Strommasten vor dem Atomkraftwerk in Philippsburg Foto: AP

Grün-Rot will Baden-Württemberg beim Klimaschutz zum Vorreiter machen.

Stuttgart - Der Klimaschutz gehört zu den politischen Kronjuwelen der Grünen – sie achten deshalb sorgsam darauf, dass niemand sie in ihrem ökologischen Ehrgeiz übertrifft. Umso nervöser zeigte sich am Dienstag Umweltminister Franz Untersteller, als er den neuen Kurs der Landesregierung bei diesem Thema verkündete: Denn die reinen Zahlen könnten den Verdacht aufkommen lassen, die Erderwärmung ließe seine Partei plötzlich kalt.

25 Prozent Kohlendioxid sollen Haushalte, Verkehr und Wirtschaft bis zum Jahr 2020 weniger ausstoßen – gemessen an den Emissionen im Jahr 1990. Hatte Schwarz-Gelb nicht 30 Prozent als Zielmarke ausgegeben? Untersteller weist selbst auf den Unterschied hin, um ihn sogleich zu interpretieren: „Die Vorgängerregierung hatte sich dieses Ziel unter völlig anderen Bedingungen gesteckt.“ Soll heißen: Statt aus der Atomkraft auszusteigen, baute sie auf Laufzeitverlängerung.

Bis 2022 soll das letzte AKW vom Netz

Rund 50 Prozent der Stromerzeugung wären nach dieser Rechnung auf das Konto der Kernreaktoren gegangen, die erneuerbare Energie lag bei 20 Prozent und die fossilen Energieträger hätten die restlichen 30 Prozent übernommen. Doch seit der im Bundestag beschlossenen Energiewende ist dieses Szenario für 2020 nicht mehr erwünscht.

Gerade mal zu 17 Prozent wird Baden-Württemberg dann seinen Strombedarf aus atomaren Quellen decken, hat das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) der Landesregierung in einem Gutachten vorgerechnet. Bis 2022 soll schließlich das letzte Atomkraftwerk im Südwesten vom Netz. Zwar hat Grün-Rot das ehrgeizige Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energiequellen auf 38 Prozent zu erhöhen, doch als Lückenbüßer müssen Kohle und Gas herhalten.

So kommt es, dass der frühere Atom-Primus Baden-Württemberg mittelfristig auch den bundesweiten Klimaschutzzielen hinterherhinkt. Der Bund nämlich plant, die Treibhausgase gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren. Doch auch dafür hat Untersteller eine Erklärung: das „industrielle Abwracken“ der ehemaligen DDR. Zahlreiche Braunkohlekraftwerke gingen seither vom Netz, was dem Klima zu Gute kam.

Viel wichtiger als solche Zwischenziele sei das Langfristziel 2050, sagt Untersteller und weiß sich damit einig mit den Ulmer Wissenschaftlern. Bis dahin aber sollen die Emissionen im Südwesten um 90 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Und das, so ergänzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann, sei „deutlich ambitionierter“ als der Bund.

Förderprogramm fürs Energiesparen

Doch wie will Grün-Rot das erreichen? Zum einen dadurch, dass der Klimaschutz Gesetzesrang erhält. Nach Nordrhein-Westfalen bringt Baden-Württemberg nun als zweites Land ein solches Gesetz auf den Weg.

Damit Haushalte, Betriebe, aber auch die Landwirtschaft und der Verkehr ihre jeweiligen Minderungsziele erreichen, plant die Landesregierung daneben ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept: Das ist ein Katalog mit konkreten (alten und neuen) Maßnahmen, der bis April vorliegen soll.

Als Beispiel kündigte Untersteller ein neues Förderprogramm an, mit dem Klein- und Mittelbetriebe zum Energiesparen bewogen werden sollen. Auch privaten Hausbesitzern will er den Klimaschutz schmackhaft und dafür 2,5 Millionen Euro lockermachen. So könnten die Darlehen der bundeseigenen KfW-Bank für Dämm-Maßnahmen mit Landeshilfe weiter verbilligt werden.

Fachleute sollen die Entwicklung der Emissionen laufend überwachen, so dass der Maßnahmenkatalog flexibel nachgebessert werden kann. Auch einen Beirat mit Mitgliedern aus Wissenschaft und Gesellschaft will die Landesregierung einrichten. Dieser soll die Entwicklung an der Klimaschutzfront bewerten und Vorschläge für weitere Maßnahmen machen. Baden-Württemberg verantwortet etwa 0,3 Prozent an den weltweiten Treibhausgas-Emissionen.