Vegetarische und regionale Lebensmittel sind im Kommen Foto: dpa

Immer mehr Gäste in den Hotels und Restaurants wollen sich keinen Zwängen mehr aussetzen. Und ihr Urlaubstag oder ihr Menü soll so individuell wie nur möglich aussehen.

Stuttgart - Früher, so erinnert sich der Baiersbronner Hotelchef Hannes Bareiss, haben seine Gäste schon mal ein Jahr im Voraus die Massage um 11 Uhr für den zweiten Urlaubstag gebucht. Inzwischen fällt die Entscheidung, was ein Gast will, immer öfter kurzfristig. „Heute schauen sie erst mal nach dem Aufwachen, wie ist das Wetter, zu was habe ich heute Lust – und entscheiden dann spontan, wollen aber alle Optionen nutzen können.“

Die Hoteliers, so Bareiss, müssten sich „auf eine andere Erwartungshaltung der Gäste einstellen“. Auch in der Küche muss man sich neu ausrichten, weiß Sternekoch Frank Oehler von der Speisemeisterei in Hohenheim. Er hat aktuell „drei große Bewegungen“ ausgemacht. Oehler: „Vegetarier, Flexitarier und regionale Produkte sind sehr im Kommen.“

"Gäste von heute viel selbstbewusster und fachkundiger"

Daniel Ohl vom Hotel- und Gaststättenverband bestätigt: „Die Gäste von heute sind viel selbstbewusster und fachkundiger geworden.“ Die Trends im Land: IndividualisierungHannes Bareiss blickt schon aufgrund der Lage seines Hotels im Nordschwarzwald über den Tellerrand. Beim ihm kehren viele Franzosen ein. Das Elsass ist nah. Doch schon beim Menü zeigen sich zwischen deutschen und französischen Gästen gravierende Unterschiede: Viele Deutsche wollten inzwischen „selbst das Menü à la carte“. Bareiss: „Da gibt es viele Spezialwünsche bei den einzelnen Gängen. Wir haben Umbestellungen wie noch nie.“ Konsequenz: Noch mehr Arbeit für die Köche und das Servicepersonal.

Die Franzosen dagegen, so der Hotelmanager, seien pflegeleichter. „Sie übernehmen in aller Regel unseren Menüvorschlag eins zu eins.“ Das muss kein Fehler sein, sagt Frank Oehler: „Wenn beim Menü viel umbestellt wird, leidet die Qualität. Dann fehlt die sinnstiftende Harmonie!“ Der Gast tue sich somit „keinen Gefallen mit seinen Extrawünschen“. Aber Oehler sagt auch: „Der Gast ist König. Er kann bestellen, was er will. Wenn er ein Elefantenschnitzel will, dann bekommt er eins.“ Daniel Ohl beobachtet den Trend zum individuell gestalteten Essen ebenfalls. Ein Wirt aus dem Raum Rottweil hat ihm berichtet: „Viele Gäste nehmen die Menüs nur noch als Basis für Eigenkreationen.“

Mehr regionale Produkte, weniger Etikette

„Die regionale Herkunft ist vielen Gästen sehr wichtig“, sagt Ohl. Oehler nennt es „eine Haltung, ein Bekenntnis zur eigenen Region“. Auch für Bareiss ist es wichtig, regionale Produkte und Bioprodukte anzubieten. „Das spielt eine große Rolle, die Gäste sind sehr sensibilisiert. Es geht auch um die Geschichte drum herum, sprich: die Herkunft der Produkte und der Züchter.“ Wobei bei den Bioprodukten oftmals eine falsche Erwartungshaltung vorherrscht. Ohl: „Viele meinen, Bio muss auch besser schmecken. Das muss es natürlich nicht.“ Die Produkte sind nur anders angebaut und hergestellt. Zwanglosigkeit Casual fine dining, das heißt: Die Etikette – etwa der Krawattenzwang – ist in den guten Restaurants nicht mehr gefragt. Vielmehr soll die Atmosphäre zwanglos sein. Auch das Besteck muss nicht mehr aus edlem Silber sein.

Diesen Trend, der aus Paris kommt, beobachtet auch Hannes Bareiss. „Es gibt immer weniger Gäste, die konservativ gekleidet sind. Die Menschen wollen sich keinen Zwängen mehr aussetzen.“ Tatsache sei aber auch: „Die beiden Gästegruppen beäugen sich intensiv. Es gibt bei jedem ein gewisses Unverständnis für den anderen.“ Eine weitere Herausforderung für die Branche. Bareiss: „Wir stecken zwischen den Fronten und müssen überlegen, wie wir dieses Problem lösen.“ In seinem Hotel etwa hat er den Abend am See umgestaltet – weg von der festen Vorab-Anmeldung und dem Bankett-Service und hin zum zwanglosen Grillabend.

Auch Oehler bestätigt, dass es in seinem Sterne-Lokal keinen Krawattenzwang mehr gibt. Dennoch sagt er durchaus mehrdeutig und mit feiner Ironie: „Wir legen viel Wert auf guten Geschmack!“ Am wichtigsten sei aber, dass „die Gäste gute Laune und viel Hunger mitbringen“.

Die Trends in Hotellerie und Gastronomie jedenfalls, das veränderte Anspruchsdenken, fordert der Branche zwar noch größere Anstrengungen als zuvor ab. Doch das Geschäft brummt. Ohl: „Wir haben momentan eine gute Gästenachfrage!“ Dafür sorgt nicht nur die ordentliche Konjunktur, sondern auch ein immer größeres und individuelleres Angebot für die Gäste.