Davide kam am 8. Mai 2022 bei einem Unfall in Treviso ums Leben. Foto:  

Eine Rechnung über 183 Euro für die Reinigung des Unfallortes erhielten die Eltern eines Jungen, der von einem betrunkenen Polizisten totgefahren wurde.

„Am Anfang dachten wir, dass ihnen ein Fehler unterlaufen sei. Oder dass es sich um einen schlechten Scherz handle“, sagt die Mutter. Es war aber kein Scherz: Ein in der Nähe von Treviso in Norditalien lebendes Elternpaar, das im Mai 2022 seinen 17-jährigen Sohn Davide bei einem Verkehrsunfall verloren hatte, muss für die Reinigung des Unfallorts aufkommen.

So steht es in einer Rechnung der Behörden, die die Eltern unlängst in ihrem Briefkasten fanden. „Reinigung, Beseitigung der Trümmerteile, Sägemehl zur Absorbierung der verschütteten Flüssigkeiten: 183 Euro“, heißt es da im Detail. Mit den „verschütteten Flüssigkeiten“ waren das Blut von Davide und das ausgelaufene Benzin seines Motorrollers gemeint.

Unfallverursacher war ein betrunkener Polizist

Den Unfall verursacht hat ein 31-jähriger Beamter der Fremdenpolizei von Treviso, ein begeisterter Rugbyspieler. Er hatte nach dem Spiel am fraglichen Nachmittag mit seinen Mitspielern ordentlich über den Durst getrunken, war danach ins Auto gestiegen und kurz darauf in einer Kurve mit überhöhter Geschwindigkeit auf die Gegenfahrbahn geraten, wo ihm Davide auf seinem Scooter entgegenkam. Der Jugendliche war auf der Stelle tot. Der Polizist hatte nach dem Unfall noch vergeblich versucht, ihn wiederzubeleben. Er wurde in Gewahrsam genommen, aber vom Untersuchungsrichter gleich wieder auf freien Fuß gesetzt: keine Vorstrafen, tadelloser Leumund, keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr.

Vor wenigen Tagen ist der Unfallverursacher wegen des neuen Tatbestands „Tötung im Straßenverkehr“ im Schnellverfahren zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er wird die Strafe voraussichtlich nicht absitzen müssen und befindet sich auch längst wieder im Dienst. „Er hat uns unseren Sohn genommen, und er muss dafür keinen einzigen Tag im Gefängnis verbringen“, sagt Davides Mutter. Sie könne das akzeptieren, auch wenn es schwierig sei; eine härtere Bestrafung des Täters würde ihr ihren Sohn ja auch nicht wieder zurückbringen. Der Polizist sei selber verzweifelt: Er habe sich bei ihr und ihrem Mann unter Tränen entschuldigt. „Wir hassen ihn nicht.“

Etwas anderes ist natürlich die Rechnung der Behörden. Man kann sich fragen, warum diese die Eltern erhalten haben und nicht der Polizist – vermutlich ist nach Bürokraten-Logik ausschlaggebend, dass es das Blut Davides war und das Benzin seines Rollers, das auf dem Asphalt vergossen wurde.

Irrwitzige Bürokratie

Es ist offenbar aber keine ungewöhnliche Ausnahme, dass sich Behörden gegenüber leidgeprüften Eltern unsensibel zeigen. Per Einschreiben waren Davides Eltern unter Androhung eines Bußgeldes auch aufgefordert worden, den Scooter wieder abzuholen, nachdem dieser unfalltechnisch untersucht worden war. Und die Freundin Davides durfte sich im Prozess gegen den Polizisten nicht als Privatklägerin beteiligen: Sie sei ja weder verwandt noch verheiratet mit dem Toten.

Dieser eklatante Fall von behördlicher Pietätlosigkeit ist von allen Medien in Italien aufgegriffen worden und hat Empörung ausgelöst. Aber erstaunt hat es letztlich niemanden: Jede Italienerin und jeder Italiener wird irgendwann in seinem Leben Opfer von bürokratischem Wahnsinn, in der Regel mehr als einmal. Was den Eltern von Davide widerfahren ist, ist in den Augen der Öffentlichkeit nur eine weitere, absurde Fehlleistung einer Verwaltung, die von niemandem kontrolliert wird – und die nicht einmal haltmacht vor dem Schmerz von Eltern, die durch das schuldhafte Verhalten eines anderen Staatsdieners ihr Kind verloren haben.