Mangelndes Interesse und Verzögerung setzen Vorbereitungsgruppe unter Druck.
Stuttgart - Das mangelhafte Bürgerinteresse und die erzwungene Verzögerung des Auftakts setzen die Vorbereitungsgruppe des Filder-Dialogs unter Druck: Am Freitag will sie das ambitionierte Projekt retten – sofern das noch möglich ist.
Den Entschluss, den für Freitag geplanten Start des Filder-Dialogs auf den 16. Juni zu vertagen, hatten die 17-köpfige Vorbereitungsgruppe und Moderator Ludwig Weitz am Montagabend bei einer Telefonkonferenz getroffen. Freitagnachmittag wird sich die sogenannte Spurgruppe erstmals nach dem folgenschweren Beschluss leibhaftig treffen. Sechs Stunden sind für die interne Diskussion vorgesehen. Die Zeichen stehen auf Sturm.
„In seiner jetzigen Form ist der Filder-Dialog gescheitert“, urteilt Steffen Siegel, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Filder. Weil die von Moderator Weitz entworfene Struktur der Debatte „keine echte Bürgerbeteiligung“ zulasse, müsse man sich nicht wundern, wenn der Bürger dem Dialog fernbleibe, argumentiert Siegel.
Im Verfahren steckt noch „genug Brisanz“
Beim Filder-Dialog soll über die beste Schienenanbindung des Flughafens und der Filder an das Bahnprojekt Stuttgart 21 diskutiert werden. Im Plenum sollen nach der Vorstellung von Weitz nicht nur 86 Spezialisten aus dem Pro-und-Contra-S-21-Lager teilnehmen, sondern auch 80 Bürger. Doch auf Bitte von Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) – zuständig in der Landesregierung für Bürgerbeteiligung – wollten nur fünf der 240 repräsentativ ausgewählten Bürger am Dialog teilnehmen. Als Reaktion auf die dürftige Quote wurde der Dialogstart verschoben.
Selbst wenn es im zweiten Anlauf gelingen sollte, die 80 Plätze zu füllen, stecke noch „genug Brisanz“ im Verfahren, warnt Siegel. Engagierte Bürger, alternative Verkehrsverbände und Initiativen hätten mit hohem Aufwand und Sachverstand eigene Pläne für den Dialog entwickelt, so Siegel. „Wenn solche Varianten nicht gleichrangig mit den Plänen der Bahn im Plenum diskutiert werden dürfen, schließe ich nicht aus, dass die betreffenden Teilnehmer den Dialog verlassen“, sagt Siegel. Damit wäre das Projekt Bürgerbeteiligung gescheitert.
Eine komplett offene Variantendebatte im Filder-Dialog lehnt Bahn kategorisch ab
Dass Weitz nur die bereits im regulären Genehmigungsverfahren stehenden Bahn-Pläne im Bereich Filder sowie vier bereits verworfene Alternativen diskutieren lassen will, geht aus dem Ablaufplan des Dialogs hervor, der unserer Zeitung vorliegt. Die Bahn argumentiert, dass die vier Varianten „das ganze Spektrum der öffentlichen Diskussion“ widerspiegeln. Eine komplett offene Variantendebatte im Filder-Dialog lehnt sie kategorisch ab. Am Freitag will die Bahn der Spurgruppe Unterlagen zu ihren eigenen Plänen und Varianten übergeben.
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) betonte am Mittwoch im Landtag, dass der Filder-Dialog „offen“ geführt werden müsse. Der Minister favorisiert eine Variante, bei der die Gäubahn nicht zum Flughafen geführt wird, sondern zum Tiefbahnhof. Reisende zum Flughafen oder zur Messe aus Richtung Süden müssten dann in Vaihingen auf die S-Bahn umsteigen.
„Beim Zeitplan gibt es keine Kompromisse“
Den Zeitplan des Dialogs hält Hermann für kritisch. Nach dem Willen der Bahn, den das Land bisher akzeptiert hat, soll am 7. Juli die letzte von drei Dialog-Sitzungen stattfinden. Am 13. Juli sollen die Dialogergebnisse öffentlich präsentiert werden.
„Beim Zeitplan gibt es keine Kompromisse“, heißt es aus Bahn-Kreisen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat jedoch bereits angedeutet, dass er sich im Ernstfall ein zeitliches Entgegenkommen des Konzerns erwartet. Nach Informationen unserer Zeitung wird die Bahn im Gegenzug bereits am Freitag in der Spurgruppe ein strafferes Dialog-Konzept einfordern.
Das Konzept wird auch ein Thema sein, wenn Minister Hermann und der Moderator demnächst erstmals miteinander reden. Bisher habe er sich beim Filder-Dialog nämlich „bewusst herausgehalten, damit kein Verdacht politischer Einflussnahme entsteht“, so der Minister am Mittwoch. Jetzt greift er ein: Zum Beispiel seien nicht zwingend 80 Bürger beim Dialog erforderlich. 40 Bürger seien doch „auch gut“, meint Hermann.