Videospielentwickler wollen ihre Produkte auch über ein Abonnement vertreiben – ähnlich wie Netflix es für Filme und Serie anbietet. Auf der Gamescom buhlen sie mit Mitgliedsbeiträgen ab vier Euro um die Gunst von Computerspielern.
Köln - Einmal zahlen und dann sich so oft bedienen können, wie man möchte – das All- you-can-eat-Prinzip ist schon lange nicht mehr nur auf Büfetts in Restaurants beschränkt. In der Unterhaltungsindustrie haben Streamingdienste wie Netflix, Spotify und andere mit einem ähnlichen Prinzip Millionen von Mitgliedern gewinnen und von ihrem Service dauerhaft überzeugen können. Dieser Erfolg ist auch der Videospielbranche nicht entgangen. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Entwickler für eine monatliche Gebühr einen Zugriff auf eine Spieleauswahl eingerichtet.
Abo deutlich günstiger als Vollpreis fürs Spiel
Im September geht mit dem französischen Hersteller Ubisoft das nächste Schwergewicht der Branche mit seinem Dienst Uplay+ an den Start. Für 15 Euro pro Monat gibt es hier Zugriff auf mehr als 100 Spiele. Das Angebot soll stetig erweitert werden und auch alle Zusatzinhalte der jeweiligen Titel umfassen. Zum Vergleich: Ein Vollpreis-Spiel kostet zur Veröffentlichung zwischen 55 und 70 Euro, Erweiterungen bis zu 30 Euro. Allerdings können nur PC-Spieler den Dienst nutzen.
Das klingt nach einem verlockenden Angebot. Doch der Erfolg von Netflix oder Spotify fußt vor allem darauf, dass mit einem Dienst eine große Bandbreite an Filmen und Serien beziehungsweise Musiktiteln und Alben zur Auswahl steht, egal welche Produktionsfirma sich dahinter befindet. Das ist der entscheidende Unterschied zur Videospielbranche, wo jeder Hersteller nur sein Portfolio anbietet. Wen spricht ein solches Angebot also an?
Laut Ubisoft kommen dafür derzeit eher diejenigen infrage, die jeden Tag gut rund drei Stunden mit Videospielen verbringen. Camille Aneas nennt sie die Hardcore-Gamer. „Der Markt wird sich aber in den nächsten Monaten und auch noch in den nächsten Jahren verändern. Besonders, wenn sich vermehrt Gelegenheitsspieler dazu entscheiden sollten, solch ein Angebot zu nutzen“, sagt die Leiterin von Ubisofts Abonnementgeschäft. Der französische Konzern geht fest davon aus, dass Fans seiner Spieleserien wie „Far Cry“, „Rainbow Six“ oder „Die Siedler“ auch positiv auf den neuen Service reagieren würden. „Es ist ein neues Geschäftsmodell für uns, und so wie bei der Digitalisierungswelle vor zehn Jahren werden wir dieses nach und nach an das Verhalten und die Bedürfnisse der Nutzer anpassen müssen“, führt Aneas weiter aus.
Mehr Erfahrung bei Microsoft
Wesentlich mehr Erfahrung mit einem Abo-Dienst hat dagegen Microsoft. Der Softwareriese hat sein Angebot jüngst von der Xbox-Spielkonsole auf den PC ausgeweitet. Der „Xbox Game Pass“, wie sich die Mitgliedschaft nennt, bietet ebenfalls aktuelle und ältere Spiele plus dazugehörige Erweiterungen. Nach und nach wird er ausgeweitet. „Wenn ich 16 gewesen wäre und es hätte so ein Angebot gegeben, dass ich auf über 100 Spiele zugreifen kann und es ständig erweitert wird, hätte ich das klasse gefunden“, sagt Florian Liewer, Chef von Microsofts Xbox-Sparte in Deutschland.
Das Abo-Modell gibt es für PC und Konsole und kostet zwischen vier und 13 Euro. Liewer ist der Meinung, dass ein Abo dadurch auch für Einsteiger geeignet ist, da dies zunächst günstiger sei, als den Preis für ein Einzelspiel zu bezahlen. Neben den Inklusivspielen locken viele Spieleentwickler in ihren Mitgliedschaften auch damit, dass sie exklusive Preisnachlässe auf Vollpreis-Titel gewähren. Die Abos können oft auch nach nur einem Monat wieder gekündigt werden.
Keine Angst vor Kurz-Abos
Doch genau darin liegt für die Anbieter ein Problem. Es könnte sich durchaus zur Mode entwickeln, künftig eher kurzfristig ein Abonnement einzugehen, als ein Spiel direkt zu kaufen. „Natürlich wird es passieren, dass einige Nutzer nach einem Monat das Abo kündigen, aber es liegt an uns, die Mitglieder vom Service und mit zusätzlichen Inhalten vom Bleiben zu überzeugen. Letztendlich gehört aber zum Deal dazu, dass der Kunde diese Flexibilität und Freiheit hat“, sagt Aneas.
Diese Befürchtungen kann Xbox-Chef Liewer hingegen nicht bestätigen. Demnach blieben viele Mitglieder dem Game-Pass langfristig treu. Zudem würden Mitglieder rund 40 Prozent mehr Spiele als Nichtmitglieder und bevorzugt zeitintensive Titel spielen. Wie viele Nutzer den Service nutzen, will er dagegen nicht verraten. Nur dass die Zahlen sehr stark ansteigen. Das belegen auch die Daten des deutschen Videospielverbands Game. Der Umsatz für Online-Dienste hat sich von 2017 auf 2018 fast verdoppelt und betrug rund 350 Millionen Euro. Auch wenn Microsoft und Ubisoft betonen, dass der Kunde bei den Abonnements die freie Auswahl hat, dürfte es unwahrscheinlich sein, dass Spieler mehr als zwei Abos gleichzeitig abschließen werden. Das zeigt auch ein Blick auf die Film- und Musikdienste.
Wer wird der Marktführer?
Noch gibt es keinen Anbieter, der wie Netflix oder Spotify den ganzen Markt dominiert. Es ist deshalb wichtig, sich in diesem neuen Geschäftsfeld strategisch aufzustellen und gut zu positionieren. Microsoft sieht sich für diesen Kampf gut gerüstet: „Wir haben ein gutes Portfolio: 15 eigene Entwicklerstudios, erfolgreiche Spielserien mit einer großen Fangemeinde, eine eigene Hardware und eine gute Cloud-Infrastruktur. Daher denke ich, dass wir alle Bausteine habe, um in Zukunft auf dem Videospielmarkt erfolgreich zu sein“, erklärt Liewer. Da Ubisofts Kompetenzen bei der Entwicklung und Produktion von Spielen liegen, hat man sich zu einer Partnerschaft mit Googles Cloud-GamingDienst Stadia entschlossen. „Für uns ist Google kein Konkurrent, sondern ein Partner. Der Videospielmarkt wird sich weiter verändern und birgt daher viel Unvorhersehbares. Da ist es besser, diesen Weg gemeinsam mit einem starken Partner wie Google zu gehen“, erklärt Aneas. Für Stadia, das im November an den Start geht, wird es aber nicht das ganze Ubisoft-Portfolio, sondern nur rund eine Handvoll Spiele geben.
Einzelverkauf wird bleiben
Spotify und Netflix haben den jeweiligen Markt und auch das Nutzerverhalten nachhaltig verändert: Videotheken sind fast ausgestorben, die Zahl der Kinobesucher sinkt nahezu jährlich, und der Verkauf von Singles und Alben ist stark zurückgegangen. Dass sich der Trend zu den Abo-Modellen negativ auf den Einzelverkauf von Videospielen auswirken könnte, glauben Liewer und Aneas aber nicht. Für beide Modelle sei ein Markt da. Auch Electronic-Arts-Deutschland-Chef Jens Kosche schlägt in die gleiche Kerbe: „Beim Film gibt es ja schon länger Flatrate-Streaming-Dienste und weiterhin auch Single-Verkäufe, sogar auf den gleichen Plattformen.“
Diese Spiele-Abonnements gibt es für Zocker
Uplay+: Mit Ubisofts Dienst gibt es Zugriff auf diverse Spieleserien wie Far Cry, Rayman, Rainbow Six, Anno, Die Siedler und andere Titel. Insgesamt sind mehr als 100 PC-Spiele in der Bibliothek, die erweitert werden soll. Kosten: 15 Euro pro Monat
Xbox Game Pass: Microsoft hat aktuelle Spiele (Gears 5, Age of Empires Definitive Edition) und ältere Titel von anderen Entwicklern. Kosten: vier Euro (PC), zehn Euro (Xbox-Konsole) oder 13 Euro (PC und Xbox).
Origin Access Premier:Electronic Arts bietet Zugriff auf seine Sportspiele wie Fifa oder Madden sowie die Titel für Die Sims, Battlefield und Star Wars. Der Dienst ist nur für PC-Spieler verfügbar. Kosten: 15 Euro im Monat oder 99 Euro im Jahr.
Playstation Now : Sonys Exklusivtitel und ein paar Highlights wie Red Dead Redemption gibt es für Kunden von Playstation Now, dazu eine Vielzahl von Playstation 3-Spielen. Der Streamingdienst kostet 15 Euro monatlich oder 99 Euro im Jahr für die Konsole oder den PC.
GeForce Now: Der Cloud-Gaming-Dienst von Grafikartenhersteller Nvidia ist derzeit in einer Beta-Testphase und bietet zumeist ältere PC-Spiele, ist dafür aber anders als die anderen Anbieter kostenlos. Einen Zugang zu bekommen ist schwierig: Allein eine Million Menschen sollen auf der Warteliste sein. Das Angebot soll auf Android-Geräte erweitert werden.