Wyborgs einstiger Glanz ist heute verblasst. Viele Stadtteile sind heruntergekommen. Foto: Lebedew

Vor dem Treffen zwischen US-Präsident Trump und dem russischen Präsidenten Putin in Helsinki ist das Verhältnis beider Länder auf dem Tiefpunkt. Ein Besuch in Wyborg, in der finnisch-russischen Grenzregion.

Wyborg - Mit Händen in den Hosentaschen, den Blick schweifend, schlendert Janne Tolvanen mit seinem Sohn Leo durch Wyborg, eine russische Kleinstadt wenige Kilometer von Finnland entfernt. Vorbei an Ruinen, Häusern mit zerschlagenen Fenstern, ausgekippten Müllcontainern. „Es ist traurig zu sehen, wie die Stadt aussieht“, sagt Tolvanen. „Kaum vorstellbar, dass Finnen das alles einmal gebaut haben.“

Ein kurzer Ausflug nach Wyborg

Der Mann mit dem kahlen Kopf und den hellen Augen lebt im finnischen Virolahti, knapp eine Fahrstunde von Wyborg entfernt. Wie Tausende Finnen passiert er regelmäßig die Grenze zu Russland, tankt hier billigen Sprit, lässt Reifen wechseln, fährt seine Kinder zum Friseur oder geht in den Städten spazieren, die vor dem Zweiten Weltkrieg zu Finnland gehörten. Auch Wyborg mit seinen rund 80 000 Einwohnern zählt dazu.

In Finnland, so erzählt Tolvanens Sohn Leo und zeigt auf die ramponierte Straße, nennen sie Dinge ‚auf die russische Art‘, wenn etwas so ist, dass es gerade noch funktioniert. „Die Russen waren schon immer unvorhersehbar. Wir haben gelernt, damit zu leben“, sagt Tolvanen und schmunzelt.

Trump Beziehungen zu Putin

Am kommenden Montag treffen sich US-Präsident Donald Trump und Russlands Oberhaupt Wladimir Putin in Helsinki. „Ich gehe nicht mit großen Erwartungen in das Treffen“, sagte Trump am Freitag auf einer Pressekonferenz.Es gebe aber die Chance, das Verhältnis zu Russland zu verbessern und eine sehr gute Beziehung zu Putin zu haben.

Es überrascht nicht, dass das Gespräch unter vier Augen ausgerechnet in der finnischen Hauptstadt stattfindet. Mehrmals suchten Konfliktparteien hier die Annäherung, wie etwa die beiden Präsidenten Leonid Breschnew und Gerald Ford im Jahr 1975. Das dünn besiedelte Land in Skandinavien ist für viele die Brücke zwischen Russland und dem Westen.

Finnland strebt nicht in die Nato

1800 Kilometer lang ist die Grenze zwischen Russland und seinem Nachbarn. Durch Kriege wechselten angrenzende Ortschaften mehrmals in der Geschichte die Landesflaggen. Menschen wurden umgesiedelt. Trotzdem hielten die Regierungen den Kontakt zueinander. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die beiden Länder es verstanden, miteinander auszukommen. Finnland strebt nicht in die Nato. Russland sieht von aggressiven Störmanövern gegenüber dem Nachbarn größtenteils ab.

In Wyborg wird das pragmatische Verhältnis offensichtlich. Kaum eine Stadt ist historisch dichter zwischen den beiden Ländern verwoben. Niemand weiß besser, wie der Westen und Russland wieder näher zueinander finden könnten als die Menschen hier.

Putins mahnender Zeigefinger

Im Lokal Zona Bike blickt Putin mit einem mahnenden Zeigefinger streng von einem Bild auf die Gäste herab. Darunter steht: „Nichts ist umsonst“. Kellnerin Maria tippt in die Kasse. Ihre Haare hat sie zu einem Zopf nach hinten gebürstet. „Die Finnen sind zurückhaltend, das mag ich“, sagt sie. Sie stellen am Anfang keine persönlichen Fragen, fragen nicht nach dem Einkommen oder den Kindern.

Die Bar mit den kleinen Fenstern und den dunklen Ledersofas ist der skandinavische Hotspot von Wyborg. An einigen Abenden in der Woche kommen so viele Finnen hierher, dass manche nur noch von der finnischen Sauna sprechen. „Wir sind für die Finnen keine Exoten, sie respektieren uns“, sagt eine Kollegin von Maria. „Da herrscht von Anfang große Skepsis.“

Viele Manager wohnen in Finnland und pendeln

Trotz der Wirtschaftssanktionen, sind die Verbindungen von Wyborg ins europäische Nachbarland nicht gekappt. Viele Manager der angrenzenden Papierfabrik wohnen in Finnland und pendeln hierher. Es gibt Programme für den Schüleraustausch. Örtliche Politiker fahren regelmäßig über die Grenze.

Immer wieder sprechen Finnen und Russen in Wyborg von langen und verflochtenen Beziehungen als der Basis für politische Veränderungen. Pirveko Bulut fährt einige Male im Jahr von Lappeenranta nach Russland, um sich die Nägel machen zu lassen. „Hübsch, nicht?“, fragt sie und zeigt lachend die gepflegten Hände. Ihre Mutter war in Wyborg geboren und erzählte viel von der damals zweitgrößten Stadt in Finnland, vom Krieg, davon, wie Finnen gewaltsam ihre Stadt verlassen mussten. „Die Alten träumten lange, hierher zurückzukommen“, sagt sie. Aber die Stadt ist heute so kaputt, dass spätere Generationen sie gar nicht zurückwollten. Da ist er wieder, der finnische Pragmatismus.