Ein Mitglied der Terrororganisation Hamas läuft gebückt durch einen Tunnel unter dem Gazastreifen. Foto: Imago/Stock&People

Das Tunnelsystem unter dem Gazastreifen ist eine der größten Herausforderungen für die israelische Armee im Kampf gegen die Terrororganisation Hamas. Deren verborgenen Gänge  seien ein „unterirdischer Albtraum“, heißt es in einer neuen US-Studie.

Das „Modern War Institute“ der United States Military Academy West Point, der Kaderschmiede des amerikanischen Militärs im gleichnamigen militärischen Schutzgebiet im Bundesstaat New York, ist eine der versiertesten Adressen für militärischen Themen und strategische Fragen. So auch im Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas.

Das Tunnelsystem unter dem Gazastreifen sei eine der größten Herausforderungen für die israelischen Verteidigungsstreitkräfte IDF (Israel Defence Forces) im Kampf gegen die Hamas. Die verborgenen Gänge der radikalislamischen Palästinenserorganisation seien ein „unterirdischer Albtraum“, heißt es in einer neuen Studie der US-Militärakademie West Point.

Demzufolge gibt es 1300 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 500 Kilometern – ein sehr dichtes Netz in dem nur 41 Kilometer langen und maximal ein Dutzend Kilometer breiten Gazastreifen.

Unterirdische Stadt unter dem Gazastreifen

Das Tunnelsystem unter dem Gazastreifen ist eine der größten Herausforderungen für die israelische Armee. Foto: AFP/Said Khatib
In den unterirdischen Gängen sollen Batterien von Raketenwerfern versteckt sein, die bei Bedarf schnell aus- und wieder eingefahren werden können. Foto: AFP/Partick Baz
Einige Schächte sind bis zu 40 Meter tief. Foto: AFP/Said Khatib

„Das ist wirklich eine unterirdische Stadt“, schreibt der Autor der Studie, der amerikanische Militärexperte John Spencer. Er spricht von einem „bösem Problem“ für Israels Militär, „für das es keine perfekte Lösung gibt“. Einige Schächte sind bis zu 40 Meter tief und können nach Angaben der israelischen Armee 450 Kilogramm schweren Bomben standhalten.

Eine der vergangene Woche freigelassenen israelischen Geiseln berichtet, dass sie nach ihrer Entführung „zwei oder drei Stunden lang“ durch ein unterirdisches „Tunnelnetz“ geführt worden sei. Das verborgene Labyrinth sei „die Hölle unter der Erde“, schreiben die israelischen Zeitungen „Maariv“ und „The Jerusalem Post“.

Guerillakrieg unter der Erde

Ein Hamas-Mitglied lässt sich an einem Seil in einen Tunnel hinab. Foto: AFP/Said Khatib
Die israelische Armee hat Spezialkommandos für das Aufspüren und die Zerstörung von Tunneln gebildet. Foto: Imago/Stock&People
Die Einheit Yahalom hat neue Methoden für die unterirdische Kriegsführung entwickelt. Foto: Imago/Xinhua

„Tunnel werden das entscheidende Element der Guerillakriegtrategie der Hamas“ gegen die israelischen Soldaten sein, ist Spencer überzeugt. Israel geht davon aus, dass die Hamas die meisten ihrer Angriffe aus den Tunneln heraus steuert.

In den unterirdischen Gängen sollen Batterien von Raketenwerfern versteckt sein, die bei Bedarf schnell aus- und wieder eingefahren werden können. Auch eine eigene Stromversorgung, Belüftungsanlage sowie Munitions-, Lebensmittel- und Wasservorräte soll es geben. Die Armee vermutet auch unter Krankenhäusern und Moscheen Zugänge zu dem Tunnelsystem.

Schwer anzugreifendes Tunnelnetz

Israelische Soldaten stehen vor einem Tunneleingang der Hamas: Es gibt 1300 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 500 Kilometern. Foto: Imago/Stock&People
Es existiert ein sehr dichtes und verzweigtes unteriridsches Netz in dem nur 41 Kilometer langen und maximal ein Dutzend Kilometer breiten Gazastreifen. Foto: Imago/Zuma Wire
Die Hamas nutzt das Tunnelsystem für den gezielten Einsatzihrer Mitglieder.  Foto: Imago/Mahmoud Issa

Die Hamas könne „ihr unterirdisches Netzwerk nutzen, um Kämpfer zur richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bringen  oder um sie von Gefahren fernzuhalten“, erklärt Mick Ryan, ein pensionierter US-General, der für die Denkfabrik Center for Strategic and International Studies in Washington arbeitet. Das Tunnelnetz sei auch deshalb schwer anzugreifen, weil es unter extrem dicht besiedeltem Gebiet liegt. Im Gazastreifen leben 2,4 Millionen Menschen.

Hunderte Stollen unter der Grenze

Um die Blockade des Gazastreifens durch Israel zu umgehen, begann die Hamas 2007 hunderte von Stollen unter der Grenze zum Sinai zu graben. Foto: Imago/Stock&People
Der Bau jedes Kilometers Tunnel kostet rund 500 000 Dollar (479 000 Euro). Foto: Imago/Stock&People
Die Hamas schmuggelte Menschen und Waren, aber auch Waffen und Munition hinein und heraus. Foto: Imago/Stock&People

Um die Blockade des Gazastreifens durch Israel nach der Machtübernahme der Hamas 2007 zu umgehen, begannen die Palästinenser hunderte von Stollen unter der Grenze zur ägyptischen Sinai-Halbinsel zu graben. Sie schmuggelten Menschen und Waren, aber auch Waffen und Munition hinein und heraus. „Seit 2014 ist das Ziel der Hamas jedoch, ein Netz von unterirdischen Tunneln zu schaffen, mit denen man sich durch den Gazastreifen bewegen kann“, erläutert ein israelischer Militärvertreter.

Ägypten flutete einige Tunnel, Israel zerstörte nach eigenen Angaben bis 2021 hundert Kilometer des unterirdischen Labyrinths. Doch die Hamas grub immer neue Gänge. Der Bau jedes Kilometers Tunnel kostet dem Militärvertreter zufolge rund 500 000 Dollar (479 000 Euro).

Israelische Spezialkommandos für unterirdische Kriegsführung

Die israelische Armee hat nach Angaben westlicher Experten Spezialkommandos für das Aufspüren und die Zerstörung von Tunneln gebildet. Die Einheit Yahalom habe „neue Methoden für die unterirdische Kriegsführung entwickelt“, berichtet Ex-General Spencer. Auch eigens ausgebildete Hunde sollen dabei zum Einsatz kommen.

Die Hamas hatte am 7. Oktober einen beispiellosen Großangriff auf Israel begonnen. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1400 Menschen getötet und mindestens 239 weitere verschleppt. Israel bombardiert den Gazastreifen seither. Durch die israelischen Angriffe wurden nach Angaben der Hamas, die sich nicht überprüfen lassen, mehr als 8300 Palästinenser getötet.