Die schwersten Regenfälle seit Jahrzehnten haben in Libyen schwerste Schäden angerichtet und Tausende in den Tod gerissen. Die unter jahrelangem Bürgerkrieg leidende Bevölkerung trifft die Katastrophe hart.
Nach den katastrophalen Überschwemmungen in Libyen mit Tausenden Toten suchen Rettungskräfte weiter nach Überlebenden. Wegen der Wassermassen sind viele Gebiete von der Außenwelt abgeschnitten. Nach Angaben des Roten Kreuzes vom Dienstag (13. September) gelten rund 10 000 Menschen als vermisst.
Bilder aus dem Bürgerkriegsland zeigen das Ausmaß der Schäden, besonders drastisch ist die Lage in der Hafenstadt Darnah. Während die Dimension der Katastrophe langsam deutlich wird, bieten immer mehr Länder ihre Unterstützung an. Auch die Vereinten Nationen wollen helfen.
Welche Städte sind vor allem betroffen?
Man arbeite mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern zusammen, „um den Menschen in den betroffenen Gebieten dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen“, sagt ein Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres in New York. Ein UN-Team sei vor Ort. Man kooperiere mit den Behörden, um Bedarf zu ermitteln und laufende Hilfsmaßnahmen zu unterstützen.
Neben Darnah sind auch andere Städte wie Al-Baida, el Merdj, Susah und Shahhat betroffen.
Staudämme bei Darnah bersten
Mitten in der Nacht zum Sonntag brach mit einem gigantischen Knall ein Staudamm unweit der Küstenstadt Darnah. Schließlich gab auch ein zweiter Damm den Wassermassen nach, die vom Tal Richtung Darnah donnerten. Sehenswürdigkeiten, Häuser und Menschen sollen so ins Meer gespült worden sein. Rund ein Viertel der Stadt sind wohl verloren gegangen.
Momentaufnahmen der Zerstörungen
Notstand im Bürgerkriegsland ausgerufen
Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20 000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete – eine Fläche etwa so groß wie Sachsen-Anhalt. Die betroffenen Regionen wurden zu Katastrophengebieten erklärt. Laut einer der beiden rivalisierenden Regierungen in dem Bürgerkriegsland wurden rund 5200 Menschen in den Tod gerissen. Unabhängig ließ sich diese Zahl zunächst nicht bestätigen.
Der Sturm „Daniel“, der schon in Griechenland schwere Zerstörungen hinterlassen hatte, erfasste das nordafrikanische Land mit rund sieben Millionen Einwohnern am Sonntag (11. September).
Die jüngsten schweren Mittelmeer-Unwetter wie in Libyen lassen sich nach Expertenmeinung wahrscheinlich dem Klimawandel zuordnen. Dafür sprächen „diese extremen Niederschläge in ganz, ganz kurzer Zeit“, erklärt der Kieler Meteorologe und Klimaforscher Mojib Latif am Mittwoch (13. September).
Klimawandel führt zu „explosivem Gebräu“
Zum Hintergrund der Libyen-Katastrophe sagt Latif: „Es handelt sich hier um ein sogenanntes Mittelmeertief, und diese Tiefs können – gerade im Herbst – besonders intensiv sein, weil das Mittelmeer noch sehr, sehr aufgeheizt ist. Auf der anderen Seite kann dann auch kalte Luft aus dem Norden auf diese warme Luft treffen, und das ist dann so ein explosives Gebräu.“
Tief „Daniel“ zieht vom Balkan nach Nordafrika
Latif fügt hinzu: „Dieses Tiefdruckgebiet beschäftigt uns ja schon viele Tage lang. Es hat zuerst in Südosteuropa gewütet, in Griechenland, Bulgarien, der Türkei, und dann hat es sich auf dem Mittelmeer noch mal richtig intensiviert und ist zu einer Art Medicane geworden.“ Als Medicane bezeichnet man einen Mittelmeer-Sturm, der Ähnlichkeiten mit einem tropischen Wirbelsturm hat.
Für Latif muss es nun auch darum gehen, wie eine Region sich anpassen kann. Da sehe er aber auch Grenzen: „Klimawandel bedeutet nicht einfach nur höhere Temperaturen, sondern bedeutet vor allem extremeres Wetter, mehr Schadenspotenzial und vor allen Dingen auch eine gigantische Herausforderung für die Menschen im Sinne der Gesundheit.“ Man könne sich ein Stück weit anpassen, aber es gebe auch Grenzen. „Bei solchen Wassermassen, was wollen sie da noch tun?“