Donald Trump tanzt mit Frau Melania am Inauguration Day. Foto: AFP

Nach 100 Tagen im Amt, die am Samstag erreicht sind, ist Trump bei der US-amerikanischen Bevölkerung so unbeliebt, wie es noch kein US-Präsident der jüngeren Geschichte in diesem Stadium war. Kein Wunder, kreist er bisher doch vor allem um sich selbst.

Washington - Donald Trump hat es geahnt. „Ganz egal, wie viel ich während der lächerlichen 100-Tages-Frist erreicht habe (und es ist sehr viel) – die Medien werden es verreißen“, twitterte der 70-Jährige in der vergangenen Woche. Der kurze Tweet sagt viel über den Mann aus, der seit dem 20. Januar die Geschicke der USA leitet. Selbstmitleid, ein tief sitzender Hass auf die „Lügenpresse“ und die Taktik, dem Nachrichtenfluss durch eigene Aufschläge zuvorzukommen, prägen sein Handeln genauso wie ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit: Schließlich hatte Trump selbst in der Endphase des Wahlkampfs einen feierlichen „Vertrag mit dem amerikanischen Wähler“ für die ersten 100 Tage im Weißen Haus unterzeichnet.

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Im Oktober versprach der Kandidat nicht nur, den „Washingtoner Sumpf“ trockenzulegen, die Arbeiter vor ausländischer Konkurrenz zu schützen und die Einwanderung aus „terroranfälligen“ Staaten zu stoppen. Er wollte auch in der ersten Phase seiner Amtszeit mit dem Kongress eine Steuerreform, ein 1000-Milliarden-Dollar-Infrastrukturprogramm, die Abschaffung von Obamacare und die Mauer zu Mexiko auf den Weg bringen. Die Zwischenbilanz dieser Großprojekte fällt allerdings ernüchternd aus: Für die Steuerreform hat Trumps Finanzminister Steven Mnuchin gerade ein einziges Blatt Papier mit Spiegelstrichen vorgelegt, das der Kongress so kaum unterstützen wird. Das Infrastrukturprogramm steht in den Sternen. Die Gesundheitsreform scheiterte an der eigenen Partei. Und der Mauerbau wird mangels Geld verschoben. Im Vergleich zu seinen konservativen Vorgängern George W. Bush und Ronald Reagan, die kurz nach ihrem Amtsantritt ausgearbeitete Konzepte für eine Steuerreform vorlegten, oder zu Barack Obama, der ein großes Programm zur Ankurbelung der Wirtschaft durchbrachte, hat Trump einen veritablen Fehlstart hingelegt.

Der Mauerbau wird mangels Geld verschoben

Das wissen auch seine Berater im Weißen Haus. „Die 100 Tage sind eine politische Marke, und wir haben nur noch zweieinhalb Wochen, das Ruder herumzureißen“, gestand ein ungenannter Regierungsbeamter Anfang des Monats einem Reporter des Magazins „Politico“: „Das ist eine monumentale Aufgabe.“ Seither scheint Trump die Parole „Action, action, action!” ausgegeben zu haben. Das Weiße Haus wirkt derzeit wie ein Wespennest. Kein Tag vergeht ohne neue Dekrete, Anordnungen und Pressekonferenzen. Trump brach einen Handelskrieg mit Kanada vom Zaun, er ordnet eine Überprüfung der Naturschutzgebiete in den USA an, verspricht die „größte Steuerreform aller Zeiten“ und will Nordkorea als Terrorstaat brandmarken. Vor lauter Stress findet der Präsident nach vier morgendlichen Wut-Tweets erst um 11 Uhr Zeit, seiner Frau Melania über Twitter zum Geburtstag zu gratulieren.

Milliardär kreist um sich selbst

Doch der Aktivismus verstärkt nur den Eindruck einer planlosen Präsidentschaft, die allein vom übergroßen Ego des Chefs beherrscht wird. Dass der Immobilienmogul und Show-Mann Trump auf das Amt denkbar schlecht vorbereitet war, hat er kürzlich in einem entlarvenden Interview eingeräumt: „Ich habe nie geahnt, wie groß die Aufgabe ist“, sagte er: „Jedes Ministerium ist größer als jedes Unternehmen. Ich erkenne gerade die Größe und auch die Verantwortung.“

So kreiste der Milliardär, der keine Akten liest und seine Anregungen aus dem Fox-Frühstücksfernsehen bezieht, wochenlang um sich selbst. Er diskutierte über die Zuschauerzahl bei seiner Inauguration, beklagte sich ohne Belege über angeblichen Wahlbetrug und beschuldigte Obama, ihn abgehört zu haben. An manchen Tagen gleicht Trumps Amtsführung einer Freakshow im TV. Dann poltert er wie der Herrscher einer Bananenrepublik über die Presse als „Feind des Volkes“, berichtet dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping beim „wunderbarsten Stück Schokoladenkuchen, das ich je gegessen habe“, über den Raketenangriff auf Syrien, ereifert sich über eine Kaufhauskette, die das Modelabel seiner Tochter aus dem Programm nimmt, oder prahlt bei Twitter mit seinem „guten Freund“ Luciano Pavarotti, dessen Ableben vor zehn Jahren ihm offenbar entgangen ist. Trump ist das Gegenteil eines Intellektuellen, aber er ist nicht dumm. Viele der Twitter-Tiraden dienen neben der Befriedigung seines Narzissmus auch dem Ziel, die Öffentlichkeit abzulenken. Wenn es eng wird, entfacht er an anderer Stelle ein Feuer und setzt so seine eigene Agenda. Auch kann er über den Kurznachrichtendienst direkt mit seinen Anhängern kommunizieren und ihnen das Gefühl vermitteln, für ihre Anliegen zu kämpfen.

Atemberaubende Kehrtwenden

Hinter der Inszenierung treten die konkreten Inhalte zurück. Tatsächlich hat Trump schon eine Reihe atemberaubender Kehrtwenden hingelegt. So spricht er China plötzlich vom Vorwurf der Währungsmanipulation frei. Das Verteidigungsbündnis Nato findet er nun doch nicht mehr obsolet. In Syrien und Nordkorea konterkariert er seine isolationistische Politik. Und er will die Freihandelszone Nafta mit Mexiko und Kanada nun doch nicht verlassen. Noch ist unklar, was hinter den Positionswechseln steckt: Sind sie Ausdruck einer Reifung im Amt? Spiegeln sie den Machtkampf zwischen Nationalisten und Pragmatikern im Weißen Haus? Oder belegen sie nur die Unberechenbarkeit eines prinzipienlosen Geschäftemachers?

Seine Anhänger nehmen Trump die Pirouetten bislang jedenfalls ebenso wenig übel wie die regelmäßigen Ausflüge auf den Golfplatz, die er bei Obama skandalisiert hatte. Während der US-Präsident bei Umfragen in der Gesamtbevölkerung mit rund 40 Prozent eine historisch niedrige Zustimmung erhält, sprechen ihm mehr als 80 Prozent der Republikaner auch nach den wohl bizarrsten ersten 100 Tagen eines Präsidenten ihr Vertrauen aus.