Klassenverbleib steht über allem - Aufsichtsrat Hundt bestätigt indirekt Umbau-Plan.
Stuttgart - Offiziell bestätigen will die Kandidatur von Gerd E. Mäuser noch niemand. Beim VfB Stuttgart ist das große Schweigen ausgebrochen. Und doch ist klar: Der ehemalige Porsche-Manager soll Erwin Staudt als VfB-Präsident beerben. An diesem Wochenende wird sich der Aufsichtsrat auf Mäuser festlegen.
Schon die Begrüßung ist eine klare Ansage. Die Stimme laut, das Auftreten sicher, der Blick voller Tatendrang - aber auch mit der Nachricht an die Runde: Mich führt heute keiner auf's Glatteis. Der Termin mit Dieter Hundt war längst fixiert, der Zeitpunkt hätte aufgrund der aktuellen Berichterstattung über die Zukunft der Führung des VfB Stuttgart aber passender nicht sein können. Nur: Der Vorsitzende des Aufsichtsrats hat nicht vor, zu diesem Thema mehr zu sagen, als zwingend notwendig.
Dieter Hundt folgt der Taktik, der sich ein ganzer Verein in diesen Tagen verschrieben hat, wenn es um Fragen der Zukunft geht beim Fußball-Bundesligisten. Geredet wird viel, gesagt jedoch (fast) nichts. Und so erklärt der Chef des Kontrollgremiums der Roten am Donnerstagmorgen am Redaktionstisch unserer Zeitung: "Ich habe immer wieder erklärt: Für uns gibt es eine alleinige oberste Priorität - die Sicherung der ersten Liga. Das gilt nach wie vor. Erst danach werden wir andere Fragen behandeln."
Oberste Priorität hat der Ligaverbleib
Gestern hatte unsere Zeitung berichtet, dass VfB-Präsident Erwin Staudt für eine weitere Amtszeit nicht mehr kandidieren wird und der Aufsichtsrat einen Favoriten auf dessen Nachfolge erkoren hat: Den früheren Porsche-Manager Gerd E. Mäuser (53), geboren in Berlin, seit 17 Jahren in Bietigheim-Bissingen zu Hause, seit 2002 Mitglied des VfB-Aufsichtsrats.
Mäuser ist mittlerweile von einer Reise aus Schanghai zurückgekehrt, wurde so zwar überrascht von der aktuellen Entwicklung, lässt sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. Freundlich, aber bestimmt bittet er um Verständnis, sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern zu wollen.
Um dieser Zurückhaltung Nachdruck zu verleihen, gibt der VfB wenig später eine Mitteilung heraus, die in anderen Worten die gleiche Nachricht verbreitet: "Es werden tatsächlich Überlegungen zur künftigen personellen Zusammensetzung der Vereinsgremien angestellt. Oberste Priorität hat aber nach wie vor der Ligaverbleib. Der VfB Stuttgart wird sich zu gegebener Zeit zu diesem Thema äußern."
Nach Lage der Dinge kann das schon kommende Woche passieren. Erstens ist dann der Ligaverbleib womöglich gesichert. Zweitens haben sich Vorstand und Aufsichtsrat dann endgültig auf Mäuser als Kandidat für die Staudt-Nachfolge verständigt. Am Samstag ist für den Abend nach dem Spiel gegen Hannover 96 ein Treffen anberaumt.
Ein Dementi war nirgends zu hören
Danach wird klar sein: Gerd E. Mäuser wird vom Aufsichtsrat bei der kommenden Mitgliederversammlung als Präsidentschaftskandidat vorgeschlagen. Ergänzt werden soll das neue Führungsteam durch einen sportlichen Berater namens Hansi Müller, der Mäusers Platz im Aufsichtsrat einnehmen soll. Der Ex-Nationalspieler will am Donnerstagnachmittag, wen wundert's, kein offizielles Statement abgeben.
So viel Zurückhaltung, könnte man meinen, bringt wenig Licht ins Dunkel, doch gilt auch: Ein Dementi war gestern nirgends zu hören, zwischen den Zeilen klang vielmehr Zustimmung durch, etwa als Hundt erklärte: "Ich habe keinen Grund, Ihre Spekulationen ganz in den Bereich des Unsinnigen zu verweisen. Natürlich beschäftigt sich ein verantwortungsvolles Gremium ständig mit Veränderungen auf allen Ebenen." Und dass Hundt einen Wirtschaftsfachmann für die Staudt-Nachfolge favorisiert und nicht den Forderungen nach einem Ex-Kicker nachgibt, unterstreicht er mit folgender Äußerung: "Ein Verein wie der VfB ist ein mittelständisches Unternehmen und braucht zunächst einmal eine kompetente Persönlichkeit als Manager." Womit er nicht den Sportdirektor Fredi Bobic meint, sondern einen Wirtschaftsboss in der Ebene darüber. Einen wie Mäuser.
Den beschreiben ehemalige Weggefährten als "sehr geradlinig", als Führungsfigur mit dominantem Auftreten, aber auch mit der Gabe, sich von guten Argumenten überzeugen zu lassen. Und: Der ehemalige Marketing-Boss bei Porsche sei einer, der zu seinem Wort stehe.
Der VfB schreibt rote Zahlen
So weit, so klar - bleiben im Grunde nur zwei Fragen offen. Die eine, die noch geklärt werden muss, ist die nach dem Termin für die Mitgliederversammlung, auf der Mäuser gewählt werden soll. Zuletzt war der September im Gespräch, damit Erwin Staudt als noch amtierender Präsident beim Länderspiel am 10. August in der umgebauten Mercedes-Benz-Arena verabschiedet werden kann. Dies, so heißt es, sei dem Leonberger ganz wichtig. Andererseits hat der VfB, sollte der Klassenverbleib gelingen, keinen Grund, unnötig Zeit verstreichen zu lassen und könnte nach einer Wahl im Juli mit der neuen Führungsriege in die Saison starten. Ebenfalls noch geklärt werden muss die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des angedachten sportlichen Beraterteams.
Das soll künftig den sportlichen Werdegang des VfB zumindest kritisch begleiten. Hundt bestätigt indirekt auch dies, indem er erklärte, der künftige Vereinschef müsse sich "im sportlichen Bereich beraten lassen". Damit möglichst nicht noch einmal eine Situation wie die aktuelle entsteht.
"Diese Saison hat mir die größten Sorgen in den neun Jahren, in denen ich jetzt Vorsitzender des Aufsichtsrats bin, bereitet", sagt Hundt, der bereit ist, daraus Konsequenzen zu ziehen. Vom Weg, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, sei man "vielleicht zu stark abgekommen". Das soll sich ändern, auch gezwungenermaßen. Der VfB nämlich schreibt derzeit rote Zahlen - und das nicht ohne Grund: "Die Mannschaft ist zu teuer", sagt Hundt, "deshalb wird sie in der kommenden Saison ein anderes Gesicht haben."
Damit schließt sich der Kreis am Donnerstagvormittag: Mit einer klaren Ansage.