Lana Del Rey - nie war Unglücklichsein schöner Foto: Promo

Mit ihrem Debüt „Born To Die“ und Songs, die klingen, als ob sie aus einem überbelichteten David-Lynch-Film stammen, wurde Lana Del Rey vor zwei Jahren als Pop-Sensation gefeiert. Jetzt gelingt ihr mit „Ultraviolence“ der nächste atemberaubende Auftritt.

Das eine Mal trifft man diese traurigschöne Frau auf einer Party, muss mitansehen, wie sie sich in ihrem roten Kleidchen zu der wehmütigen Ballade „Cruel World“ mit Bourbon betrinkt, wie sie verrückt spielt und behauptet: „I’m finally happy now that you’re gone“ – ich bin jetzt endlich glücklich, nachdem du weg bist. Das andere Mal steckt sie sich Federn ins Haar und schwärmt in der sperrigen Nummer „Brooklyn Baby“, die ein bisschen wie eine zarte, verloren gegangene Velvet-Underground-Nummer klingt, von der Beat- Generation, von Lou Reed und ihrem Liebling, der Gitarre in einer Band spielt.

Schöner leiden mit Lana Del Rey. Tunkte sie auf dem Album „Born To Die“ ihre schwermütigen Liebes-, Trennungs- und Eifersuchtsdramen noch in grelle Farben, so fühlt sich ihr neues Album „Ultraviolence“ wie ein Schwarz-Weiß-Film an. Wie ein Film noir voller Zeitlupenaufnahmen und hochdramatischer Auftritte, der von Gewaltexzessen, Drogen und der Lust am Selbstverlust erzählt. In „Sad Girl“ spielt die 27-Jährige die traurige Geliebte eines verheirateten Mannes, verkleidet sich in „Pretty When You Cry“ einmal mehr als Nancy Sinatra, fühlt sich im betörenden Walzer „Shades Of Cool“ verschmäht und zieht in „Money Power Glory“ bitter Bilanz, während eine Gitarre mürrisch quiekt.

Elizabeth Grant, inzwischen besser bekannt als Lana Del Rey, liebt in ihren Songs verführerisch-böse Rollenspiele, bezeichnet sich selbst gerne als „Gangsta-NancySinatra“ und behauptet, ihr Erscheinungsbild solle den Eindruck erwecken, sie sei eine „Lolita, die sich im Ghetto verlaufen hat“. Und wie schon „Born To Die“ (2012) ist „Ultraviolence“ eine wunderbare Platte voller schmerzhaft-schöner romantischer Tragödien mit Lana Del Rey in der Rolle der Femme fatale, die mal Täterin, mal Opfer ist.

Amy Winehouse musste zwei Alben veröffentlichen, bis sie endlich als Sensation entdeckt wurde. Lady Gaga mühte sich einige Jahre lang als Künstlerin im New Yorker Underground ab, bis man sie als die neue Madonna feierte. Lana Del Rey brauchte sich dagegen bloß einen Schmollmund spritzen zu lassen und auf You Tube ein von trashigem Retro-Charme beseeltes Video zu veröffentlichen, um als neuer Superstar gefeiert zu werden.

Das ist eine ebenso populäre wie falsche Lesart des unaufhaltsamen Aufstiegs der Lana Del Rey. Zwar macht sich die Sängerin und Songwriterin, die in Lake Placid aufgewachsen ist und mit 15 von ihren Eltern aufs Internat in Connecticut geschickt wurde, angreifbar, weil sie große Auftritte liebt, sich gerne selbst als Klischee inszeniert und weil ihre Plattenfirma natürlich nicht nur Musik, sondern auch ein Image verkauft. Doch die Lieder der Lana Del Rey brauchen den ganzen Reklamerummel um Botox und Trailerparks nicht wirklich. Wen das Album „Born To Die“, das von Guy Chambers und Eg White produziert wurde, die zuvor für Robbie Williams gearbeitet hatten, noch nicht überzeugt hat, der sollte es mit „Ultraviolence“ noch einmal versuchen.

Produzent war diesmal Dan Auerbach von den Black Keys. Am meisten glaubt man dessen Einfluss im knurrig-hinterhältig die Rhythmen wechselnden „West Coast“ durchzuhören. Zwar gibt es auf der neuen Platte mehr Gitarren und weniger Hip-Hop-Einflüsse als auf „Born To Die“ zu hören. Doch erneut haben die Songs etwas Traumwandlerisches, scheinen direkt aus einem überbelichteten David-Lynch-Film zu stammen. Wirkt die nicht minder betörende Anna Calvi wie die Königin der Nacht, die Heldin der Somnambulen, ist Lana Del Rey die Königin des Tages, die White-Trash-Queen der Tagträumer. Ihre Lieder quellen über von Sehnsucht, Begehren und selbstzerstörerischem Verlangen. So auch im Titelsong „Ultraviolence“: „He hit me and it felt like a kiss“, singt Lana Del Rey mit abgründigen Zartheit: Er schlug mich, und es fühlte sich wie ein Kuss an.