Die Bund-Länder-Kommission sagt Nein zum Böllern an Silvester. Doch was meinen Bürgerinnen und Bürger in Stuttgart dazu? Die Antwort ist natürlich nicht repräsentativ, fällt aber doch eindeutig aus.
Stuttgart - Dem Jahr 2022 wird kein rauschender Empfang bereitet. Stille Nacht, Silvesternacht. Ohne Feuerwerk mit Lichterzauber, aber auch ohne ohrenbetäubenden Krach, ohne knallende Sektkorken und Party in der City und auf den Aussichtsplätzen in Höhenlage. Das hat die Bund-Länder-Kommission entschieden. Hatten wir schon, kennen wir schon und regt offenbar als Corona-bedingte Wiederholung niemanden mehr auf. Im Gegenteil: „Sehr gut“, heißt die überwiegende Meinung der Bürgerinnen und Bürger in einer freilich nicht repräsentativen Umfrage.
„Prima, dann geht es der Umwelt besser“, reagieren Ulrike und Antonia Maurer, Mutter und Tochter, spontan, ehe sie in der Warteschlange vor der Buchhandlung Wittwer wieder vorrücken können.
Auch der zehnjährige Moritz zeigt sich umweltbewusst
Ein paar Schritte daneben haben Vater und Sohn ihre Räder an die Platane gelehnt. Moritz Herzer, 10 Jahre alt, vermisst überhaupt nichts, wenn auch diese Silvesternacht wie schon die letzte ohne Feuerwerk auskommen muss. Ganz ernsthaft und sehr umweltbewusst sagt er, dass er diese Entscheidung „ganz richtig“ finde. „Ich kann auch gut darauf verzichten“, sekundiert sein Vater Markus Herzer. Als „Kulturschaffender“, er ist Pianist, leide er zwar selbst unter den vielen Einschränkungen durch Corona, denke daher auch an die notleidende Pyrotechniker-Branche und wolle schon gar niemandem den Silvesterspaß verderben.
Aber statt dem unprofessionellen Raketen-Geböllere hätte er sowieso lieber ein professionelles Zentral-Feuerwerk: „So wie beim Lichterfest am Killesberg. Oder bei der Nacht der Sterne auf den Fildern.“ Ein Vorschlag für die Zukunft, denn beide Veranstaltungen waren wegen des Andrangs und der Infektionsgefahr in diesem Sommer auch gestrichen. Jan Tatzel bekennt, dass für ihn zur Silvesterparty auch das Feuerwerk gehört: „Wir feiern mit Freunden, und da wird immer ganz schön geböllert.“ Darum bedauert er diesen Beschluss ein bisschen: „Schade ist es schon. Aber natürlich doch besser.“ Seine Freundin Franziska Brodtbeck bestärkt ihn: „Das ist sehr gut für die Umwelt.“ Sie selbst habe sowieso immer nur ein paar Knallerbsen geworfen.
„Gott sei Dank“ keine Knaller mehr vor die Füße oder unter den Rock
„Gott sei Dank“: Ausdrücklich begrüßt Doris Rudolph das von Feuerwerk, Alkoholkonsum und Partygetümmel in der Innenstadt und an den weiteren üblichen Hotspots befreite Stuttgart. Weil sie die Auswüchse in der Innenstadt zusammen mit Alkoholkonsum und Partygetümmel aus den vergangenen Jahren kennt und immer darunter gelitten hat: „Wir sind Silvester meist in der Oper. Und wenn wir anschließend noch über den Schlossplatz gehen, ist das sehr unangenehm, wenn einem die Knaller direkt vor die Füße geworfen werden. Oder, noch schlimmer, unter den Rock.“ Diese Auswüchse haben bekanntlich schon vor Corona, beim Jahreswechsel 2019/20, zum Böllerverbot auf dem Schlossplatz geführt.
„Macht mir gar nichts aus“, kommentiert auch Eva Drexler das Verbot. Die Mutter von Baby Lene, gerade ein Jahr alt, fände es nur schade, wenn man sich auch nicht im privaten Kreis mit Freunden treffen könnte, um den Jahreswechsel zu feiern. Auch ohne Böller und Knaller.
Fröhlichkeit angesichts der vielen Toten und Kranken „nicht angebracht“
Für ein „falsches Signal“ hält Barbara Schäfer generell derzeit ein Feuerwerk: „Diese überschwängliche Fröhlichkeit ist nicht angebracht angesichts der vielen Kranken und Toten.“ „Wir haben doch andere Sorgen und größere Einschränkungen“, mahnt auch ein Mann, der seinen Namen nicht preisgibt: Als Selbstständiger müsse man bei Meinungsäußerungen heute schließlich gleich mit einem Shitstorm rechnen.
Die Stuttgarter Stadtverwaltung überlegt noch, ob sie weitere Verfügungen wie Ausgangsbeschränkungen treffen muss und will. Auch da wäre ihr vermutlich der Beifall der Bürgerinnen und Bürger sicher, denn die Angst vor der Pandemie bestimmt sogar bei den meisten und sogar den Dreifach-Geimpften das Silvesterprogramm: Gefeiert wird daheim, da ist es sicher.