Wayne Carpendale spielt einen gereizten Porsche-Fahrer. Foto: ZDF/Bernd Schuller

Die Serie „Aufgestaut“ mit Wayne Carpendale und Daniel Donskoy beschreibt die Wut der Autofahrer, als „Klimakleber“ eine Straße blockieren.

Wer an einem Werktag in der Großstadt mit dem Auto unterwegs ist, fährt in der Regel nicht spazieren; alle wollen von A nach B und zwar so schnell wie möglich. Einer muss Pakete ausliefern, eine andere hat den wichtigsten Termin ihres Lebens, ein Vater will seine Tochter in der Kita abholen, eine Frau ist mit Wehen auf dem Weg ins Krankenhaus. Diese Menschen und noch einige mehr haben eins gemeinsam: Sie kommen nicht weiter, denn die Straße ist blockiert; eine fünfköpfige Gruppe will darauf aufmerksam machen, dass viel zu wenig gegen den Klimawandel getan wird. Damit bei einem Notfall Platz für einen Krankenwagen bleibt, haben sich allerdings nicht alle auf dem Asphalt festgeklebt.

Der clevere Titel „Aufgestaut“ bezieht sich nicht allein auf die Straßensperre: Einige der Betroffenen scheinen nur auf ein Ventil für ihre Wut gewartet zu haben. Verschiedene Reportagen haben dokumentiert, dass die Aktionen der Letzten Generation zum Teil erschreckend aggressive Reaktionen auslösen. Ein besonders zorniger Porschefahrer (Wayne Carpendale) rastet zwar aus, belässt es jedoch zum Glück bei Beleidigungen; in der rauen Wirklichkeit müssen die „Klimakleber“ durchaus mit Handgreiflichkeiten rechnen. Am Beispiel einer jungen Frau, deren Auto bloß gemietet ist, weil sie mit ihrem Cello auf dem Weg zum Konservatorium ist, verdeutlichen Matthias Thönnissen und Zarah Schrade (Buch und Regie) die Ambivalenz vieler Menschen: Ava (Nadja Sabersky) hat ein Vorspiel, das über ihre Karriere als Orchestermusikerin entscheidet. Eigentlich unterstützt sie Aktionen wie diese, aber heute passt es gar nicht.

Das wird teuer!

„Aufgestaut“ ist Teil der „Instant Fiction“-Initiative des ZDF. Diese Produktionen werden mit wenig Aufwand und in kurzer Zeit umgesetzt; so kann auch fiktional vergleichsweise rasch auf aktuelle Ereignisse reagiert werden. Unter der Prämisse haben Thönnissen und Schrade bereits „Schlafschafe“ (2021) gedreht; in dem tragikomischen seriellen Drama mit Daniel Donskoy und Lisa Bitter muss ein Mann damit klarkommen, dass seine Frau während der Corona-Pandemie zur radikalen Anhängerin einer Verschwörungserzählung wird.

Daniel Donskoy wirkt auch diesmal mit: Polizist Wuttke hat keine Lust mehr auf solche Einsätze, zumal es ihm beim Versuch, den einzigen nicht festgeklebten Teilnehmer von der Straße zu tragen, in den Rücken fährt. Dann muss er auch noch neues Speiseöl besorgen, um den Sekundenkleber aufzulösen. Prompt solidarisiert sich der Spätkauf-Verkäufer mit der Gruppe und verlangt einen Wucherpreis.

Ständig unter Druck

Die sechs als Fortsetzungsgeschichte angelegten, aber binnendramaturgisch konzipierten Episoden dauern rund fünfzehn Minuten und folgen dem Erzählprinzip „Gesichter in der Menge“: Scheinbar willkürlich werden in jeder Folge ein oder zwei Beteiligte herausgepickt, weshalb die Erzählperspektive ständig wechselt; zum Beispiel zu Lew (Nicolas Garin), dem russischen Paketboten, der von seinem Smartphone regelmäßig über den aktuellen Stand seines Zeitbudgets informiert wird. Er steht unter Druck, wird am Ende aber zum unbesungenen Helden des Tages. Über die Hintergründe der Menschen offenbart die Serie nur wenig, wie das eben so ist bei flüchtigen Begegnungen, aber die Informationen genügen, um sich eine Biografie denken zu können: Der Mann aus dem Späti heißt Paul (Ben Andrews Rumler) und braucht dringend Geld, damit sich sein Bruder in Ghana eine neue Wasserpumpe für seine Erdnussplantage kaufen kann. So schlägt die Serie den Bogen von unserem Lebensstandard, den wir nicht einschränken wollen, zu jenen, die von der Erderwärmung ungleich stärker betroffen sind.

Aufgestaut: Mi, 18. Oktober, 23.15 Uhr, ZDF Neo oder in der ZDF-Mediathek