An der Börse geht es auf und ab – das bekommen jetzt auch die Börsenbetreiber bei ihren Fusionsplänen zu spüren. Foto: dpa

Die Aktionäre der Londoner Börse LSE wollen die Fusion mit Frankfurt. Doch in Deutschland nimmt die Kritik nach der Brexit-Entscheidung zu.

Frankfurt - Wenn es nach dem Willen der Aktionäre des britischen Börsenbetreibers LSE ginge, würde die Fusion der beiden Börsen in London und Frankfurt trotz des möglichen Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union wie geplant über die Bühne gehen. Auf der gestrigen Versammlung der Anteilseigner in der britischen Hauptstadt fiel das Votum für den Zusammenschluss fast einstimmig aus.

Damit allerdings hat die Fusion zum größten Börsenplatz Europas erst die kleinste Hürde genommen. Bis zum 12. Juli müssen sich die Aktionäre der Deutschen Börse entscheiden, ob sie ihre Papiere in die des neuen Unternehmens umtauschen wollen. Da die Mehrheit des Aktienkapitals bei ausländischen Investoren liegt, ist das Management der Deutschen Börse zwar recht zuversichtlich, dass dieser Schritt auch gelingen wird. Bei deutschen Anteilseignern und der Politik jedoch mehren sich nach der Brexit-Entscheidung die kritischen Stimmen. Der ursprüngliche Plan sieht nämlich vor, dass der Hauptsitz der neuen Großbörse in London sein soll. Als Ausgleich soll die Deutsche Börse die Mehrheit halten und auch den Chef stellen.

Den deutschen Aktionären aber ist nicht ganz wohl bei der Sache. Sie kritisieren, dass der Hauptsitz des neuen Unternehmens in London sein soll, also außerhalb der Eurozone. Einen Kompromiss, etwa die Ansiedlung in Amsterdam, könnten sich einige Aktionärssprecher dagegen durchaus vorstellen. Auf jeden Fall aber müsse die Führung der Deutschen Börse ihre bisherigen Fusionspläne „nochmals kritisch hinterfragen und massiv anpassen oder ganz begraben“, forderte der Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Klaus Nieding. Die zweite Sorge der Anteilseigner ist, dass sie zu viel für die Fusion bezahlen. Nach dem Absturz des britischen Pfunds und dem Rückgang des Aktienkurses infolge der Brexit-Entscheidung hat die LSE deutlich an Wert verloren. Hier gibt es bei den Managern schon Überlegungen, diese Sorgen zu zerstreuen: Sie könnten den Deutsche-Börse-Aktionären eine Sonderdividende anbieten.

Die Politik beziehungsweise die Aufsichtsbehörden könnten letztlich die größte Hürde darstellen. Sie müssen der Fusion zustimmen. Schon früh nach dem Bekanntwerden der Fusionspläne hatte sich Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) skeptisch geäußert: Es müsse geklärt werden, „ob das Land seinen Aufsichtspflichten entsprechen kann, wenn der Sitz der Holding in Großbritannien sein soll. Dies wirft Fragen auf.“ Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) erklärte vielsagend, das Brexit-Votum werde bei den Prüfungen seines Ministeriums eine Rolle spielen – „und natürlich werden wir auch abwarten, ob die Pläne in dieser Form bestehen bleiben“.

Zwar erklärt der Chef der Deutschen Börse, Carsten Kengeter, gern, dass die Fusion auch nach einem Brexit gesamtwirtschaftlich Sinn macht. Und auch Aufsichtsratschef Joachim Faber betont, dass es nun wichtiger als zuvor sei, die finanzwirtschaftliche Verbindung zum Vereinigten Königreich stabil zu halten. Gleichzeitig sagt er aber auch: „Der Finanzplatz Frankfurt sollte dabei eine Führungsrolle einnehmen und die Verbindung zwischen Europas größter Volkswirtschaft mit London als dem größten Finanzplatz der Welt sicherstellen.“

Bereits Anfang Mai hatte Faber in einem Interview gesagt, es sei zwischen den Partnern „fest verabredet“, dass im Brexit-Fall noch einmal alles überdacht werde - „inklusive der Frage, wo die Gesellschaft am besten angesiedelt wird“. London als Sitz der Holding sei eine „klare politische Vorgabe der Regierung Cameron“ gewesen. „Andernfalls hätten die Briten sich darauf gar nicht eingelassen.“