Der verletzte Marcel Nguyen traut den deutschen Turnern eine Medaille zu. Foto: Getty

Er war neben Fabian Hambüchen als Leitwolf im deutschen Team vorgesehen, dann zog er sich einen Kreuzbandriss zu. Marcel Nguyen vom MTV Stuttgart verpasst die Turn-WM in China, er drückt nun in der Heimat die Daumen. Und auch über seine Entwicklung macht er sich Gedanken.

Er war neben Fabian Hambüchen als Leitwolf im deutschen Team vorgesehen, dann zog er sich einen Kreuzbandriss zu. Marcel Nguyen vom MTV Stuttgart verpasst die Turn-WM in China, er drückt nun in der Heimat die Daumen. Und auch über seine Entwicklung macht er sich Gedanken.
 
Stuttgart - Herr Nguyen, das deutsche Team steht an diesem Dienstag im Mehrkampffinale bei der WM. Was ist möglich?
Wenn die Jungs gut durchkommen und alles perfekt läuft, ist eine Medaille drin. Durch das Wertungssystem wird jeder Fehler knallhart bestraft. Wenn die anderen Federn lassen und wir nicht, könnte es für Edelmetall reichen.
Dabei ist das deutsche Team arg ersatzgeschwächt und muss neben Ihnen auch noch auf den Schulter-Patienten Sebastian Krimmer verzichten.
Ja, aber die Qualifikation hat gezeigt, dass die Jungs, die dabei sind, gut drauf sind. Die Mischung in der Mannschaft stimmt. Fabian Hambüchen und Helge Liebrich sind die Routiniers, die die Jungen führen, die manchmal natürlich noch ein bisschen nervös sind. Klar sind die großen fünf aus den USA, Großbritannien, China, Japan und Russland die Favoriten. Aber ich weiß, dass die Stimmung in der deutschen Mannschaft sehr gut ist und alle zuversichtlich sind.
Woher?
Wir schreiben uns regelmäßig und haben sogar eine Whats-App-Gruppe für die WM gegründet. Das ist auch bitter nötig – denn es gibt ja leider keine TV-Bilder bei uns zu sehen, ich bin also neben dem Live-Ticker im Internet ganz auf die Infos der Jungs angewiesen (lacht).
Sie haben Ihre Kollegen sicher auch schon informiert – über den ersten Studientag in Ihrer Heimatstadt München.
Ja. Da ich nicht dabei sein kann in China, habe ich mein BWL-Studium früher als geplant begonnen – und hatte am Montag meine erste Vorlesung: Einführung in die BWL.
Für den Kopf werden Sie also einiges tun – wie geht’s dem Knie, nachdem Sie sich Mitte September im Training einen Kreuzbandriss und einen Meniskuseinriss zuzogen?
Es ist alles so weit gut und im grünen Bereich, alles läuft nach Plan. Das Gute ist, dass ein Physiotherapeut des deutschen Teams auch in München ist und mich durch die Reha begleiten kann.
Sie hatten mal den Gedanken, bei einem Studium in München den Verein zu wechseln – und dem MTV Stuttgart den Rücken zu kehren. Wie ist der Stand der Dinge?
Nein, das stimmt nicht. Ein Vereinswechsel stand nicht zur Diskussion. Ich bleibe definitiv beim MTV und werde vor allem in den Semesterferien regelmäßig in Stuttgart trainieren.
Warum?
Weil es mein Verein ist, weil ich hier tolle Bedingungen habe und weil es in München keinen Bundesligaverein gibt.
Was ist der Plan für die nächsten Wochen und fürs nächste Jahr?
Zunächst einmal will ich die Reha erfolgreich absolvieren, dann muss man spontan schauen, wann ich wieder ins Training einsteigen kann. Mein großes Ziel ist die Weltmeisterschaft 2015 in Glasgow. Dort will ich mich mit der Mannschaft unbedingt für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro qualifizieren.
Bei den Spielen 2012 in London haben Sie zwei Silbermedaillen gewonnen, Sie wurden als Sohn eines Vietnamesen in Asien zum Star . . .
. . . Ja. Es war eine aufregende Zeit. Viele Leute haben mir nach Olympia 2012 gesagt, dass die Medaillen mein Leben verändern werden. Und so war es auch.
Sie waren in Hongkong Stargast auf der Fashion-Week, traten in Fernsehshows und bei Auto-Präsentationen auf. Das hat Ihnen Geld gebracht, das Trainingspensum litt aber etwas. Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt?
Dass man sich im sportlichen Bereich auch mal überwinden muss und auf die Zähne beißen muss. Dass man auch mal Sachen machen muss, die einem auf Anhieb vielleicht nicht immer so viel Spaß machen.
Sie hatten mal angedacht, nicht mehr den kompletten Mehrkampf mit dem Team turnen zu wollen – wegen der körperlichen Beanspruchung, aber auch wegen Ihrer Werbe-Ausflüge nach Asien. Sie trainierten weniger, es kam zum klärenden Gespräch mit DTB-Cheftrainer Andreas Hirsch.
Ja, er hat mir klargemacht, dass es gut wäre, wenn ich dabeibleibe im Mehrkampf. Und nichts anderes habe ich jetzt auch vor. Ich will zur WM 2015 und dann zu den Olympischen Spielen nach Rio. Der Fokus liegt wieder voll auf dem Sportlichen.
Wie ist das eigentlich als Star in Asien, genießen Sie dort den Rummel?
Ja, aber auf Dauer wird es mir manchmal schon ein bisschen zu anstrengend. Ich komme immer sehr gerne wieder nach Deutschland zurück, hier kennen mich viel weniger Leute auf der Straße – und ich habe einfach meine Ruhe (lacht).