Ein Vater ist ausgerastet und hat seine Tochter geschlagen. Dafür muss er in Haft. Foto: dpa-Zentralbild

Frust, Übermüdung, Ärger: Ein Mann rastet im November 2017 aus, und er schlägt auf seine kleine Tochter ein. Dafür muss er nun für zwei Jahre und neun Monate hinter Gitter, wie das Amtsgericht urteilte.

Ludwigsburg - Sein Verteidiger nannte es „Augenblicksversagen“, die Staatsanwaltschaft bewertete die Tat hingegen als „gefährliche Misshandlung Schutzbefohlener“. Recht bekam am Ende die Vertreterin der Anklage, deren Sichtweise die Richterin am Amtsgericht in Ludwigsburg am Mittwoch bestätigte, und die den 26 Jahre alten Angeklagten deshalb zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilte. Der Mann hatte im November des vorigen Jahres seine damals zweieinhalb Jahre alte Tochter fast zu Tode getreten und geschlagen.

Frust und Übermüdung lassen ihn ausrasten

Vorausgegangen war in der Wohnung des 26-Jährigen in Ludwigsburg ein an sich banaler Streit mit seiner damaligen Lebensgefährtin, der Mutter des Kindes, wie in der Verhandlung klar wurde. Bereits am Vorabend war es zu Spannungen zwischen der 20-Jährigen und ihm gekommen, beide hatten deshalb kaum geschlafen. Das Ganze eskalierte schließlich am nächsten Tag in den frühen Morgenstunden, als der Mann wegen einer unauffindbaren Fusselbürste die Fassung verlor, seine Partnerin würgte und schlug. Weil dies nicht zum ersten Mal geschah, beschloss die Frau, sich endgültig von ihm zu trennen und schlich aus der Wohnung. Die gemeinsame Tochter ließ sie in deren Bettchen zurück, den einzigen Wohnungsschlüssel und etwas Geld nahm sie allerdings mit. „Ich hatte Angst, dass er mich einsperrt und wollte nur zur Polizei gehen, damit die mir hilft, später meine restlichen Sachen und mein Kind aus der Wohnung zu holen“, sagte die Frau aus. Bedenken, dass ihr Partner der Kleinen während ihrer Abwesenheit etwas antun könnte, habe sie keine gehabt. „Er war sonst eigentlich immer ganz lieb zu ihr, obwohl er sie damals gar nicht haben wollte, als ich schwanger war.“

Das Kind hatte laut einer Medizinerin viel Glück

Die junge Frau sollte mit ihrer Einschätzung falsch liegen. Die Schilderungen dessen, was sich dann in der Wohnung an jenem Novembertag abspielte, war für die Zuhörer im Gerichtssaal nicht immer leicht zu ertragen: Irgendwann am frühen Nachmittag hob der Mann den Ermittlungen zufolge das Kind, das wohl friedlich in seinem Bettchen stand, heraus, und schlug es mehrmals ins Gesicht und gegen den Kopf. Anschließend legte er die Kleine mit dem Bauch auf das Sofa und trat mit seinem Fuß gegen ihren Rücken. „Das Kind hat viel Glück gehabt, die Verletzungen hätten alle potenziell tödlich sein können“, sagte die Rechtsmedizinerin und Sachverständige vor Gericht. Das Kind erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, zudem wurden die Leber, die Bauchspeicheldrüse und das Herz geprellt, wie die Untersuchung ergab. Zahlreiche Hämatome am Kopf und am Hals wurden ebenfalls diagnostiziert. Die verminderte Hörfähigkeit, von der die Mutter des Kindes berichtete, könne von der Misshandlung stammen. „Dahinter kann aber auch eine wiederkehrende Mittelohrentzündung stecken“, sagte die Medizinerin.

Frust über seine Partnerin habe sich an jenem Tag angestaut, und er habe diesen an dem Mädchen ausgelassen, gab der Angeklagte als Grund für seine Tat. Er habe eigentlich am Nachmittag arbeiten müssen, seine Partnerin aber telefonisch nicht erreicht und sich daher mit dem Kind in seiner eigenen Wohnung eingesperrt gefühlt. Seine Wut und Übermüdung hätten schließlich dazu geführt, dass er ausgerastet sei. „Es war einfach zu viel Stress“, sagte der Mann, der wegen seines konfliktbehafteten Elternhauses bereits mehrmals in psychiatrischer Behandlung war.

Ein Gutachter sieht für den Täter keine gute Prognose

Er verfüge über eine „gewisse verminderte Steuerungsfähigkeit“ und eine „mangelnde Frustrationstoleranz“, lautete das Urteil des psychiatrischen Sachverständigen über den Angeklagten. Seine Prognose für den 26-Jährigen sei „eindeutig nicht gut“, fügte er hinzu. „Er hat an dem Tag klar ein ihm bekanntes Reaktionsmuster gezeigt, und deshalb muss man davon ausgehen, dass er bei seiner Tochter erneut explodiert, wenn ihm irgendetwas zu viel wird“, erläuterte der Gutachter.

Bei der Tat müsse von einem vollendeten Tötungsversuch ausgegangen werden, so der Vertreter der Nebenklage, der für die Mutter und das Kind sprach. Sein Antrag, den Prozess daher ans Landgericht Stuttgart weiterzuleiten, wurde allerdings abgelehnt. Für so manchen der rund 15 Polizeianwärter, die den Prozess im Rahmen einer Fortbildung besuchten, bestätigte sich wohl der Sinn des angestrebten Berufs. Auf die Frage, ob sie sich durch solcherlei Täter nicht entmutigt fühle, antwortete eine junge Polizistin: „Nein. Jetzt erst recht.“