Mit Gespür für Amerikas schlimmste Instinkte: Donald Trump beim Wahlkampf in Florida Foto: GETTY

In wenigen Jahren geraten die Weißen in die Minderheit – zum ersten Mal in der Geschichte der USA. Der Populist Trump baut seine Wahlstrategie auf der Verunsicherung vieler weißer US-Bürger auf.

Stuttgart/Washington - Mit seinem untrüglichen Gespür für Amerikas schlimmste Instinkte hat der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump in seinem Wahlkampf von Anfang an auf Fremdenfeindlichkeit gesetzt: Früh behauptete er etwa, Mexiko zerstöre im Zuge des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta nicht nur die Arbeitsplätze vieler US-Arbeiter, sondern schicke auch Drogenhändler und Vergewaltiger über die Grenze. Warfen ihm Kritiker Rassismus vor, erwiderte er stets, dass er spanischsprachige Einwanderer durchaus mag. Und die Latinos diese Zuneigung erwidern würden. Seine Anhänger aber hörten, was sie hören wollten.

Trumps Demagogie, die auf ethnische Spaltung angelegt ist, fällt bei vielen weißen US-Bürgern auf fruchtbaren Boden. Denn das Land steckt mitten in einer dramatischen Umwälzung der Bevölkerung: Die alternde weiße Mehrheit ist dabei, bis um das Jahr 2045 in die Rolle der Minderheit zu rutschen.

Für ein Land, in dem vom ersten Präsidenten George Washington Ende des 18. Jahrhunderts bis zu Ronald Reagan in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts Einwanderer europäischer Abstammung mit 80 bis 90 Prozent die übergroße Mehrheit bildeten – ein Wandel, der viele Weiße zutiefst verunsichert. Schon seit vergangenem Jahr sind weiße Kinder unter fünf Jahren in der Minderheit: Laut US-Volkszählungsbehörde lag bei den 20 Millionen Kindern unter fünf der Anteil der nicht-weißen 2015 zum ersten Mal bei 50,2 Prozent.

Gegen den raschen Kulturwandel

Ein Beispiel für die Verunsicherung vieler Weißer: Das Ehepaar Brent und Lesley Harger im Washoe County rund um Reno im Wüstenstaat Nevada – eine der politisch am meisten umkämpften Gegenden in einem wichtigen US-Wechselwählerstaat. Die Hargers haben seit Jahren wirtschaftlich schwer zu kämpfen: Wegen Rückenbeschwerden kann der 57-Jährige Brent nicht mehr als Mechaniker arbeiten. Ihre Söhne, 28 und 30, leben noch zuhause. Die Kinder durchs College zu bekommen und auskömmliche Arbeit zu finden, ist den Hargers nicht leicht gefallen.

Dem öffentich-rechtlichen US-Sender NPR erzählt das Ehepaar, dass sie mit Trumps drakonischer Anti-Einwanderungspolitik voll einverstanden sind. Denn den schnellen Kulturwandel um sie herum lehnen sie zutiefst ab. Brent Harger hilft den Trump-Leuten in Reno sogar beim Wahlkampf.„Hier tauchen immer mehr ethnische Minderheiten auf“, sagt die 59-Jährige Lesley. Es sei ja in Ordnung, dass so viele Ausländer kämen. Sie müssten sich aber einfügen. „Kommt nicht nur her, um abzustauben“, fordert sie von den Migranten. Die Hargers befürchten vor allem, dass die Einwanderer gebürtigen US-Bürgern die Jobs wegschnappen. Seit 1980 hat sich der Ausländeranteil in Reno mehr als verdoppelt. Der Anteil der Latinos wuchs sogar noch stärker – von fünf auf 25 Prozent.

Die Furcht davor, Fremder im eigenen Land zu werden, erklärt, dass in den republikanischen Vorwahlen 13 Millionen weißer Amerikaner für Trump gestimmt haben. Trotzdem: In einem rassisch und ethnisch immer bunteren Amerika galt es eigentlich auch unter republikanischen Wahlstrategen seit der Wahlniederlage Mitt Romneys gegen Barack Obama 2012 ausgemacht, dass Präsident nur noch werden könne, wer auch für Minderheiten wenigstens ein wenig Anziehungskraft besitzt.

Wahlarithmetik auf den Kopf gestellt

Insbesondere für die Latinos, mit knapp 60 Millionen Menschen, die größte Minderheit in den USA. Daher die anfängliche Begeisterung für Jeb Bush, dessen Frau Mexikanerin ist, und später für Floridas jungen Senator Marco Rubio, dessen Eltern aus Kuba stammen. Doch am Ende kürten die Republikaner Trump, den die Latinos zu 87 Prozent ablehnen. Der Milliardär stellte die Wahlarithmetik des Republikaner-Establishments auf den Kopf. Seine Überlegung: Wähler und Bevölkerung sind zwei Paar Stiefel. Selbst 2012, als die Minderheiten in Rekordzahl für Obama an die Urnen strömten, war die Wählerschaft insgesamt so weiß, wie die USA vor 20 Jahren. Die Demografen Ruy Teixeira, Rob Griffin und Bill Frey errechneten: Sollte es Trump und den Republikanern gelingen, die Beteiligung weißer Wähler um fünf Prozent zu steigern – bei konstanter Wahlbeteiligung der übrigen Gruppen – könnten die US-Konservativen noch bis 2024 im Wahlmännerkollegium die Mehrheit erringen. Schwierig, aber keineswegs unmöglich.

Neueren Studien zufolge liefern Rasse und Religion einen zuverlässigen Rückschluss darauf, ob Wähler Trump unterstützen oder ablehnen. Nach all seinen Beleidigungen gegen dies Gruppen kaum überraschend, lehnen ihn eine Mehrheit der Schwarzen, Latinos, Juden, Muslime oder Atheisten vehement ab. Die Einkommenshöhe ist indes weniger wichtig. Die Meinungsforscher von Gallup fanden auch heraus, was bei Anhängern Trumps – ganz ähnlich wie in Ostdeutschland – viel wichtiger ist: Sie haben wenig bis gar keine Erfahrung mit Menschen anderer ethnischer Gruppen.