Der Angeklagte schützt sich beim Betreten des Saals vor den Blicken der Zuschauer. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Auf der Grundlage des Paragrafen gegen verbotene Straßenrennen wird der Jaguar-Raser zu einer Jugendstrafe verurteilt. Nach dem Ende der Haft ist sein Führerschein für vier Jahre gesperrt.

Stuttgart - Weder Mord noch fahrlässige Tötung sieht die 4. Jugendkammer des Stuttgarter Landgerichts in dem Raserunfall vom 6. März, der zwei Menschen das Leben kostete. Stattdessen erkannten die Richterinnen einen Fall, wie ihn der noch junge Paragraf 315 d, der vor allem auf illegale Straßenrennen abzielt, abdeckt. Der Angeklagte wurde zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren wegen verbotenen Straßenrennens verurteilt. Im Anschluss an die Haftzeit ist seine Fahrerlaubnis für vier Jahre gesperrt, auch das verfügte die Kammer.

Das Urteil ist bundesweit das erste dieser Art: Noch nie fand der Paragraf auf einen vergleichbaren Fall Anwendung.

Der 21-jährige Stuttgarter Mert T. war wegen Mordes angeklagt, weil er am 6. März dieses Jahres an der Rosensteinstraße mit mehr als Tempo 160 einen Unfall verursachte, bei dem ein junges Paar starb. Er verlor die Kontrolle über einen gemieteten Jaguar, der 550 PS stark war.

Unser Gerichtsreporter George Stavrakis zieht nach der Urteilsverkündung Bilanz:

Der noch junge Paragraf gegen Straßenrennen ist die Grundlage

Der Bezug auf den Renn-Paragrafen bedeutet nicht, dass der Fahrer sich mit jemandem direkt gemessen haben muss. Die Vorsitzende Richterin Cornelie Eßlinger-Graf begründete ausführlich, dass sich das Urteil auf den dritten Absatz des Paragrafen beziehe. Dieser besagt, dass „Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“, mit zu Haftstrafen oder Geldstrafen verurteilt werden können. Die Kammer sah diesen Tatbestand als erfüllt an. Eßlinger-Graf betonte, dass sie das kurz und knapp auch als „hirnlose Raserei“ bezeichnen würde. Der Angeklagte hatte wenige Sekunden vor dem tödlichen Unfall das Gaspedal voll durchgedrückt. Ein paar Stunden zuvor war er mit Tempo 270 über die Autobahn gerast – einhändig, denn die andere brauchte er, um sich dabei mit dem Handy zu filmen. Sich und die Tachoanzeige.

Den Mordvorwurf, den die Staatsanwaltschaft erhoben hatte, sah die Kammer nicht bestätigt. Man habe nicht gesehen, dass der 21-jährige Fahrer, der beim Unfall noch 20 Jahre alt war, den Tod anderer billigend in Kauf genommen habe.

Die Eltern der 22-jährigen Jaqueline und des 25-jährigen Riccardo, die bei dem Unfall ums Leben kamen, brachen bei dem Schuldspruch in Tränen aus. Von einer Befriedung könne man trotz des vergleichsweise harten Urteils nicht sprechen, sagte Riccardos Vater nach dem Ende der Verhandlung. „Aber wir haben sowieso schon verloren. Damals, am 6. März, da haben wir verloren. Kein Urteil bring uns die Kinder zurück“, fügte er noch hinzu.

Sehen Sie im Video erste Stimmen nach der Urteilsverkündung: