Sargmodell aus Cellulose Foto: Nips

Eine Alternative zu Holzsärgen sind Särge aus Cellulose. Die sind allerdings umstritten.

Regensburg/Stuttgart - Die Stuttgarter Bestatterin Barbara Rolf hat ihr Sortiment erweitert. Neben Särgen aus Kiefer und Eiche stehen in ihrem Ausstellungsraum nun auch Särge aus Cellulose. Der Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände wird zur Papierherstellung verwendet. Rolf hat sich für Modelle mit Blumenmotiven entschieden, rote Mohnblumen auf weißem Hintergrund und rote Rosen. "Die Gestaltung spricht vor allem Frauen an." Männern gefalle das Material. Es sieht wie Pappe aus und fühlt sich auch so an. Rolf fügt hinzu: "Ich habe schon länger Särge aus umweltfreundlichem Material gesucht."

 

Die Särge aus Cellulose wiegen neun Kilogramm und kosten etwa 350 Euro. Die Preise für Särge aus Holz beginnen bei 500 Euro. Zugelassen sind die Cellulose-Modelle lediglich für Einäscherungen. Für Erdbestattungen darf man in Deutschland ausschließlich Holzsärge verwenden. Andere Materialien benötigen eine Genehmigung.

Ihre Kunden, sagt Rolf, legen zunehmend Wert auf umweltschonende, individuell auf sie oder die Angehörigen zugeschnittene und kostengünstige Bestattungen. "Viele Kunden sehen es nicht ein, dass für ihre Särge ein halber Baum benötigt wird", sagt Rolf. Ein Drittel erkundige sich nach umweltfreundlichen Modellen. Immer mehr Menschen weigerten sich auch, Tausende Euro für eine Bestattung auszugeben. "Viele fürchten sich davor, abgezockt zu werden. Sie informieren sich mehr. Sie wissen genau, dass die Bestattungsbranche ein Markt ist."

Bestatter halten an Eiche rustikal fest

Nicht zuletzt deswegen stellt Barbara Rolf mit ihrer Aufgeschlossenheit eine Ausnahme in ihrer Branche dar. Viele Bestatter weigern sich, von den teuren Särgen aus Kiefernholz und Eiche rustikal abzuweichen. Günstigere Varianten wie die aus Pappe stoßen ihnen sauer auf. Der Bundesverband Deutscher Bestatter bestätigt, dass der Umweltaspekt an Bedeutung gewinnt. Zahlen liegen allerdings keine vor, sagt der Geschäftsführer Rolf Lichtner. Von den Särgen aus Cellulose hält der Verband trotzdem nichts. Sie seien weder ethisch zu vertreten noch umweltfreundlich, begründet Lichtner.

"Die Särge eignen sich nicht für Feuerbestattungen." Heftig kritisiert er die kurze Verbrennungsdauer. Im Durchschnitt vergehen 90 Minuten, bis ein Leichnam eingeäschert ist. "Für die Kremierung ist eine bestimmte Standdauer nötig, die der Sarg aus Cellulose nicht leistet", sagt Lichtner. Anders als Holzsärge, die abhängig von Holz und Dicke nach 20 bis 40 Minuten Asche sind, sei die Cellulose-Hülle bereits nach zehn Minuten verpufft - und der Tote liege entblößt da. "Der Sarg liefert keine Brennwärme. Es muss außerdem mehr Energie aufgewandt werden." Krematorien lehnten den Sarg daher oft ab.

Tüv-geprüfter Öko-Sarg

Der Einwand der zu kurzen Verbrennungsdauer ärgert Matthias Röder. Er ist der Geschäftsführer der Firma Nips aus Regensburg, die Särge aus Cellulose vertreibt. "Die Frage lautet: Was ist Pietät? Ein Kremierungsofen ist ein geschlossenes System." Die Angehörigen sehen nicht in die Brennkammern hinein. Außerdem verbrenne selbst ein Holzsarg schneller als ein Verstorbener, sagt Röder. Und der Mehraufwand an Energie mache höchstens ein paar Euro aus.

Auch Lichtners Einwand, dass für die Cellulose-Modelle das zerfaserte Holz mit Leim verbunden werde, damit es hält, lässt Röder nicht gelten. "Cellulose ist umweltfreundlich. Für das Material werden sogar Umweltgütesiegel vergeben."

Für Menschen, die auf Holzsärge verzichten wollen, gebe es zahlreiche vertretbare Materialien, kontert Lichtner. Särge aus Torf oder Polymere etwa. Alternativen zur Urne aus Holz seien Metalle oder Porzellan. Deutschland habe in dem Punkt seine Hausaufgaben gemacht, sagt Lichtner. Erd- und Feuerbestattungen in Holzsärgen entsprächen grundsätzlich dem Stand der Technik und seien so umweltschonend wie möglich. "Alle Holzsärge sind unbehandelt, die Lacke wasserlöslich."

Hohe Nachfrage

Röder lässt sich davon nicht beeindrucken. Seine Firma hat ihr Produkt vom Tüv Süd prüfen lassen. "Bei der Kremierung werden 75 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid ausgestoßen als bei Holzsärgen." Und er hat noch ein weiteres Argument für die Umweltfreundlichkeit seines Produkts. "Cellulose wird aus Aufforstungsholz gewonnen und ist ein nachwachsender Rohstoff." Daher müssten keine jahrzehntealten Bäume gefällt werden.

Fibratec nennt Röders Firma ihr aus veredelter Cellulose entwickeltes Material. Damit keiner auf die Idee kommt, von Papp-Särgen zu reden. Über mangelnde Resonanz könne er nicht klagen. Auf der internationalen Bestattermesse 2010 habe das Fachpublikum überwiegend positiv auf die Särge reagiert. "Inzwischen haben wir mehrere Hundert Stück verkauft."

Das Ausland bestattet radikaler

Im Ausland werden bereits Bestattungsmethoden als umweltverträglich propagiert, die im Vergleich zu den deutschen Modellen recht radikal erscheinen. Die sogenannte Promession stammt von der schwedischen Biologin Susanne Wiigh-Mäsak. Dabei wird der vorgekühlte Leichnam samt Sarg in einem minus 196 Grad kalten Stickstoffbad gefroren und pulverisiert - durch Vibration oder Erschütterung. Das getrocknete und von Schadstoffen gereinigte Pulver kommt in einen biologisch abbaubaren Sarg. Dort verrottet es zu Humus.

Die in den USA erprobte Resomation basiert auf der Tierkörperbeseitigung. Der Verstorbene wird in einem Hochdruckbehälter voller Lauge zersetzt. Die Knochen werden zermahlen, die Säure kann, werben die Anbieter, ohne Probleme als Dünger genutzt oder ins Abwasser geschüttet werden. Beide Methoden sind in Deutschland verboten. Dabei kann es ruhig bleiben, sagt Bestatterverbandschef Lichtner. Wo bleibe da die Würde? Die Bestatterin Rolf sieht das anders. Sie würde die Methoden ihren Kunden sofort anbieten, sagt sie. Jeder solle doch die Freiheit haben, aus allen Möglichkeiten zu wählen.

Bestattung soll zum Verstorbenen passen

"Die Menschen haben immer höhere Ansprüche. Ihnen ist wichtig, was der Tote trägt und dass die Optik des Sargs zu ihm passt." Viele tendierten dazu, den Sarg selbst zu bemalen mit Filzstiften, Edding, Wasserfarben oder ihn zusammen mit dem Bestatter zu verzieren. "Die Särge sollen farbig sein. Ein Großteil meiner Kunden bevorzugt Blumen."

Das Bedürfnis nach einer individuellen Bestattung verfolgt auch Lichtner. Längst liegen die Toten nicht mehr nur in einer gewöhnlichen Kiste. "Die Angehörigen wollen einen für den Verstorbenen passenden Weg des Abschieds finden. Das hat damit zu tun, dass in unserer Gesellschaft alles individualisiert wird." Immer wichtiger werde die Trauerfeier. Soll der Sarg handbemalt sein oder mit Blumen geschmückt? Wird ein Bild des Toten aufgestellt? Welche Musik hätte ihm gefallen? Was sagt der Pfarrer in der Rede?

Es gibt unzählige Antworten auf die Frage, wie man sich bestatten lassen kann. Bloß beim Worin ist die Auswahl begrenzt.