liegt an der gestiegenen Zahl der Zahlungsverweigerer. 2014 baten die Rundfunkanstalten fast 891 000 Mal um Amtshilfe der zuständigen Vollstreckungsbehörden – ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um 27 Prozent. 2013 waren es noch knapp 701 000 solcher Ersuchen.

Wichtig und ratsam sei es, wie Christian Greuel vom Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio sagt, sich auf Schreiben des Beitragsservice zu melden und die Briefe nicht zu ignorieren.

Mit welchen Mitteln die Vollstreckungsbehörden die Gebühren eintreiben, darauf haben die Rundfunkanstalten keinen Einfluss. Wer eine Forderung nicht bezahlen könne, solle auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken, rät Rechtsanwalt Janeczek: „Spätestens, wenn der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, sollten Schuldner mit ihm zusammenarbeiten.“ Möglich sei beispielsweise, Ratenzahlungen zu vereinbaren, wenn eine Forderung zu hoch sei.