Mercedes-Teamchef Toto Wolff (li.) und Starpilot Lewis Hamilton haben gemeinsam entschieden, auf eine Berufung zu verzichten. Foto: imago/HochZwei

Formel-1-Rennstall Mercedes legt keine Berufung gegen das WM-Finale ein, obwohl er sich weiterhin im Recht sieht. Teamchef Toto Wolff fordert jedoch neue Regeln und Strukturen im Weltverband.

Stuttgart - Vor dem Standesbeamten sollte man achtgeben, welches Wort man sagt. Auch vor einem Richter ist es ratsam, jeden Satz auf eine Goldwaage zu legen. Toto Wolff ist bereits verheiratet, und vor Gericht stand er nicht – dennoch hat der Mercedes-Teamchef am Donnerstag seine Worte wohlüberlegt gewählt. Denn der Österreicher in Diensten des Stuttgarter Daimler-Konzerns hat begründet, warum der Mercedes-Rennstall keine Berufung gegen die Abweisung des Protests beim WM-Finale in Abu Dhabi bei Automobil-Weltverband (Fia) einlegt.

 

Lewis Hamilton hatte vergangenen Sonntag nach einer zweifelhaften Entscheidung von Rennleiter Michael Masi in einer Saftey-Car-Phase den so gut wie sicheren WM-Titel in der letzten Runde an Red-Bull-Pilot Max Verstappen verloren. Der Protest vor Ort war von den Rennkommissaren abgeschmettert worden, die Frist, um Berufung einzulegen, wäre am Donnerstagabend abgelaufen. „Dieser Schritt ist uns sehr schwer gefallen“, sagte Wolff und blickte noch einmal zurück: „Du bist einer Situation ausgesetzt, die du nicht ändern kannst. Es ist wie in einem totalitären Regime – und dann noch gegen jede Regel.“ Rennen zu verlieren, sei Teil des Sports, „aber es ist was anderes, wenn du den Glauben an den Rennsport verlierst.“ Das Team und Hamilton würden „nie darüber hinwegkommen“, sagte Wolff, „das ist nicht möglich, schon gar nicht als Fahrer.“

Seit Montag hatte der Rennstallleiter mit Daimler-Chef Ola Källenius und Starpilot Hamilton diskutiert, am Mittwochabend einigten sie sich darauf, die Saison 2021 abzuhaken – obwohl sie nach wie vor der Meinung sind, dass sich die Rennleitung in den letzen fünf Runden nicht ans Regelwerk gehalten habe. Seine Vorwürfe sieht Wolff nicht entkräftet, aus seiner Sicht liegt die Hauptproblematik in der Struktur der Formel 1. Bei einer Berufung müsste das Fia-Sportgericht entscheiden, ob Fia-Rennleiter Masi die Fia-Regeln korrekt angewendet hat. Man könnte von einem internen Interessenskonflikt sprechen. „Das ist, als müsste sich ein Schüler selbst die Noten im Zeugnis geben“, betonte Wolff und legte sich die passenden Worte akribisch zurecht, „ich bin überzeugt: Vor einem regulären Gericht hätten wir in diesem Fall mit dieser Sachlage gewonnen.“ Dabei sieht er die Person Michael Masi nicht als Ursache des Problems an. Mercedes hat laut Aussage des 49-Jährigen kein Interesse daran, jemand anderen auf dem Posten des Rennleiters zu platzieren – aber ein Weiter- so wird es mit Mercedes auch nicht geben. „Wir müssen diesen Vorfall nutzen“, erklärte Wolff mit ernster Miene, „um zu analysieren, wie man das besser managen kann. Wie man diese Probleme ausräumen und den Sport damit verbessern kann.“ Das gesamte Regelwerk hat offenbar zu viele Grauzonen, die Interpretationsspielraum bieten.

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Beim Großen Preis der Eifel vor 14 Monaten, erläuterte Wolff, habe es just dieselbe Situation gegeben wie am Sonntag in Abu Dhabi. Damals habe die Rennleitung jedoch verfügt, dass alle überrundeten Fahrzeuge das Safety-Car überholen dürfen, völlig unabhängig, wie viel Zeit dafür verstreichen werde. „Nur 14 Monate später fällt eine Entscheidung, die dieser 180 Grad entgegen liegt“, verdeutlichte Wolff, „damit werden fundamentale Prinzipien der Fairness gebrochen.“ Es dürfte im neuen Jahr ans Roden gehen, wenn sich der Weltverband mit den Teams in den Dschungel des Regelwerks begibt, um Wildwuchs zu beseitigen und Licht ins Dunkel zu bringen. Auch Red Bull hatte sich nach dem WM-Finale über zu viele Unklarheiten beklagt.

Mercedes verzichtet auf eine Berufung, nun kann Max Verstappen an diesem Freitag auf der Fia-Gala seinen WM-Pokal entgegennehmen. Hamilton und Wolff fehlen bei der pompösen Veranstaltung in Paris, für Mercedes nimmt Cheftechniker James Allison den Pokal für die Konstrukteurs-WM in Empfang. „Wir sind beide nicht dabei“, betonte der Teamchef, „ich komme nicht, weil ich loyal zu Lewis stehe, und wegen meiner eigenen Integrität.“ Eigentlich ist im sportlichen Reglement des Weltverbandes deren Teilnahme zwingend vorgeschrieben ...