Stefan Mappus Foto: dapd

Ex-Regierungschef Mappus rechtfertigt vor dem Untersuchungsausschuss umstrittenen EnBW-Deal.

Stuttgart - Freitagmorgen, kurz nach halb zehn. Der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus ist gut gelaunt. Zusammen mit Staranwalt Stephan Holthoff-Pförtner und dem Stuttgarter Verteidiger Christoph Kleiner kommt der 45-Jährige zum Landtag. Wo ihm zu seiner Regierungszeit die Türen sofort aufgemacht wurden, muss er jetzt wie jedermann durch die Besucherpforte. „Ich habe ja keine Einlasskarte mehr“, sagt er schmunzelnd. Aber das ändert nichts am Tatendrang des Pforzheimers. „Ich bin dankbar, dass es endlich losgeht. Es wird Zeit, dass ausführlich über Fakten geredet wird und die Verleumdungen ein Ende haben.“

 

Eine 90-minütige Erklärung

Medienvertreter aus ganz Deutschland sind angereist, um zu hören, wie Mappus den Wiedereinstieg Baden-Württembergs bei der EnBW erklärt und warum er den fünf Milliarden Euro teuren Deal als Geheimaktion durchzog. „Es gibt heute keine Redezeitbegrenzung“, sagt Ulrich Müller (CDU), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, zu Beginn und bittet die 15 Mitglieder des Gremiums dennoch nicht zu übertreiben: „Wir müssen ja nicht bis morgen früh tagen.“ Jetzt aber hat erst einmal Mappus das Wort. Und der macht schnell klar, dass sich der EnBW-Deal monatelang abgezeichnet habe und keineswegs – wie bisher behauptet – eine Spontanaktion im Kampf gegen schlechte Umfragewerte vor der Landtagswahl gewesen sei. Seine ersten Überlegungen, dem französischen Staatskonzern EdF den 45-Prozent-EnBW-Anteil abzukaufen, stammten demnach vom April 2010. Da habe der Deutschland-Chef des französischen Staatskonzerns bei einem Besuch in Stuttgart erkennen lassen, dass man die Mehrheit an der EnBW haben wolle oder aber die Anteile abstoßen werde. „Die Absicht der Franzosen war sehr klar“, erinnert sich Mappus. Am 6. Juli 2010 trafen sich EdF-Chef Henri Proglio und Mappus in Stuttgart zum selben Thema. Ohne Ergebnis. Im September kam das Thema erneut hoch, der Druck aus Paris war gewachsen. Im Oktober habe er seinen Freund Dirk Notheis, den Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley, deshalb gebeten, „schnellstmöglich ein Treffen“ mit Proglio zu arrangieren. Es findet am 10. November in Paris statt. Die Botschaft des EdF-Chefs sei eindeutig gewesen. „Everything is on the table“, zitiert Mappus den Ausspruch von Proglio. Im Klartext: Alles ist verhandelbar. „Mir war schlagartig klar, dass die EdF ernst machen würde.“ Aber Mappus weist den EdF-Chef wiederholt darauf hin, dass man die Übernahme der EnBW durch einen ausländischen Investor wie die EdF nicht hinnehmen werde. Deshalb gibt er am 25. November 2011 den Auftrag an Notheis, die Verkaufsverhandlungen mit der EdF aufzunehmen. Es ist der Beginn der heißen Verhandlungsphase, die streng vertraulich läuft. „Morgan Stanley hat mehrfach deutlich gemacht, dass der Preis durch die Decke schießen würde, wenn die Sache vorzeitig öffentlich wird.“ Also wird verhandelt. Proglio will 39,90 Euro pro Aktie, dazu einen 30-prozentigen Aufschlag. „Das habe ich klar abgelehnt“, betont Mappus. Man verständigt sich auf 40 Euro plus 1,50 Euro Dividende. „Ich habe stets Wert darauf gelegt, dass der Deal kein Steuergeld kosten darf.“ Dass sein Nachfolger Winfried Kretschmann nun behaupte, das Land habe eine Milliarde Euro zu viel bezahlt, sei „schlicht unseriös“. Mappus betont: „Es war ein gutes Geschäft. Ich stehe zu dieser Transaktion.“

Und doch gestalten sich die Verhandlungen damals schwierig. Mappus will den Landtag an der Entscheidung beteiligen, aber die Franzosen lehnen einen solchen Parlamentsvorbehalt im Vertrag strikt ab. „Die EdF hat sich hier keinen Millimeter bewegt“, meint er im Rückblick. Über Tage hinweg prüft deshalb die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz, ob das Fünf-Milliarden-Geschäft auch ohne Beteiligung des Parlaments möglich sei. Am „frühen Abend des 30. November“, so Mappus, habe die Kanzlei per Mail grünes Licht gegeben, den Landtag zu umgehen. „Ich habe mich darauf verlassen. Wären von Gleiss Lutz Zweifel am Gang dieses Rechtswegs geäußert worden, hätte es keinen Rückkauf der EnBW-Anteile gegeben.“ Aber er will im Nachhinein weder Gleiss Lutz noch Morgan Stanley einen Vorwurf machen, dass der Staatsgerichtshof einige Monate später den Verfahrensweg als verfassungswidrig verurteilte. Alle Beteiligten hätten „exzellente Arbeit“ geleistet, sagt Mappus. Und das Urteil? „Ich weise den Vorwurf des Verfassungsbruchs entschieden zurück. Denn das setzt Vorsatz voraus.“

Mappus nutzt den Auftritt aber nicht nur zur Vorwärtsverteidigung, sondern auch zur Abrechnung. Immer wieder habe er der grün-roten Landesregierung in den vergangenen Monaten angeboten, ihr die damaligen geheimen Verhandlungen zu erklären, habe um Besprechungstermine gebeten. „Ich warte bis heute darauf.“ Stattdessen habe es Gerüchte gegeben, er habe Akten verschwinden lassen oder frisiert. „Das ist unwahr. Ich habe zu keinem Zeitpunkt etwas beiseitegeschafft“, wird Mappus wütend. Mehr noch. Er hält Grün-Rot an einem Bündel von Beispielen vor, dass man in dem Regierungsbericht zum EnBW-Deal für ihn entlastende Fakten weggelassen habe. „Es wäre ein Leichtes gewesen, einen präzisen Regierungsbericht vorzulegen, wenn man das gewollt hätte.“ So aber sei daraus „eine Anklageschrift“ geworden: „Eine solche Vorgehensweise ist jeder Regierung unwürdig.“ Mappus jedenfalls lässt keine Zweifel, dass er trotz aller Turbulenzen den Aktienkauf aus politischer Sicht nochmals vornehmen würde. Aber der Weg, das Parlament nicht zu beteiligen, „war außergewöhnlich und grenzwertig“. Aus „rechtlicher Sicht“ würde er das Geschäft deshalb heute „nicht mehr umsetzen“.